Köln. Wohnen, das ist wohl im Leben fast eines jeden von uns mit das Wichtigste. Und Corona hat das Thema noch mehr in den Mittelpunkt gerückt. Wie viel Balkon oder Garten haben wir? Wie ist der Wohlfühlfaktor? Und die Anbindung? Doch eine Frage relativiert das alles: Was können wir uns überhaupt leisten? Seit Jahren gehen die Wohnungskaufpreise in den Ballungsräumen nach oben und bei Neuvermietungen auch die Mieten. aktiv fragte Professor Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln: Was läuft in der Wohnungspolitik eigentlich schief?
„Die Wohnraumoffensive der Bundesregierung hat nicht richtig gezündet“, sagt der Wissenschaftler, „man hat nicht an den richtigen Stellschrauben gedreht.“ Im letzten Jahr sind zwar 306.000 neue Wohnungen fertiggestellt worden, ein neuer Rekord – aber es werden noch viel mehr gebraucht. 350.000 bis 400.000 waren eigentlich das erklärte Ziel der Politik.
„Strukturschwache Regionen müssen attraktiver werden“
Das A und O sei die Mobilisierung von mehr Bauland, so der Professor. Aber: „Ein großes Problem ist, dass viele Städte und Kommunen hoch verschuldet sind und sich die Folgekosten neuer Wohngebiete nicht leisten können - sprich, die Infrastruktur“, erklärt der Ökonom. „Sie brauchen mehr Hilfe, zum Beispiel in Form eines Städtebau-Fonds.“
Außerdem müsse auch mehr unternommen werden, um bebaubare Areale überhaupt ausfindig zu machen, da müsse man verstärkt auch bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen in Betracht ziehen.
Der Immobilienmarkt-Experte betont aber auch: Man muss das Problem noch viel tiefer an der Wurzel packen – und auch dafür sorgen, dass es gar nicht erst so viele Menschen in die Ballungsräume zieht! „Wir müssen strukturschwache Regionen viel attraktiver machen, zum Beispiel durch Ansiedlung von Hochschulen und einen schnelleren Breitbandausbau.“ Schließlich sei das Wohnen ja nicht überall in Deutschland teurer geworden.
Wohneigentum ist im vergangenen Jahr im Schnitt um fast 10 Prozent teurer geworden
Im bundesweiten Durchschnitt ist Wohneigentum im vergangenen Jahr inflationsbereinigt um fast 10 Prozent teurer geworden (gegenüber 2019), das zeigt der „Wohnatlas“ der Postbank. Die Situation ist aber je nach Region tatsächlich sehr unterschiedlich. In Ostdeutschland etwa gibt es viele Gegenden, wo es sich im Vergleich zu den Löhnen relativ günstig wohnen lässt. Deutschlands teuerstes Pflaster ist München, hier ist der Preis für Eigentumswohnungen im vergangenen Jahr um 6 Prozent gestiegen. Damit sind Eigentumswohnungen in der bayerischen Hauptstadt achtmal so teuer wie in Dessau (Sachsen-Anhalt), der deutschlandweit günstigsten kreisfreien Stadt.
So können wir von anderen Ländern lernen
Auch die Mieten steigen weiter. Laut der Marktbeobachtung des Wohnungsportals Immoscout24 waren Neubau-Wohnungen im vergangenen Jahr durchschnittlich um mehr als 5 Prozent teurer als noch im Jahr 2019. Eine ähnliche Kostensteigerung erwartet Immoscout24 auch für die nächsten zwölf Monate.
Lieber doch Wohneigentum finanzieren? Das ist für viele angesichts der aktuellen Preisentwicklung derzeit einfach nicht drin – auch wenn die Zinsen niedrig sind: Es fehlt vielen an ausreichendem Eigenkapital. Doch auch hier gebe es für die Politik Möglichkeiten, gerade sozial schwächere Menschen zu unterstützen, betont Voigtländer: „Da können wir von anderen Ländern lernen, die teilweise interessante Wege gehen.“ Wie sehen die aus?
In den Niederlanden gibt es eine staatlich organisierte Immobilienkreditversicherung
In den Niederlanden etwa gibt es eine staatlich organisierte Immobilienkreditversicherung: Die zahlt die Raten drei Jahre lang weiter, wenn beispielsweise ein Ehepartner arbeitslos oder berufsunfähig wird. Andere Länder, etwa in Skandinavien, haben zudem deutlich niedrigere Grunderwerbsteuersätze als Deutschland.
„Als Vorbild könnte das Modell Großbritanniens dienen, hier gibt es bei der Grunderwerbssteuer einen Freibetrag und einen Stufentarif“, schlägt Voigtländer vor. „So werden Haushalte, die kleine und günstige Wohnungen kaufen, entlastet, während andere, die große Wohnungen in den guten Lagen kaufen, stärker belastet werden.“
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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