Frankfurt. „Durchstarten zu neuer Wettbewerbsstärke“: Das war ein zentraler Punkt beim jüngsten Hessenforum der Metall- und Elektro-Industrie. aktiv war dabei und hat im Vorfeld mit Stefan Wolf über das Thema gesprochen. Der ehrenamtliche Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall ist Vorstandsvorsitzender des Automobilzulieferers ElringKlinger, der weltweit knapp 10.000 Mitarbeiter hat.

Herr Dr. Wolf, was haben wir aus der Pandemiekrise gelernt?

Auf den Punkt gebracht: Viele Dinge gehen tatsächlich digital – und das macht vieles einfacher, spart sogar Kosten. Die Wirtschaft hat sich blitzschnell auf die neuen Herausforderungen eingestellt. Bei ElringKlinger haben wir sehr schnell nach Pandemiebeginn überall dort auf Präsenzarbeit verzichtet, wo immer dies möglich war. Ich bin sicher: Das mobile Arbeiten wird bleiben, denn Mitarbeiter wie Führungskräfte haben erkannt, dass es funktioniert. Auch in Zukunft werden wir mehr über Webkonferenzen arbeiten und auf viele Dienstreisen verzichten können. 

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Wohl jeder hat erlebt, welche Vorteile die Digitalisierung bringen kann. Aber es gibt da auch manche Ängste …

Wenn wir die letzten zehn Jahre nicht so stark in die Digitalisierung investiert hätten, wären wir schon gar nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Automatisierung der Produktion kann im Kontext von Industrie 4.0 erhebliche Effizienzsteigerungen der operativen Prozesse bewirken. Automatisierung bedeutet dabei ja nicht in erster Linie den Ersatz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern vielmehr eine Unterstützung des Menschen durch Maschinen und Systeme. Neben der Mensch-Maschine-Interaktion werden das Vernetzen und Steuern von Anlagen über das Internet bei uns mehr und mehr eine Rolle spielen. Zudem kommunizieren Maschinen an unterschiedlichen Standorten miteinander. Bei ElringKlinger haben wir zum Beispiel drei baugleiche Pressen vernetzt: Eine Maschine leitet quasi die anderen beiden an, damit die auch effizienter produzieren.

Neben Corona macht vielen vor allem der Klimawandel Sorgen. Wie kann Deutschland ein klimafreundliches Industrieland werden?

Eine klimafreundliche Industrie haben wir doch schon. Der Ausstoß an klimaschädlichem CO2 im Verhältnis zum Umsatz ist schon deutlich zurückgegangen. Ressourceneffizienz ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Aspekt unserer Wettbewerbsfähigkeit! 

„Die ganze Welt braucht neue, ressourcenschonende Technologien. Und wir, unsere Industrie, können sie liefern“

Und da kann ich nur an Teile der Politik meinen eindringlichen Appell richten: Wer Vorgaben in die Welt setzt, die technologisch nicht erfüllbar sind, der verbietet Technik und verhindert Innovationen, die den Klimaschutz voranbringen. Dass wir Dinge ändern müssen, ist doch gar keine Frage. Aber wir müssen den Wandel technologieoffen gestalten, wenn er gelingen soll. 

Könnte Klimaschutz-Technik Exporterfolge bringen?

Die ganze Welt braucht neue, ressourcenschonende Technologien. Und wir, unsere Industrie, können sie liefern, in die Welt exportieren – und damit viel mehr bewirken als durch nationale Verbote, die nur unsere eigene Wettbewerbsfähigkeit beschädigen. Wenn wir wirklich etwas bewegen wollen, dann müssen wir schleunigst den CO2-Ausstoß in Ländern wie China, USA oder auch Indien verringern helfen. Wenn es zum Beispiel gelingt, in Indien jedes zweite Auto mit einer Brennstoffzelle auszurüsten, haben wir doch viel mehr gekonnt, als wenn wir hier immer weiter an kleinen Schrauben drehen.

Das Zukunftsthema Wasserstoff macht derzeit ja ziemlich Furore. Wo stehen wir da? 

Gerade für den Nutzfahrzeugbereich könnte Wasserstoff von zentraler Bedeutung sein, weil mit großen Wasserstofftanks Reichweiten von 800 bis 1.000 Kilometern möglich werden, vielleicht sogar noch mehr. Wir können Deutschland in eine absolute Führungsposition in den Bereichen Wasserstoff und Brennstoffzelle bringen – und zwar über die Mobilität hinaus: Um Wasserstoff erzeugen zu können, benötigt man entsprechende Technologien. 

„Wir können Deutschland in eine absolute Führungsposition in den Bereichen Wasserstoff und Brennstoffzelle bringen“

Deutschland ist noch immer die Nummer eins im Maschinen- und Anlagenbau. Wenn wir hier konsequent dranbleiben, ergeben sich völlig neue Perspektiven für unsere Industrie. Wenn wir aber durch alle möglichen Regelungen und Zwänge Arbeitsplätze vernichten und unser Land kaputtmachen, bringt das dem weltweiten Klimaschutz gar nichts.

Zu einem anderen wichtigen Thema: Wie steht es um die Zukunft unseres Sozialstaats – wie kann er langfristig noch bezahlbar bleiben?

Bei uns hat die Politik zu wenige Unternehmer im Parlament – und hört viel zu wenig auf unternehmerische Expertise. Sie hat sich viel zu lange darauf konzentriert, wie sie den Kuchen verteilt, ohne daran zu denken, wie er hergestellt wird. Das kann auf Dauer nicht gut gehen! Viele scheinen vergessen zu haben, dass all das, was wir uns an sozialen Wohltaten in den vergangenen Jahren geleistet haben, vorher auch erst mal erarbeitet werden musste. Deshalb hat die langfristige Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent für uns oberste Priorität. Sollte Arbeit in Deutschland noch teurer werden, wird der Standort für die Unternehmen unattraktiver, Investitionen und damit auch Steuereinnahmen gehen zurück. Wir dürfen nicht vergessen: Ohne Industrie kein Wohlstand!

Worum geht es aus Ihrer persönlichen Sicht bei der Bundestagswahl Ende September?

Das System der Sozialen Marktwirtschaft, die die Freiheit des Marktes mit einem sozialen Ausgleich verbindet, hat sich bewährt. Freiheit führt zu Erfolg, sozialistische Systeme, in denen alles vorgeschrieben wird, führen in die Armut, wie die vielen Beispiele in der Geschichte und auch heute noch zeigen. Am 26. September 2021 wird entschieden, ob Deutschland eine Industrienation bleibt mit freiem Unternehmertum, Wachstum, Wohlstand und sicheren Arbeitsplätzen – oder ob wir eine Republik werden mit zu vielen einengenden Vorschriften, Geboten und Regelungen, die letztlich Arbeitsplätze kosten werden.

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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