Wie transportiert man Emotionen? Daniel und Andreas Sennheiser lassen Bilder sprechen und zeigen zu Beginn des aktiv-Gesprächs eine kurze Filmsequenz: Armhaare steigen auf und ab – das berühmte Gänsehaut-Gefühl! „Uns geht es nicht allein um Umsatz und Gewinnmaximierung, sondern um das Gefühl für einen guten Sound“, sagt Daniel Sennheiser. Im Interview erklären die beiden CEOs des berühmten Mikrofon-Herstellers was sie antreibt und warum Sennheiser seit vielen Jahren zu den Top-Arbeitgebermarken zählt.
Wie fühlt es sich an, in der „Tagesschau“ zu sehen, dass Politiker in aller Welt Botschaften in Sennheiser-Mikrofone sprechen?
Andreas Sennheiser: Natürlich sind wir total stolz. Aber nicht nur, wenn wir die „Tagesschau“ sehen. Auch wenn zum Beispiel Madonna in Rio de Janeiro vor 1,2 Millionen Menschen unserem Mikrofon vertraut. Es ist eine Bestätigung, dass wir alle gemeinsam im Unternehmen einen guten Job machen.
Gute Technik ist das eine. Am Ende müssen Sie aber auch Umsatz und Erträge erwirtschaften. Schließlich tragen Sie Verantwortung für über 2.000 Beschäftigte.
Andreas Sennheiser: Das stimmt, und wir sind mit dem Ergebnis für das letzte Geschäftsjahr mehr als zufrieden. Wir sind insgesamt das dritte Jahr in Folge gewachsen und haben unsere starke Position im globalen Audiomarkt weiter ausgebaut – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Unsere Produkte werden in über 100 Ländern vertrieben.
„KI spielt eine sehr große Rolle bei uns.“
Daniel Sennheiser, Geschäftsführer
Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Andreas Sennheiser: Es war richtig und wichtig, dass wir unsere Strategie auf den professionellen Audio-Markt fokussiert haben. Wir möchten, dass unsere Kunden einen exzellenten Job machen können. Dafür bieten wir die erforderliche Technik und bilden sie dafür aus.
Als Familienunternehmen ist die Wedemark vor den Toren Hannovers seit Generationen der Sitz Ihres Unternehmens. Wie wichtig ist Ihnen dieser Standort?
Daniel Sennheiser: Extrem wichtig. Hier hat unser Großvater vor rund 80 Jahren das Unternehmen gegründet. Wir sind zwar ein globales Unternehmen, das überall auf der Welt zu Hause ist, doch hier in der Wedemark schlägt nach wie vor das Herz der Sennheiser-Gruppe. Das wissen und spüren unsere Mitarbeitenden. Sie identifizieren sich mit Sennheiser – das wirkt wie ein Klebstoff, der Mitarbeiter langfristig bindet. In Deutschland arbeiten über 60 Prozent unserer über 2.100 Mitarbeiter. Wir glauben fest an diesen Standort.
Das sagen viele Unternehmen …
Andreas Sennheiser: … wir können das aber auch deutlich belegen. Unser Ziel ist es, die Zukunft der Audio-Industrie zu gestalten. Und wenn man das will, dann muss man auch in die Zukunft investieren. Das tun wir: Allein 2023 haben wir insgesamt 62 Millionen Euro investiert, am Hauptsitz in der Wedemark ist eine besonders moderne Fertigung entstanden. Wir sind hier spezialisiert auf Technologien für hochpräzise, automatisierte Prozesse für High-End-Produkte.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) in Ihrem Unternehmen?
Daniel Sennheiser: KI spielt eine sehr große Rolle. In den Produkten, in der Verwaltung, in Forschung und Entwicklung – eigentlich überall. Die KI ist ein Werkzeug, das Prozesse beschleunigt und hilft sie zu optimieren.
Viele Menschen fühlen sich durch die vielen Veränderungen unserer Zeit eher verunsichert. Wie gehen Sie als Familienunternehmen mit den Herausforderungen um?
Daniel Sennheiser: Es stimmt: Wir leben in volatilen Zeiten. Und gerade junge Menschen machen sich Sorgen. Angriffskrieg in der Ukraine, Klimawandel, soziale Medien – es gibt viele Einflussfaktoren, die Ängste erzeugen. Unsere Aufgabe als Familienunternehmer ist es, Leitplanken und Orientierung zu geben.
Das Unternehmen
Das Familienunternehmen Sennheiser wird in dritter Generation von Dr. Andreas Sennheiser und Daniel Sennheiser geführt. Hauptsitz ist die Wedemark bei Hannover.
- Gegründet 1945, ist Sennheiser heute einer der führenden Hersteller im Bereich professionelle Audiotechnik. Neben Mikrofonen und Kopfhörern produziert das Unternehmen auch Audiolösungen für Konferenzräume und Hörsäle.
- Der Umsatz lag 2023 bei 527 Millionen. Weltweit beschäftigt die Sennheiser-Gruppe rund 2.180 Mitarbeiter.
Spüren Sie, dass auch Corona Spuren hinterlassen hat?
Andreas Sennheiser: Auf jeden Fall, das merkt man sehr deutlich. Statt in der Schule mit Freunden zu lernen, hat Corona junge Menschen zu Hause isoliert. Die Auswirkungen davon zeigen sich bis heute. Gleichzeitig hat Corona auch die Art und Weise verändert, wie wir heute arbeiten. Das hat nicht nur Einfluss auf unsere Arbeitsweise, sondern auch auf unsere Produkte.
Wie beurteilen Sie die politischen Rahmenbedingungen?
Andreas Sennheiser: Wir brauchen hier in Deutschland Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Andere Länder gehen ihren Weg sehr fokussiert. Wenn unsere Politik nicht endlich wach wird, laufen wir hinterher.
Zum Schluss noch mal was Positives: Sennheiser gehört seit Jahren zu den Top-Arbeitgebern in Deutschland. Wie schaffen Sie das?
Daniel Sennheiser: Schon unser Vater und Großvater haben hierfür das Fundament gelegt. Glaubwürdigkeit und Vertrauen spielen dabei eine große Rolle. Mein Bruder und ich versuchen, das fortzusetzen und vorzuleben. Auch Transparenz ist sehr wichtig: Deshalb informieren wir immer früh und offen, wenn es um gravierende Änderungen geht. Regelmäßig sprechen wir darüber, wie es gerade läuft, welche großen Projekte es gibt und was in Zukunft ansteht. Und natürlich auch über wichtige Themen wie Kinderkrippe, Homeoffice oder Kantine. Immer mittwochs gibt es bei uns Currywurst: Dann sind die wenigsten im Homeoffice.
Die Sennheiser-Brüder
Daniel Sennheiser, geboren 1973 in Zürich.
- Nach seinem Produktdesign-Studium gründete er 1996 die Agentur Digani.
- Von 1999 bis 2002 arbeitete Sennheiser in verschiedenen Kommunikationsagenturen, 2003 wechselte er zum Konsumgüter-Hersteller Procter & Gamble.
- 2008 stieg Daniel Sennheiser ins Familienunternehmen ein, seit 2013 ist er zusammen mit seinem Bruder CEO.
Dr. Andreas Sennheiser, geboren 1974 in Zürich.
- Studium der Betriebs- und Produktionswissenschaften, 2004 Promotion zu einem Thema aus dem Supply Chain Management.
- Von 2004 bis 2010 arbeitete Sennheiser bei der Hilti AG.
- 2010 wechselte er ins Familienunternehmen, seit 2013 ist er CEO.
Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.
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