Berlin/München. Die gute Nachricht: Deutschland ist nicht etwa unfreundlicher geworden, was die Zuwanderung und die Einstellung zu Menschen mit Migrationshintergrund betrifft. Das zeigt das Integrationsbarometer des Sachverständigenrats für Integration und Migration. Per Umfrage misst es alle zwei Jahre die Stimmung in der Bevölkerung zu diesem wichtigen Thema.

„Die deutsche Gesellschaft zeigt sich selbst unter Herausforderungen wie der großen Fluchtbewegung 2015/16, der Pandemie und dem Ukraine-Krieg als krisenresistent“, so die Sachverständigen. Mit 68,5 von 100 möglichen Punkten steht der Index auf dem besten Wert seit Erhebungsbeginn 2015.

Aber: „Dieser gute Wert darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Menschen von Diskriminierung aufgrund ihrer Herkunft berichten“, sagt Professor Hans Vorländer, der Vorsitzende des Gremiums. Nach wie vor gebe es in Deutschland starke Abwehrreflexe gegenüber Migrantinnen und Migranten. „Manche machen damit leider gezielt Politik und schüren unnötige Ängste in der Bevölkerung. Migration ist das Thema mit dem höchsten Spaltungspotenzial für unsere Gesellschaft.“

400.000 Zuwanderer braucht Deutschland jedes Jahr

In einem weiteren Gutachten kamen die Experten zum Schluss: „Fremdenfeindliche Einstellungen sind in unserer Gesellschaft kein Randphänomen, sondern durchaus verbreitet.“ Das gefährde den sozialen Zusammenhalt, führe schlimmstenfalls zu Gewalt.

Zuletzt gab es da wieder deutliche Warnsignale. Bei der „Sonntagsfrage“ überholte die rechtspopulistische und fremdenfeindliche Partei AfD sogar die SPD. Und seit Kurzem stellt die AfD erstmals einen Landrat, im thüringischen Kreis Sonneberg.

Eine bedenkliche Entwicklung. Denn Fremdenhass kann eine zivilisierte Gesellschaft nicht dulden. Und bei uns ist das Gegenteil nötig: echte Willkommenskultur – damit qualifizierte Zuwanderer aus aller Welt gerne kommen.

Denn Deutschland braucht diese Menschen. So dringend wie noch nie. Der Fachkräftemangel ist groß und wird mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Jahrgänge dramatisch. Um das auszugleichen, ist langfristig eine Nettozuwanderung von 400.000 Menschen pro Jahr nötig (was etwa der Einwohnerzahl der Stadt Bochum entspricht). Das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung errechnet.

Da aber jedes Jahr auch zahlreiche Menschen Deutschland verlassen, müssen sogar noch mehr Zuwanderer kommen: rund 1,5 Millionen pro Jahr! Auf dem Weg dahin hat die Politik jetzt einen wichtigen Schritt getan, mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

„Unternehmen, die diverser sind, wachsen schneller“

Doch auch die Gesellschaft muss mitziehen. „Wir müssen offener werden“, sagt Migrationsforscher Vorländer. Er sieht den Arbeitsmarkt als Integrationsmotor: Vorurteile baue man am besten durch Begegnungen ab, im Alltag oder eben im Job, im täglichen Kontakt am Arbeitsplatz.

Übrigens: Eine buntere Belegschaft trägt zu größerem Erfolg bei, so die Unternehmensberatung Boston Consulting in einer neuen Studie. „Unternehmen, die diverser sind, wachsen schneller und sind innovativer“, betont Autor Johann Harnoss. „Und dass Zuwanderung zu Lohndumping führt, ist aus ökonomischer Sicht nicht haltbar. Es gibt langfristig sogar Lohnzuwächse – weil sich die Wirtschaft besser entwickelt.“

Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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