München. Am Feierabend mal eben Funksteckdosen und ferngesteuerte Rollläden vernetzen. Den Gaming-PC von Junior pimpen. Wer Technik fürs intelligente Heim im Griff hat und privat gerne daddelt, hat bestimmt auch im Job ein Händchen für Informationstechnologie. Eine neue Weiterbildung vom Autohersteller Audi folgt genau dieser Idee.
Im Qualifizierungsprogramm „Digital future“ schaut Audi nicht auf Abschlüsse, sondern auf die Interessen seiner Mitarbeitenden und qualifiziert sie entsprechend weiter – für gefragte Zukunftsjobs. Aus einem Karrosseriebauer wird so etwa ein Produktmanager für Softwaresysteme, aus dem Elektroniker für Automatisierung ein SAP-Spezialist. Das Projekt läuft bereits erfolgreich in Neckarsulm, startet Anfang 2022 in ähnlicher Form nun am Standort Ingolstadt.
Zukunftsorientierte Weiterbildung, das muss zackig gehen, besser heute als morgen starten. Mit der Pandemie haben sich Druck und Tempo der Transformation noch erhöht. Corona hat gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung ist. Noch mehr Mitarbeitende müssen daher qualifiziert werden, zielgerichtet und am Bedarf der Firmen orientiert, so die bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände bayme vbm.
Die Betriebe investieren Milliarden in die Weiterbildung
Ein langer Weg, aber man ist losmarschiert. Die Mehrheit der Unternehmen (88 Prozent) engagiert sich in der betrieblichen Weiterbildung, geht aus der jüngsten Erhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hervor. Die Betriebe investierten 2019 bundesweit 41 Milliarden Euro, ein Viertel mehr als drei Jahre zuvor.
Mit betrieblicher Weiterbildung und Qualifizierung tun sich jede Menge Chancen auf. Die sollte jeder wahrnehmen, aus eigenem Interesse. Sein Wissen up to date zu halten, hilft schließlich beim Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit. Angebote gibt es viele, vom Staat gefördert, oft noch wenig bekannt. Sie richten sich an alle, deren Beruf durch (digitale) Technologien ersetzt werden könnte, und an Firmen, die vom Strukturwandel betroffen sind. Also an quasi (fast) alle.
Mit dem Qualifizierungschancengesetz erhalten Betriebe etwa Zuschüsse zu Fortbildungskosten und Arbeitsentgelt, je nach Unternehmensgröße bis zu 100 Prozent. Arbeitnehmer und Betriebe haben also keine Einbußen, gewinnen jedoch an Wissen. Ein typisches Beispiel ist der Kfz-Mechaniker, der künftig auch Elektroautos reparieren soll.
Selbst Ungelernte können einen Berufsabschluss nachholen, bei Bedarf in Stufen. Das schafft neue Fachkräfte, die an vielen Stellen schon knapp sind.
Speziell für Beschäftigte in der Automobil- und Zulieferer-Industrie ist das aus EU-Mitteln geförderte Projekt „Unternehmen im Transformationsprozess“. Es lief 2021 erfolgreich im Freistaat – gesteuert von der Taskforce Fachkräftesicherung+, einem gemeinsamen Projekt der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und dem Bayerischen Wirtschaftsministerium. Für 2022 wird es jetzt neu aufgelegt (mehr Informationen darüber finden Sie auf der Projektseite). Das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft hat die Trainingsreihe mit Firmen entwickelt und umgesetzt. Bilanz: Mehr als 500 Teilnehmende aus rund 30 Betrieben an Schulungen zu Robotik, Sensorik, Assistenzsystemen, autonomem Fahren sowie Führen und Industrie 4.0.
Bedarf bei Digitalisierung und E-Mobilität ist besonders hoch
Bordnetz-Hersteller Kromberg & Schubert in Abensberg zählt dazu. „Unser Produkt bleibt gleich, alle Fahrzeuge brauchen einen Kabelbaum, auch fahrerlose und mit E-Antrieb“, so Georg Weichenrieder, Manager für technisches Know-how und Global HR Training. „Doch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, wird sich verändern.“ Am Ende stehe die voll digitalisierte Fabrik. „Alle brauchen ein gutes Grundverständnis, was hier künftig möglich ist.“ Zwei Dutzend Kolleginnen und Kollegen nahmen an den Schulungen teil und tragen das Wissen nun in den Betrieb. Auch Zulieferer ZF treibt rechnergestützte Fertigung voran, nutzte dazu unter anderem das Transformationsprojekt. „Wir müssen schauen, dass das Wissen unserer Mitarbeiter immer auf dem aktuellen Stand ist“, so Tobias Eschrich, Leiter Personal- und Organisationsentwicklung. Das schließt Fach- und Führungskräfte sowie Azubis ein.
„Die gesamte Automobil-Industrie befindet sich im Wandel, das erfordert ganz neue Kompetenzen“, bekräftigt Audi. „Besonders bei Digitalisierung und E-Mobilität ist die Nachfrage nach Fachkräften enorm“, sagt Thomas Hasenbank, Leiter Recruiting, HR Beratungscenter und Audi Akademie. Man setzt auf Transformation von innen heraus. „Mit gezielter Qualifizierung und individuellen Weiterbildungsangeboten bereiten wir die Mitarbeitenden auf neue Aufgaben vor“, so Hasenbank. Um die Belegschaft in die Berufe von morgen mitzunehmen, hat das Unternehmen bis 2025 eine halbe Milliarde Euro für Weiterbildung bereitgestellt.
Auch BMW investiert in zukunftsfähige Arbeitsplätze. So geschieht etwa der Aufbau in der Fertigung für E-Antriebe fast ausschließlich durch Personalumbau. Im eigenen Anlernzentrum in Dingolfing werden Mitarbeiter zu den neuen Technologien geschult. Dabei geht es immer digitaler zu. So können die Trainings auch in der Pandemie sicher weitergehen.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
Alle Beiträge der Autorin