Berlin. Seit Frühjahr 2020 galt in Deutschland erstmals ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz für Menschen aus Staaten außerhalb der EU. Von diesem damals grundlegenden Wandel in der Zuwanderungspolitik hat man aber kaum etwas gemerkt – denn im Frühjahr 2020 kam auch die Coronapandemie. Nun ist das Gesetz verbessert worden: Die kürzlich verabschiedete Reform öffnet die Türen unseres Arbeitsmarkts deutlich weiter als alle bisherigen Regeln.

Deutschland habe damit „das modernste Einwanderungsgesetz der Welt“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in der abschließenden Bundestagsdebatte. Künftig sei kein kompliziertes Verfahren mehr nötig, um vorab die Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses zu erreichen. Und: „Wir etablieren endlich ein Punktesystem, um Menschen aus aller Welt Chancen zu bieten und damit gleichzuziehen mit Einwanderungsländern, in denen es funktioniert: mit den USA, mit Australien, mit Kanada“, so Faeser.

Der Fachkräftemangel ist längst da – und wird absehbar noch schlimmer

Hintergrund: Ende 2022 gab es hierzulande schon fast zwei Millionen offene Stellen – so viele wie noch nie. Der akute Fachkräftemangel bremst nicht nur in der Industrie das Wachstum, er wirkt sich zum Beispiel auch in der Pflege und im Handwerk enorm negativ aus sowie nicht zuletzt auch in der öffentlichen Verwaltung. Und das wird absehbar noch schlimmer, wenn bald die enorm geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen.

„Wir brauchen allein 400 000 Menschen jährlich, die aus dem Ausland in unser Land kommen“, betonte die Innenministerin im Bundestag. Wobei da einerseits die ohnehin erlaubte Einwanderung aus den EU-Staaten mitgerechnet ist, andererseits aber die laufenden Fortzüge von Ausländern noch gegengerechnet werden müssen.

Daher gilt es laut Gesetzentwurf, „die Zahlen für die Erwerbseinwanderung deutlich zu steigern“ und „den Bedarfen des Wirtschaftsstandorts Deutschland entsprechend ein Signal des Willkommens an Fachkräfte zu senden“. Damit werde „ein Beitrag zu einem nachhaltigen gesellschaftlichen Wohlstand und zur Sicherung der Sozialsysteme“ geleistet.

Das verbesserte Fachkräfteeinwanderungsgesetz erleichtert die Zuwanderung von Menschen mit Berufsabschluss deutlich

Neu ist unter anderem, dass Qualifikationen aus Staaten jenseits der EU bei uns nicht mehr vorab geprüft werden müssen. „Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im Ausland erworbenen und dort staatlich anerkannten Berufsabschluss hat, kann künftig als Fachkraft kommen“, teilt die Regierung mit. „Das bedeutet weniger Bürokratie und damit kürzere Verfahren.“

Allerdings gilt dabei eine Gehaltsschwelle. Wird diese nicht erreicht, ist die deutsche Anerkennung des fremdländischen Berufsabschlusses auch weiterhin nötig. Betriebe dürfen dann aber eine „Anerkennungspartnerschaft“ übernehmen: Die Fachkraft aus der Ferne darf schon hier arbeiten, auch wenn die formale Anerkennung anfangs noch nicht vorliegt.

Das reformierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz bringt auch die Chancenkarte: Ein Punktesystem berücksichtigt etwa Alter und Sprachkenntnisse

Zusätzlich kommt die „Chancenkarte“ mit einem für Deutschland neuen Punktesystem: Alter, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung und andere Kriterien von potenziellen Einwanderern werden bewertet. Wer genug Punkte bekommt und damit eine Chancenkarte erhält, darf sich für ein Jahr bei uns auf Jobsuche begeben (und nebenbei bis zu 20 Wochenstunden arbeiten).

Auch die „Blaue Karte EU“ als Basis für die Zuwanderung etwa von IT-Fachkräften ist bei uns nun großzügiger ausgestaltet: Unter anderem werden Gehaltsschwellen abgesenkt und der Nachzug von Angehörigen erleichtert.

Wirken sich diese und weitere eher technische Änderungen auf die Dauer tatsächlich so gut aus wie erhofft, dann „kann die qualifizierte Einwanderung prognostisch jährlich insgesamt um 75.000 Personen steigen“ – so jedenfalls das Ziel der Regierung im Gesetzentwurf.

Übrigens: Das amtliche Portal „Make it in Germany“ (make-it-in-germany.com) stellt potenziellen Zuwanderen jede Menge Informationen gut aufbereitet zur Verfügung – natürlich in mehreren Sprachen. Diesen Service der Bundesregierung gibt es schon seit 2012, in den ersten zehn Jahren haben mehr als 50 Millionen Menschen aus aller Welt die Info-Seiten besucht.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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