Stuttgart. Die neue Bundesregierung ist nun seit etwas über einem Monat im Amt. Was in Berlin entschieden wird, ist auch für die Metall- und Elektro-Unternehmen in Baden-Württemberg wichtig. Denn viele Punkte im Koalitionsvertrag betreffen die großen Herausforderungen, vor denen die Branche steht, insbesondere Klimaschutz und digitale Transformation.
So sollen bis 2030 rund 15 Millionen vollelektrische Pkws auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Im Einklang mit der EU wird angestrebt, dass in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden. Außerdem müssen die Betriebe für die Klimaziele ihren CO2-Ausstoß weiterhin drastisch senken. Die Transformation der Wirtschaft will die Koalition mit einem Energie- und Klimafonds unterstützen.
Schon lange überfällig: Die Digitalisierung der Verwaltung
Schon lange auf der staatlichen Agenda steht das Thema Digitalisierung. Dazu zählt schnelles und zuverlässiges Internet, das die Unternehmen dringend brauchen – und zwar flächendeckend. Auch die Modernisierung der Verwaltung würde den Unternehmen das Leben in vieler Hinsicht einfacher machen, sagt Vera Demary, Expertin für Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln: „Zum Beispiel mit schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren, etwa bei der Bewilligung von Produktionsanlagen.“
Anreize für Forschung und Entwicklung stärken
Die Aufgaben der Transformation sind nur mit technischen Innovationen zu bewältigen. Die Ampel plant daher, die Gesamtinvestitionen von Privatwirtschaft und Staat in Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Dazu Demary: „Da leisten die Unternehmen ohnehin schon einen wesentlichen Teil. Der Staat muss deshalb weiter die Bedingungen verbessern und Anreize stärken.“ Damit Forschungsergebnisse auch in Produkte und Geschäftsmodelle umgemünzt werden können, will die Regierung Existenzgründer unterstützen. Demarys Fazit: „Die Ampel hat sich viel vorgenommen, das ist zu begrüßen. Es bleibt aber abzuwarten, ob es ihr gelingt.“
Und was erhoffen sich einzelne Unternehmen im Südwesten konkret von Olaf Scholz und seinem Kabinett? aktiv hat bei vier Firmen nachgefragt.
Mehr Rückenwind für klimafreundliche Technologien
„Das Wort Maschinenbau kommt im 177 Seiten starken Koalitionsvertrag zwar nicht vor, aber das nehmen wir sportlich. Viel wichtiger ist die klare Absicht der Ampel, die Transformation der Wirtschaft mit Blick auf den Klimaschutz voranzutreiben. Der Wandel hin zu klimafreundlichen Produktionsprozessen ist eine große Chance für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau. Wir liefern die Technologien, die die Industrie braucht, um Energieverbrauch und Emissionen bei der Herstellung ihrer Güter zu senken. Hierfür versprechen wir uns von der neuen Regierung mehr Rückenwind. Daher gehen die im Vertrag enthaltenen Bekenntnisse zu mehr Innovation, Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz und Tempo in die richtige Richtung.“
Der Dürr-Konzern zählt zu den weltweit führenden Maschinen- und Anlagenbauern. Seine Technologien kommen vor allem in der Automobilproduktion und der holzbearbeitenden Industrie zum Einsatz.
Start-ups wirksam unterstützen
„In Baden-Württemberg mit seinen zahlreichen Unternehmen im Automobil- und Maschinenbausektor kommt die digitale Transformation besonders zur Wirkung. Start-ups sind hier ein wesentlicher Bestandteil: Sie sind treibende Kräfte im Umgang mit bahnbrechenden Technologien, neuen Geschäftsmodellen sowie agiler Arbeitskultur. Als Geschäftsführer von Pioniergeist, einem Innovations-Dienstleister, der Industrie und Start-ups zusammenbringt, begrüße ich die besondere Bedeutung, die Start-ups im Koalitionsvertrag beigemessen wird – und dass dabei die Themen Finanzierung, öffentliche Auftragsvergabe sowie Entbürokratisierung bei Gründungen aufgegriffen werden. Jedoch muss nun eines der Prinzipien aus der Start-up-Welt zum Tragen kommen: Ideen sind nichts, Umsetzung ist alles. Beim wichtigen Thema Mitarbeiterbeteiligung beispielsweise hat sich Olaf Scholz in der vergangenen Legislatur als großer Verhinderer hervorgetan. Das ist kontraproduktiv, denn Mitarbeiterbeteiligungen sind für Start-ups ein wichtiges Instrument, um Personal zu finden und zu binden. Doch auch hier gilt ein Start-up-Prinzip: die Kultur der zweiten Chance!“
Pioniergeist ist ein Innovations-Dienstleister an der Schnittstelle zwischen Konzernen, Start-ups, Universitäten und Investoren mit dem Ziel, eine neue Gründerzeit zu entfesseln und die etablierte Wirtschaft in der Transformation zu stärken.
Bessere Rahmenbedingungen, schlankere Bürokratie
„Wir haben hohe Erwartungen an die Ampel--Koalition und sind zuversichtlich, dass das Top-Thema Klimawandel und die damit verbundene Transformation der Industrie endlich entschlossen angegangen wird. Dies sollte im Schulterschluss mit Industrieunternehmen wie Voith geschehen, die bereits nachhaltige Technologien und Produkte im Portfolio haben. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, um diese Produkte schneller auf den Markt zu bringen. Die neue Regierung sollte mutig in Zukunftstechnologien investieren, bürokratische Prozesse verschlanken, klare Zuständigkeiten schaffen und internationale Kooperationen wie Energiepartnerschaften fördern.“
Der Technologiekonzern Voith bietet ein breites Portfolio aus Anlagen, Produkten, Services und digitalen Anwendungen für Energie, Papier, Rohstoffe sowie Transport und Automotive.
Vorfahrt für Investitionen
„Als Unternehmen im ländlichen Raum sind wir darauf angewiesen, dass eine leistungsfähige und moderne Infrastruktur auch abseits der großen Metropolen zur Verfügung steht. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätzen und gleichwertigen Lebensverhältnissen. Die notwendige Modernisierung des Landes wird nur gelingen, wenn eine umfassende Investitionsoffensive ausgelöst wird. Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Ampel-Koalition die Modernisierung des Staates zur politischen Top-Priorität bestimmt hat. Von der neuen Bundesregierung erwarte ich, dass das Versprechen, alle notwendigen Schritte für eine Halbierung der Verfahrensdauer, eine Vereinfachung sowie priorisierte Digitalisierung von Planungs-, Genehmigungs- und Verwaltungsverfahren bereits im ersten Jahr der Regierung einzuleiten, wirklich eingelöst wird. Das im Koalitionsvertrag erklärte Ziel eines ‚Jahrzehnts der Zukunftsinvestitionen‘ muss nun schnell mit Leben gefüllt werden.“
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Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.
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