Die Zeitenwende erreicht auch die Rüstungsindustrie. Über ihre Situation sprach aktiv mit Matthias Wachter, Abteilungsleiter beim Bundesverband der Deutschen Industrie und dort zuständig für den Bereich Sicherheitspolitik.

Herr Wachter, Rüstungsfirmen berichten davon, dass sich ihr Image verbessert hat. Lässt sich das für die Branche verallgemeinern?

Ja. Die Sichtweise auf die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hat sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sehr stark verändert. Vor 2022 war die Branche ein totales Schmuddelkind. Nun wird sie viel positiver gesehen – das gilt sowohl für die Öffentlichkeit als auch im politischen Raum.

Die Unternehmen erleben also auch eine echte Zeitenwende.

Es gibt nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen politischer Rhetorik und tatsächlichem Tun in Form von Aufträgen für die eigene Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Ein großer Teil der Mittel aus dem Sondervermögen wurde für Beschaffungen im außereuropäischen Ausland genutzt.

Bei den heimischen Herstellern kommt zu wenig an?

In ganz vielen Bereichen der Rüstungsindustrie ist es so, dass nur kleine und kleinste Mengen beschafft werden – oftmals nur, um Systeme zu ersetzen, die man aus Bundeswehrbeständen an die Ukraine abgegeben hat. Das heißt, es findet bisher kein großer Aufwuchs an industriellen Kapazitäten statt, wie man ihn eigentlich für eine Zeitenwende bräuchte.

Das Problem sind also die bislang fehlenden Aufträge?

Aufträge sind für die Firmen der Schlüssel, um ihre Kapazitäten auszubauen. Um mit der Produktion zu starten, braucht es bei Kriegswaffen eine sogenannte Herstellgenehmigung – und einen spezifischen Auftrag mit einer klar definierten Summe an Systemen.

Viele Streitkräfte in Europa lassen immer noch eigene Waffensysteme bauen, oft in kleinen Stückzahlen. Klingt wenig sinnvoll und teuer.

Deshalb wäre es für Europa wichtig, die Anzahl an Typen und Systemen zu reduzieren – um industriell größere Skaleneffekte zu erzielen und die Interoperabilität zu stärken.

Was muss sich darüber hinaus noch ändern?

Die Beschaffungsprozesse sind zu bürokratisch. Und die Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Industrie, vor allem mit jungen innovativen Unternehmen, ist absolut ausbaufähig – ein vorteilhafter Austausch findet zu wenig statt. So fehlt der Überblick, was es vielleicht jenseits von etablierten Partnern noch an Systemen und Fähigkeiten gibt, die man in der Truppe nutzen könnte. Ich denke da zum Beispiel an das Thema Drohnen.

Sind da Kooperationen mit Hochschulen hilfreich?

Selbstverständlich. Aber viele Hochschulen in Deutschland haben noch immer Zivilklauseln. Das heißt, sie lehnen jegliche Zusammenarbeit mit der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie ab. Solche Klauseln sind ein Relikt der Vergangenheit.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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