Wuppertal. „Stoff A plus Stoff B ergibt Stoff C“: Was dabei mit den Atomen und Molekülen passiert, wollte Amjad Buz Al-jeadi schon als Kind wissen. Heute ist der 26-Jährige Chemikant und arbeitet bei Bayer an einer Kesselanlage. Hier in Wuppertal entstehen Wirkstoffe für Medikamente gegen Krebs, Infektions- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Während die Rohstoffe durch Schläuche in den Kessel eingesaugt werden, erklärt Buz Al-jeadi aktiv das geschlossene System: „Es können weder Substanzen aus der Umgebung in das Produkt eindringen noch die Mitarbeiter damit in Berührung kommen.“ Er überwacht die Produktionsparameter am Monitor, entnimmt Proben für die Qualitätskontrolle und dokumentiert jeden Arbeitsschritt: „Das ist bei der Herstellung von Medikamenten Pflicht!“

Das Programm „Starthilfe“ brachte ihn auf die richtige Spur

Anfang des Jahres hat Buz Al-jeadi seine Ausbildung abgeschlossen – und damit sein erstes selbst gestecktes Ziel erreicht. Auf seinem Arm ist „C₁0H₁₂N₂O“ tätowiert: „Die Formel für das Glückshormon Serotonin.“

2016 floh er aus seiner Heimat Syrien, in dem immer noch der Bürgerkrieg tobt. Damals keine 18 Jahre alt und fertig mit der Schule, wollte er nicht als Soldat eingezogen werden. Er landete in Wuppertal, lernte Deutsch und konnte einen Sprachkurs (B2-Niveau) und ein Praktikum bei Bayer absolvieren.

Der Chemiekonzern bietet seit 1988 noch nicht ausbildungsreifen jungen Leuten mit Interesse an Naturwissenschaft und Technik ein „Starthilfe“-Programm in Dormagen, Leverkusen und Wuppertal an. Hier lernen die jungen Leute ein Jahr lang betriebliche Abläufe kennen, frischen in der Berufsschule ihre Schulkenntnisse auf und erkennen ihre Talente. Auch Geflüchtete nimmt Bayer in Kooperation mit dem Kommunalen Integrationszentrum Wuppertal seit fünf Jahren ins Programm. So gewinnt der Standort durch die „Starthilfe“ jährlich zehn neue Azubis.

„Wir haben Berufe wie Chemikant oder Bio- und Chemielaborant kennengelernt und konnten so unsere Entscheidung treffen“, erzählt Buz Al-jeadi. Chemikant zu werden, traf sein Interesse, weil der Job Kenntnisse sowohl in Chemie als auch in Anlagentechnik umfasst. „Mir gefällt auch, dass wir immer wieder neue Produkte und Aufgaben haben, für die wir intensiv geschult werden. Es wird also nie langweilig.“

Das nächste Ziel vor Augen: Industriemeister werden

Als Chemikant arbeitet er bei Bayer in einem sogenannten Vollkonti-Fünfschichtsystem: Zwischen Spät- und Nachtschicht liegen ein paar freie Tage. „Das ist cool: In der freien Woche bin ich raus aus dem Arbeitsleben und danach mit voller Kraft zurück! Ich versuche, meinen Schlafrhythmus anzupassen. Fünf Stunden im Bett und dann direkt etwas unternehmen.“

Also geht der Kraftsportler ins Fitnessstudio oder trifft sich mit Freunden. Ansonsten mag er schöne Autos, Bücher, Playstation spielen und Reisen. Da er inzwischen den deutschen Pass hat, stehen ihm viel mehr Länder offen als früher.

Sein Karriereplan: Noch ein Jahr praktische Erfahrungen sammeln und sich dann zur Meisterschule anmelden (Industriemeister). „Die Firma sagt nie Nein, aber ich muss das Lernen mit meiner Arbeit vereinbaren können.“

Seine aktuelle Lektüre? „Die Gesetze der Gewinner“ vom Selbstoptimierungsguru Bodo Schäfer. Das passt!

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Chemie habe ich schon in der Schule gemocht und wollte in Damaskus Chemie studieren. Aber ein Studium zieht sich hin, und ich wollte lieber etwas Praktisches machen.

Was reizt Sie am meisten?

Die Abwechslung, die Zusammenarbeit in unserem Team, die guten Arbeitsbedingungen und die netten Kollegen. Zudem wird man auch gut bezahlt.

Worauf kommt es an?

Sorgfältig sein und Regeln einhalten, jede Arbeit bis zum Ende ausführen und an die Patienten denken. Eines Tages wird ein Kind oder ein älterer Mensch unser Medikament einnehmen: Das ist für uns sehr wichtig.

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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