München. Da geht noch was. Höhere Erwerbstätigkeit von Frauen kann helfen, dass die Fachkräftelücke, die sich demografiebedingt in vielen Unternehmen auftut, ein Stück kleiner wird.
Mehr Frauen im Beruf, das ist für beide Seiten gut. Für Betriebe, die dringend Arbeitskräfte suchen. Und für Frauen jeden Alters, die sich mit qualifizierter Arbeit ein eigenes Leben aufbauen, auf eigenen Beinen stehen können. Gerade in Technikberufen in der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (M+E) gibt es da viele Chancen, Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen und guten Verdienst. Doch dazu müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen.
Die US-amerikanische Ökonomin Claudia Goldin (77), die in diesem Jahr den Nobelpreis für Wirtschaft verliehen bekommt, forscht genau zu diesem Thema. Die Harvard-Professorin geht der Frage nach, warum Geschlechterunterschiede bei der Beschäftigung entstanden sind und warum sie bis heute noch bestehen. Dazu hat sie die Entwicklungen der vergangenen 200 Jahre untersucht. Ergebnis: Wächst die Wirtschaft, wachsen die Chancen der Männer auf dem Arbeitsmarkt, aber nicht automatisch die der Frauen. Ein Hintergrund ist die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Frauen stehen im Beruf noch viele Hürden im Weg
Goldins Forschung hat gezeigt: Bis zur Geburt des ersten Kindes sind die Verdienste meist gerecht verteilt. Doch ab da klafft die Schere auseinander. Nach dem Wiedereinstieg in den Beruf holen die meisten Frauen den Einkommensverlust nicht wieder auf. Unter anderem auch, weil sie Teilzeit statt Vollzeit arbeiten, weil sie neben dem Job die meiste Care-Arbeit für Kinder und pflegebedürftige Angehörige erledigen. Das behindert ihre Karrierechancen.
Dazu kommt ein Steuersystem, das auf ein Alleinverdiener-Modell ausgerichtet ist und eine Aufstockung der Arbeitszeit für Frauen finanziell unattraktiv macht, Stichwort Ehegattensplitting.
Natürlich hat sich in den letzten Jahren etwas getan. Immer mehr junge Väter nehmen zum Beispiel eine Auszeit vom Beruf für die Familie. Doch das allein ändert noch nicht viel. Auch soziale Normen spielen mit („Frauen an den Herd“) oder tradierte Rollenbilder, die nach wie vor die Berufswahl von Frauen prägen. aktiv wirft einen Blick auf wichtige Faktoren, die ihnen im Job im Weg stehen.
Weg von Klischees in der Berufswahl
- Bürokauffrau und Arzthelferin sind laut Statistik die beliebtesten Ausbildungsberufe bei Frauen. Bei Männern stehen Kraftfahrzeugmechatroniker und Fachinformatiker ganz oben auf der Liste, also klassische Technikberufe, in häufig besser bezahlt sind als „typische Frauenberufe“.
- Trotz genderneutraler Erziehung ist der Ausbildungs- und Arbeitsmarkt noch immer stark unter den Geschlechtern aufgeteilt.
- Rollenmuster sind mit schuld daran. Frauen grenzen sich dadurch oft unbewusst auf stereotype Berufe ein. Damit sind jedoch häufig Unterschiede im Verdienst und in den Karriereverläufen verknüpft.
- Mädchen für MINT: Projekte wie Girls’Day Akademie, Mädchen-für-Technik- und Forscherinnen-Camps der bayerischen M+E-Arbeitgeberverbände bayme vbm helfen etwa, Frauen für MINT-Berufe (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu begeistern.
Talente besser nutzen
- Nur jede dritte Führungskraft hierzulande ist eine Frau. Diese Zahl gilt es aus Sicht der M+E-Arbeitgeber weiter auszubauen. Denn der Bedarf an weiblichen Nachwuchsführungskräften wird in den nächsten Jahren steigen.
- Bildung bringt Chancengleichheit voran: Knapp 50 Prozent der Studierenden an Bayerns Hochschulen sind Frauen. Der Anteil weiblicher Professuren stieg von 16 Prozent (2011) auf 24 Prozent (2021).
- Es braucht Vorbilder: „Role Models“ inspirieren Frauen und zeigen ihnen, was alles möglich ist. Denn nur was man sich vorstellen kann, kann man auch anstreben.
- Karriereförderung: Mit zielgerichteter Weiterbildung können Unternehmen talentierte Frauen fördern und in Führungsjobs bringen. Das Projekt „Frauen in Führungspositionen“ der bayerischen M+E-Arbeitgeber etwa läuft seit 2010 und mittlerweile in der siebten Staffel, wegen der großen Nachfrage.
Familie darf keine Karriere-Bremse sein
- Haushalt, Kindererziehung, Pflege: Frauen wenden pro Tag im Schnitt vier Stunden und 13 Minuten für unbezahlte Sorgearbeit auf, 52 Prozent mehr als Männer, so der Gleichstellungsbericht des Bundes.
- Das hat Konsequenzen: Frauen haben es damit schwerer, in gut bezahlten, sehr fordernden Jobs den gleichen Einsatz zu bringen, so Nobelpreisträgerin Goldin.
- Folgen sind ein niedrigeres Einkommen gerechnet auf die Lebensarbeitszeit und somit geringere eigenständige Rentenansprüche im Alter.
- Gute Betreuung: Kitas, Schulen und Pflege für Senioren sind zentral, damit Frauen Freiräume für ihre Berufstätigkeit haben. Das ist eine staatliche Aufgabe. Aber auch die Unternehmen tun hier – freiwillig – schon viel, etwa mit Betriebskindergärten und Programmen für die Rückkehr in den Beruf.
Raus aus der Teilzeitfalle
- Reduzierte Arbeitszeit: Weniger Stunden, das ist für viele Frauen die Lösung, damit sie neben der Familie noch beruflich tätig sein können.
- Zwei Drittel der erwerbstätigen Frauen mit Kindern wählen in Deutschland das Modell und arbeiten Teilzeit.
- Vollzeitnahe Beschäftigung: Die M+E-Arbeitgeberverbände werben jedoch verstärkt für die Ausweitung der Arbeitszeiten, nicht nur wegen des Fachkräftemangels, sondern damit Frauen bessere Berufschancen haben.
- Mobiles Arbeiten: etwa ermöglicht berufstätigen Müttern an vielen Stellen, ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich einzuteilen.
- Flexibilität: Sie hilft, Familie und Beruf zusammenzubringen. Die Betriebe bieten hierzu bereits viele verschiedene Arbeitszeitmodelle an.
Faire Bezahlung der Geschlechter
- Der Gender Pay Gap, der Lohnunterschied zwischen Mann und Frau, beträgt in Bayern 21 Prozent. Allerdings liefert diese unbereinigte Lohnlücke keine seriöse Aussage über die wirkliche Entgeltdifferenz.
- Bei der Berechnung werden weibliche und männliche Beschäftigte mit völlig unterschiedlichen Qualifikationen, Berufen und Erwerbsbiografien verglichen.
- Aussagekräftiger ist dagegen die bereinigte Entgeltlücke. Sie rechnet Faktoren wie Berufswahl oder Familienpause heraus. Das Ergebnis ist auch nicht gleich null. Der Lohnunterschied liegt laut neuesten Zahlen bei 7 Prozent, ist also deutlich geringer.
- Die Tarifverträge: Die M+E-Industrie macht bei der Entlohnung keinen Unterschied nach Geschlecht. Die Entgeltgruppen sind transparent. Über die Einstufung entscheiden die Betriebsräte mit.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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