Friedberg/Denklingen/Moosburg. Theo, Theo – ist fit wie ein Turnschuh – und alle machen mit! Das ist ein Fitness-Hit für Kinder. Sein Motto taugt jedoch auch für sportliche Aktivität im Unternehmen. Denn mit Blick auf unsere alternde Gesellschaft sowie den Arbeits- und Fachkräftemangel wird betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) hier immer wichtiger.
„Es ist richtig und gut, dass sich Arbeitgeber mit dem Thema beschäftigen“, sagt etwa die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Investitionen in die Gesundheit sind aus Sicht der Arbeitgeber die beste Prävention gegen hohen Krankenstand. Denn geht’s den Beschäftigten gut, sind sie produktiver. Das ist prima fürs Unternehmen und unterm Strich für jeden Einzelnen.
Eine Mitarbeiter-Befragung war beispielsweise beim Maschinen- und Anlagenbauer Autefa Solutions in Friedberg Ausgangspunkt für neuen Schwung im Gesundheitsmanagement. „Wie geht’s euch, und was können wir für euch tun?“, wurde da gefragt. „Die Resonanz war super“, berichtet Personalleiterin Cordula Heiler. „Es kamen mehr als 100 Einzelmeldungen zurück.“ Darin tauchte häufig das Thema Rücken auf. „Das haben wir gleich als Schwerpunkt im vergangenen Jahr aufgegriffen.“
Zum Boxtraining bitte alle in die Werkhalle
Mit der AOK Bayern hat das Unternehmen ein Programm für seine Beschäftigten zusammengestellt. Heiler lobt die Unterstützung. „Die Kasse hat kompetente Trainerinnen und Trainer an der Hand und weiß, was funktioniert.“
Erste Aktion war ein Seminar für gesunde Augen am PC. Denn wer im falschen Winkel auf den Bildschirm schaut, riskiert Verspannungen im Nacken. Als Highlight folgte ein Gesundheitstag. Unter anderem mit Laufanalyse beim Orthopäden, der Haltung und Stellung der Füße prüfte. Das hat Einfluss auf den Rücken.
Dazu kam ein „Back-Check“ am Gerät. Es misst, ob Bauch und Rücken ausgewogen trainiert sind. Ist eine Muskelpartie zu schwach, leidet ebenfalls der Rücken. Dazu gab es Übungen mit dem Theraband. Das bunte Gummiband ist perfekt, um Nacken und Rücken zu trainieren. Beides wird bei der Arbeit im Sitzen strapaziert.
Der Hit bei Autefa war Boxtraining. Die Firma holte dafür seine Markenbotschafterin ins Haus, die Augsburger Boxweltmeisterin Tina Rupprecht. „Sie hat uns alle ordentlich ins Schwitzen gebracht“, lacht Heiler. Die Werkhalle wurde dabei zum Boxring, alle machten mit – siehe Theo …
Schön wär’s. Doch oft ist es eher so: Betriebe stellen tolle Kurse auf die Beine, aber nur wenige beteiligen sich daran. „Es braucht Motivation“, ist Heiler überzeugt und hilft mit sportlichem Wettstreit nach. Dem Siegerteam des Dartturniers etwa spendierte man ein gemeinsames Mittagessen.
2024 steht bei Autefa Stressmanagement im Fokus, denn es geht neben körperlicher auch um psychische Gesundheit. Im Angebot sind Halbtagsseminare, die helfen sollen, besser mit Stress im Job klarzukommen, der sich manchmal eben nicht vermeiden lässt.
„Alle an einen Tisch“ ist das Erfolgsrezept vom Komponentenhersteller Hirschvogel in Denklingen in Sachen Gesundheitsmanagement. „Wir haben an jedem Standort ein Gesundheitsteam gebildet, in dem alle wichtigen Positionen vertreten sind“, erläutert Gesundheitsmanager Robert Steck. Werk- und Personalleitung, Betriebsarzt und Leiter der Arbeitssicherheit sowie Schwerbehindertenvertretung und Betriebsrat setzen sich mehrmals im Jahr vor Ort zusammen. „So gelingt es, Ideen rasch umzusetzen“, sagt Steck.
