Hannover. Eine Branche im Umbruch: Digitalisierung, autonomes Fahren und Elektromobilität. Die Megatrends zwingen die niedersächsischen Autozulieferer zu massiven Veränderungen. Viele Firmen müssen sich komplett neu erfinden. Hinzu kommen die Corona-Krise und die Lieferengpässe. Zehntausende Arbeitsplätze könnten dieser Entwicklung allein in Niedersachsen zum Opfer fallen. Um den Wandel zu bestehen, müssen die Zulieferer erheblich investieren.

Der Arbeitgeberverband Niedersachsen beteiligt sich deshalb jetzt am Hilfsfonds „NTransformation Kfz-Zulieferer“ von niedersächsischem Wirtschaftsministerium und Förderbank NBank. 10 Millionen Euro legt der Arbeitgeberverband auf die 30 Millionen Euro drauf, die das Land bereits im März bewilligt hat.

Zusätzliche Investitionen in Höhe von 250 Millionen Euro erwartet

Dieses bundesweit einmalige Fondsmodell aus privatem und staatlichem Kapital unterstützt die Unternehmen beim Umstieg von der Verbrennertechnologie auf alternative Fahrzeugantriebe. Außerdem sollen neue Geschäftsmodelle der Autozulieferer, wie etwa autonomes Fahren und digitale Services, entwickelt werden.

„Das alles erfordert hohe Investitionen“, sagt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall. „Mit Beteiligungen stärken wir die Eigenkapitalquote der Zulieferer. So können sie ihren Kreditrahmen bei den Banken erhöhen.“ Durch diese Hebelwirkung würden erhebliche Investitionsmittel für die Bewältigung der Transformation ermöglicht. „Wir rechnen mit zusätzlichen Investitionen in Höhe von 250 Millionen Euro“, so Schmidt. Hinzu komme: „Die Wirtschaft sitzt mit im Boot und bringt ihre Expertise mit ein.“

Deutsche Autoproduktion hat sich seit 2015 halbiert

Der Hintergrund: 2015 produzierte die Branche hierzulande noch 5,71 Millionen Autos, für dieses Jahr rechnet der Herstellerverband VDA nur noch mit knapp 2,8 Millionen Fahrzeugen. Schmidt: „Das ist eine Halbierung des Marktvolumens und stellt viele Zulieferer vor ein existenzielles Problem.“

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann hält den Fonds deshalb für besonders wichtig. In Niedersachsen sind 350.000 Menschen in der Automobil-Industrie beschäftigt, davon allein 240.000 bei den Zulieferern. In Wolfsburg hingen 48 Prozent der Arbeitsplätze am Auto, in Emden 27 Prozent, in Salzgitter 23 Prozent. Ob diese Standorte auch zukünftig wettbewerbsfähig sind, entscheidet vor allem die Innovationsfähigkeit.

Kapitalbeteiligung nur für Betriebe mit positiven Zukunftsaussichten

Der Wirtschaftsminister mahnt: „Die chinesischen Hersteller von Elektroautos sind mindestens auf Augenhöhe und werden Fahrzeuge auf den Markt bringen, die unterhalb des in Europa üblichen Preisniveaus liegen.“ Die deutsche Auto-Industrie müsse daher bei alternativen Antrieben, neuen Fahrzeugbauteilen und digitalen Services durch bessere Angebote überzeugen. Das Problem dabei: „Transformation bedeutet den Aufbau neuer Geschäftsfelder, die anfangs wenig oder gar keine Rendite abwerfen.“

Autozulieferer mit Sitz in Niedersachsen können eine Kapitalbeteiligung von 0,5 bis 5 Millionen Euro beantragen, so Althusmann. „Wir verteilen das Geld nicht mit der Bazooka, sondern werden Unternehmen sehr gezielt helfen.“ Zielgruppe seien kleine, mittlere und große Firmen. Voraussetzung: Die Betriebe haben positive Zukunftsaussichten.

Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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