München. Die Anforderungen an Planen, Bauen, Leben, Arbeiten in unserem Land verändern sich, etwa durch Klimaschutz oder Digitalisierung. Das bedeutet: Die Städte und Gemeinden von morgen und übermorgen werden und müssen sich ebenfalls ändern. Denn die Art, wie wir künftig leben und arbeiten wollen, bestimmt auch, wie wir unsere Gebäude nutzen und welche Infrastruktur wir benötigen.

Wohin die Trends gehen und welche Herausforderungen es gibt, hat die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) untersuchen lassen. „Constructing Our Future. Planen. Bauen. Leben. Arbeiten“ heißt die Studie, die erstellt wurde vom Forschungsinstitut Prognos, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sowie vom Leonhard Obermeyer Center der TU München. Auf Basis der Ergebnisse hat der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft Handlungsempfehlungen formuliert und sie in einem Online-Kongress der Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert.

Das Bauen und die Materialien müssen nachhaltiger werden

Das Gremium mit Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik wurde 2014 gegründet und beschäftigt sich seither mit weichenstellenden Zukunftsthemen und analysiert die großen technologischen Trends, die Bayern und Deutschland in den nächsten Jahren prägen. Wolfram Hatz, Präsident der vbw sowie Vorsitzender des Zukunftsrats, betont die Wichtigkeit des diesjährigen Schwerpunkts: „Die erste und wahrscheinlich größte Herausforderung, vor der wir beim Bauen stehen, ist der Klimawandel.“ Allein 40 Prozent der Treibhausgasemissionen gehen auf den Bau und Betrieb von Gebäuden zurück. Nachhaltigkeit beim Neubau, aber auch die Sanierung bestehender Immobilien sei daher eine klare Aufgabe.

„Wir müssen die Gebäude von heute an die Klima-Anforderungen von morgen und übermorgen anpassen“, sagt Wolfram Hatz, Vorsitzender des Zukunftsrats und Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.

Auch andere Faktoren beeinflussen die Art und Weise, wie wir in Zukunft leben werden. Etwa der demografische Wandel: Eine alternde Gesellschaft benötigt mehr barrierefreie Wohnungen. Ressourcen als Baumaterial werden knapp. Alternativen sind nötig, ebenso eine effiziente Kreislaufwirtschaft. Die Digitalisierung eröffnet neue Verfahren und technologische Möglichkeiten.

Wer aufgrund der veränderten Arbeitswelt künftig mehr im Homeoffice arbeitet, nimmt vielleicht längere Fahrtstrecken zum Häuschen auf dem Land in Kauf. „Darauf müssen wir reagieren, etwa mit einem zuverlässigen Nahverkehr und einer besseren Versorgungsinfrastruktur“, betont Hatz.

Verändertes Bauen und Wohnen ist für die Bau-Industrie eine Chance. Der Bausektor ist mit 66.000 Betrieben und einem Jahresumsatz von 40 Milliarden Euro von zentraler Bedeutung für die bayerische Wirtschaft. Werden hier innovative Lösungen umgesetzt, kann das Signalwirkung nach außen haben.

Wissenschaft und Wirtschaft stärker vernetzen

„Computer, KI und maschinelles Lernen machen Neues möglich“, sagt Professor Thomas F. Hofmann, Zukunftsratsvorsitzender und Präsident der TU München.

Professor Thomas F. Hofmann, Co-Vorsitzender des Zukunftsrats und Präsident der TU München, sieht dafür in der stärkeren Vernetzung von Bauwirtschaft und Hochschulen großes Potenzial: „Wir müssen begrenzte Denksilos aufbrechen, Wissen, Werkzeuge und Arbeitsweise verschiedener Disziplinen zusammenführen und in partnerschaftlichen Ökosystemen von Universitäten, Wirtschaftsunternehmen, Technologiefirmen und Start-ups Innovationen effektiver in den Markt bringen.“ Forschung und Lehre seien aufgerufen, Grundlagen sowohl für das Zusammenleben der Menschen als auch für den Klimaschutz zu schaffen.

Welche Empfehlungen der Zukunftsrat für das Wohnen, Planen und Bauen der Zukunft gibt

Der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft ist fest überzeugt, dass wir einen generellen Systemwechsel beim Thema Planen und Bauen brauchen. Es reiche nicht, Einzelmaßnahmen umzusetzen, sondern die Gesellschaft als Ganzes muss sich klar werden, wie sie gemeinsam auch die „Wohnzukunft“ gestalten möchte. Die zehn wichtigsten Punkte hat er als Handlungsempfehlungen formuliert:

  1. Bauwerke digital abbilden, um den gesamten Lebenszyklus zu überwachen und Verbesserungspotenzial aufzudecken.
  2. Datenquellen erschließen und verknüpfen, etwa zum Gebäudebestand. Damit lassen sich zum Beispiel Sanierungen noch strategischer durchführen. Aber auch digitale Baugenehmigungen müssen möglich sein.
  3. Technologische Lösungen nutzen, um Emissionen beim Bau und Betrieb von Gebäuden zu vermindern, aber auch, um Standardisierung voranzutreiben. So lassen sich etwa mit Serienfertigung oder Vorfertigung von Modulen Bauvorhaben schneller und kostengünstiger umsetzen.
  4. Die jetzige Struktur der Bauwirtschaft transformieren, etwa, indem sich die oft kleinen, spezialisierten Handwerksfirmen besser mit anderen Gewerken vernetzen. Das senkt die Kosten und hebt die Qualität. Fachkräfte müssen dafür entsprechend weitergebildet werden.
  5. Innovationen schnell in die Breite tragen und für den Weltmarkt entwickeln. Das lässt sich etwa mit der Förderung von Kooperationen erreichen.
  6. Regulierungen für Bauvorhaben möglichst einfach und unbürokratisch halten. Sie müssen als „Enabler“ verstanden werden, die schnell Neuerungen aufgreifen und flexible Reaktionen sowie Ermessensspielräume zulassen.
  7. Nachhaltig und flexibel planen, um Bauten schnell an neue Nutzungen anzupassen.
  8. Staatliche Bauwerke als Leuchtturm- und Demonstrationsprojekte nutzen, die neue innovative Möglichkeiten aufzeigen – auch auf kommunaler Ebene.
  9. Bezahlbaren Wohnraum sowie Immobilienerwerb fördern, etwa durch steuerliche Anreize und transparente Kosten-Nutzen-Analysen von Sanierungen.
  10. Das Miteinander fördern und ein gemeinsames gesellschaftliches Verständnis dafür schaffen, welche Schritte für die Zukunft nötig sind und wie das in der Gesellschaft finanziert werden kann.
Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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