Ein Waldspaziergang ist zu jeder Jahreszeit etwas Herrliches, und zwar nicht nur fürs Auge: Schon seit etwa 200 Jahren gelten Wälder in Deutschland auch als Erholungsraum. Doch inzwischen ist durch wissenschaftliche Studien belegt, welche positiven Wirkungen der Wald auf den menschlichen Körper und Geist hat.
Gesünder leben: Die positiven Effekte des Waldes auf den Menschen
So ist das Verhältnis von Sauerstoff zu Kohlenmonoxid in der Waldluft für den Menschen deutlich besser als in der Stadtluft, wie Stefan Türk, Forstwissenschaftler am Institut für Natursport und Ökologie an der Deutschen Sporthochschule Köln, erklärt. Dadurch verbessert sich die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff. Des Weiteren wirken die Wälder wie große Feinstaubfilter. „Das entlastet die Atmung“, so Türk. Auf die Atmung wirken auch die olfaktorischen Reize des Waldes. Die ätherischen Öle und der Harzgeruch der Bäume sorgen dafür, dass man tiefer einatmet, was wiederum das Immunsystem stärkt.
Die in Wald und Forst herrschenden Lichtverhältnisse erscheinen ebenfalls vorteilhaft: „Die Blätter der Bäume filtern über 50 Prozent der UV-Strahlen aus, die unter anderem auch den Sonnenbrand auslösen“, erläutert Türk. Andererseits benötigt der Mensch in gewissen Maßen das Sonnenlicht. So regelt es zum Beispiel den Schlaf-Wach-Rhythmus. Um Sonne zu tanken, bietet der Wald so eine schonendere Möglichkeit als etwa ein Bad in der prallen Sonne. Auch auf die Seele wirkt sich das Licht des Walds aus, denn das Wechselspiel von Licht und Schatten hat positive psychologische Reize. Achtung: Epileptiker sollten vorsichtig sein, bei ihnen können diese Lichtspiele Anfälle auslösen.
Das im Wald herrschende temperaturausgleichende Klima ermöglicht es zudem, sich für längere Zeit in der Natur aufzuhalten. Im Sommer ist es durch die schattenspendenden Bäume nicht so heiß und im Winter nicht so kalt, weil der Wald den auskühlenden Wind bremst: „Der Windchill-Effekt, also der Wärmeverlust, ist deutlich geringer“, sagt Experte Türk.
Und eine japanische Studie zeigte 2011, dass der Spiegel des Stresshormons Kortisol im Speichel während eines Waldspaziergangs um mehr als 12 Prozent niedriger ist als bei einer Vergleichsgruppe. Diese Effekte machen einen Aufenthalt im Wald für den Menschen so gesund. Schon bei einem einfachen Spaziergang profitiert man von der Ruhe und etwa den Geruchsstoffen der Bäume, sodass man ruhiger und gelassener wird, das Stresslevel nachlässt.
Auch zu therapeutischen Zwecken wird der Wald genutzt
Noch intensiver als ein Spaziergang ist das sogenannte Waldbaden, das in Japan – dort Shinrin Yoku genannt – sogar Bestandteil des Gesundheitswesens ist und bereits seit den 1980er Jahren angewandt wird. Waldbaden wird in Form von geführten Touren praktiziert. Dabei wird bewusst die Aufmerksamkeit zum Beispiel auf Gerüche oder Geräusche im Wald gelenkt. Hintergrund: In Japan ist der Zutritt zu Wäldern anders als hierzulande häufig beschränkt, sodass die Menschen sich nicht einfach, wenn sie Lust dazu haben, dort aufhalten können. Durch Shinrin Yoku erhalten sie einen Zugang zum Wald.
Auch in Deutschland wird Waldbaden zu therapeutischen Zwecken genutzt, etwa von der Dr.-Becker-Klinik Möhnesee im Sauerland, die es bei ihren Patienten unter anderem zur Behandlung von kardiologischen Beschwerden einsetzt. Dies wird im Rahmen einer Studie wissenschaftlich begleitet, die kurz vor dem Abschluss steht. Therapieleiter Jörn Luley berichtet, dass die Teilnehmer einige Stunden nach dem Waldbaden deutlich entspannter als zuvor sind. „Das lässt sich durch die Messung der Herzrate nachweisen.“ Durch das Waldbaden gingen aber auch Schlafstörungen zurück, Ängste sowie Aggressionen verminderten sich, so Luley.
Einer der Ranger, der auch die dreistündigen Touren mit den Patienten der Dr.-Becker-Klinik in Möhnesee durchführt, ist Oliver Szodruch vom Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen. Er vermittelt während des Gangs zahlreiche Informationen über den Wald und gesundheitliche Themen. Und er spricht während der Pausen in Form von Achtbarkeitsübungen alle Sinne an, etwa indem er die Teilnehmer an Hölzern riechen oder über Moos laufen, sie die Stille spüren oder den Blick einfach schweifen lässt. Die Touren sind aber nicht nur den Patienten vorbehalten. Auch andere Interessierte können eine solche Führung unter dem Motto „Wald und Gesundheit“ buchen.
Alternativen zum Wald
Wer keine Zeit hat, sich nun gleich in den Wald aufzumachen, kann solche gesundheitlichen Effekte, die der Wald auf den Menschen hat, auch auf andere Weise erreichen: So hält ein strammer Spaziergang durch den nächsten Park oder über die Felder fit, wie eine Untersuchung der Deutschen Sporthochschule Köln belegt. Wer sich mit einem Tempo von 4,5 bis 6 Kilometern pro Stunde täglich 30 Minuten lang bewegt, vergrößert so seine Lungenkapazität und stärkt das Herz-Kreislauf-System, die Blutfettwerte sinken. Insgesamt führt das Spazierengehen zu einem größeren Wohlbefinden. Ebenfalls wirkungsvoll sind drei Einheiten täglich à jeweils mindestens zehn Minuten.
Ein Gang an der frischen Luft oder körperliche Betätigung ganz allgemein senken auch das persönliche Stressempfinden. Musik zu hören, entspannt ebenfalls, oder eine Weile im Garten zu arbeiten – es gibt viele Möglichkeiten, sein Wohlbefinden zu steigern. Wer akut unter Druck steht, kann schon allein dadurch gelassener werden, dass er sich zum Beispiel für den Abend etwas Schönes vornimmt und daran denkt.
Sehr hilfreich können auch Achtsamkeitsübungen sein, wie Jörn Luley von der Dr.-Becker-Klinik erklärt. Hierbei kommt es darauf an, sich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und dem nachzuspüren, was man gerade tut oder empfindet. Wenige Minuten zwischendurch können schon ausreichen, um sich besser zu fühlen. Alle diese Tipps haben auch Auswirkungen auf das Immunsystem: Wer sich regelmäßig bewegt und für ausreichende Entspannung zwischendurch sorgt, stärkt damit auch seine Abwehrkräfte.