Beispiel Betriebsarzt: Er ist für die Belegschaft da – in allen Gesundheitsfragen. Selbst für kleine Wehwehchen, für die man sonst den Hausarzt bemüht. Allerdings wussten das viele Mitarbeiter nicht. Die Werkleitung hat deshalb ausdrücklich dazu ermuntert, sich bei Bedarf unkompliziert Rat beim Doc im Betrieb zu holen.
Das neue Gesundheitscenter in der Hirschvogel-Zentrale in Denklingen ist ein weiteres Erfolgsbeispiel. Steck: „Das ist nur gelungen, weil wir alle Entscheider überzeugt haben.“ Das kommt an! 200 Mitarbeitende meldeten sich für eine Einweisung in die modernen Fitnessgeräte, um das Studio zu nutzen.
Das ist vor und nach der Arbeit oder in den Pausen möglich. Check-in geht per Firmen-Chipkarte, die Geräte im Raum erkennen damit jeden, der trainieren will. Cardio, Beweglichkeit und Krafttraining sind im Angebot, zeitgleich für 15 Personen, es darf also jeder mal dran.
So ein Mausarm, der tut weh
In der Miniturnhalle nebenan finden angeleitete Trainings statt. Etwa Rückentraining, wichtig als Ausgleich zu körperlich anstrengenden Tätigkeiten in dem Stahlumformbetrieb. Mitarbeiter aus der Produktion können dort vor Schichtbeginn trainieren oder gleich im Anschluss. „Turnbeutel mitnehmen und sich was Gutes tun“, empfiehlt Steck. Das spart den Weg ins Fitnessstudio.
Attraktive Angebote sind das eine, dranbleiben das andere. Wer schon einmal eine Verletzung hatte, nutze Gesundheitskurse eher, so Stecks Erfahrung. Denn so ein Bandscheibenvorfall oder Mausarm, das tut weh.
Am besten gelinge Motivation im Team. Machen Vertrieb oder Werkzeugbau zusammen einen Kurs, ziehen alle mit. Gruppendynamik hält die Leute bei der Stange. So läuft bei Hirschvogel gerade eine private Salat-Challenge im Betriebsrestaurant und eine Klimmzug-Wette: Ab an die Sprossenwand im Trainingsraum.
Manchmal muss man allerdings den richtigen Zeitpunkt abwarten. Das „Exoskelett“ zur Unterstützung bei schweren körperlichen Arbeiten etwa lehnten die Mitarbeitenden zunächst ab. Der Roboteranzug sei zu schwer, es mache keinen Spaß, darin zu arbeiten. „Wir waren damit einfach zu früh dran“, sagt Steck, „heute fragen alle danach – weil sie mitbekommen haben, dass die Unterstützung doch was bringt.“
Schulterschmerzen bei der Arbeit, das muss nicht sein
Hat von elf Spielern immer einer eine Rote Karte, dann ist das im Fußball nix. Lars Planko hat beim Intra-Logistik-Spezialisten Jungheinrich in Moosburg ähnliche Erfahrungen gemacht, als der Krankenstand längere Zeit hoch blieb. Mit konsequentem Gesundheitsmanagement hat die Firma die Quote aber nahezu halbiert. Oder, um im Sportjargon zu bleiben: „Es stehen wieder alle auf dem Platz.“
Dahinter steht ein straffes Gesundheitsmanagement als zertifiziertes System mit Einbeziehung der Führungskräfte, des Betriebsrates und der Mitarbeitenden. „Wir versuchen, systematisch an die Ursachen ranzugehen“, so Planko, „aber nicht mit erhobenem Zeigefinger.“
Top-Thema seien Muskel- und Skeletterkrankungen. Fällt etwa ein Mitarbeiter häufig wegen Schulterschmerzen aus, liegt es vielleicht daran, dass er ein schweres Teil in ungünstiger Haltung bewegen muss. „So etwas passen wir an“, sagt Planko. Etwa durch den Umbau der Arbeitsstation. Ergonomie-Coaches begutachten zudem regelmäßig die Werke in Moosburg und Degernpoint. Planko: „Sie sehen, was man noch verbessern kann, und sprechen es an.“
Keine Frage, das lohnt sich unter dem Strich auch wirtschaftlich für das Unternehmen – und für jeden Beschäftigten, der dadurch gesünder ist. Nur, ohne Eigeninitiative geht es nicht. Also, mitmachen.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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