Fräsen statt frisieren, Maschinen bauen statt Blumen binden – die „Girls’ Day Akademie“ macht Schluss mit Rollenklischees. Die Berufsorientierungsinitiative des Arbeitgeberverbands Nordmetall, der Unternehmensverbände im Lande Bremen und der Agentur für Arbeit bietet jungen Frauen spannende Einblicke in die Welt der M+E-Industrie.

Das Projekt läuft in verschiedenen Bundesländern, unter anderem in Bremen – und gibt jeweils einer Gruppe von Neuntklässlerinnen ein Jahr lang die Möglichkeit, in klassische MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) hineinzuschnuppern. Das Format kommt an. Die Schülerin Leen Alkoushk hat einen Durchlauf mitgemacht und sagt: „Mir gefällt die ‚Girls’ Day Akademie‛, weil ich hier typische Männerberufe kennenlernen kann.“

Frauen sind für die Metall- und Elektro-Industrie unverzichtbar

Typisch Mann – typisch Frau? Die klassische Rollenverteilung in Männer- und Frauenberufe will die „Girls’ Day Akademie“ aufbrechen. Denn Frauen verändern die Atmosphäre und das Miteinander in Betrieben. Zudem führt der zunehmende Nachwuchskräftemangel dazu, dass in technischen Berufen vermehrt auf Frauen gesetzt wird. Bereits 2015 forderte die ehemalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka: „Die junge Frauengeneration ist so gut ausgebildet wie noch nie, wir können und wollen in Deutschland auf das Potenzial dieser Frauen in MINT-Berufen nicht verzichten.“

„Wir benötigen weibliche Vorbilder“

Um den weiblichen Anteil in technischen Berufen zu erhöhen, reicht es nach Auffassung von Imke Kuhlmann, Referentin Nachwuchssicherung bei Nordmetall, nicht aus, nur alte Rollenklischees zu verändern. „Wir müssen auch die Vielfalt der technischen Berufe intensiver präsentieren und das Selbstvertrauen der jungen Frauen in ihr technisches Können stärken. Dazu benötigen wir Frauen als Vorbilder“, sagt sie.

Sonja Neubert, Imke Langhorst und Andrea Fischer sind solche „Role Models“, weibliche Vorbilder, die Mädchen von der Attraktivität der MINT-Berufe überzeugen können. Sonja Neubert ist Diplom-Ingenieurin und Sprecherin der Siemens-Niederlassung in Hamburg. Imke Langhorst hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert und leitet den Airbus-Standort Bremen. Und die Psychologin Andrea Fischer ist Werkleiterin des Automobilzulieferers GKN Driveline in Kiel.

Auf die richtige Einstellung kommt es an

Sie sagt, dass man vor allem übergeordnete Stärken wie die Einstellung zur und das Interesse für die Arbeit mehr in den Fokus nehmen müsse. „Ich habe auch keinen technischen Hintergrund, möchte aber Zusammenhänge verstehen und arbeite sehr gern mit Menschen. Das hilft in technischen und nicht-technischen Berufen.“ Und sie macht den Mädchen Mut. „Am Anfang der Ausbildung sagen wir unseren Mitarbeitern: Du musst nur die richtige Einstellung haben. Alles andere bringen wir dir bei.“

Siemens-Niederlassungsleiterin Sonja Neubert sieht das ähnlich. Sie geht immer wieder in Schulen und spricht gezielt die Mädchen an: „Traut Euch. Glaubt nicht, dass man Überfliegernoten in Mathe und Naturwissenschaften haben muss, um ein gutes Technikstudium zu absolvieren.“ Sie weiß, dass bei Mädchen die Neigung ausgeprägt ist, sich erst dann für einen technischen Beruf zu bewerben, wenn sie ganz sicher sind, dass sie die Materie beherrschen. „Jungs sind anders, die treten wesentlich selbstbewusster auf, auch wenn die Noten nicht ganz so gut sind“, so die Ingenieurin.

Hilfe bei der Suche nach Kita-Plätzen

Verstärkt auf Mädchen-Power setzt beispielsweise das Unternehmen Vincorion – Jenoptik Advanced Systems, die Mechatronik-Sparte von Jenoptik. 500 der rund 800 Mitarbeiter des Unternehmens sind am Hauptstandort Wedel vor den Toren Hamburgs mit Dienstleistungen und Produkten für die Luftfahrt-, Sicherheits- und Verteidigungs-Industrie beschäftigt. Im laufenden Ausbildungsjahr erreichte die Quote weiblicher Azubis dort erstmals 40 Prozent.

Für die Personalverantwortliche Nina Römhild ein Erfolg, der verstetigt werden müsse. „Wir versuchen mit zahlreichen Aktionen, Mitarbeiterinnen nicht nur zu gewinnen, sondern auch dauerhaft an uns zu binden. So unterstützen wir sie beispielsweise bei der Suche nach Kita-Plätzen. Zudem haben wir bei der Besetzung unseres Nachwuchskräfteförderprogramms besonders auf die Beteiligung weiblicher Fachkräfte geachtet.“ Dennoch gibt sich die Personalerin auch selbstkritisch: „Wir müssen noch mehr in die Schulen gehen und für technische Berufe werben.“

MINT-Club „Nordbord“ bietet Jugendlichen exklusiven Zugang zu Technik- und Forschungsprojekten

Derweil rühren die Verbände intensiv die Werbetrommel, wenn es um die Gewinnung weiblichen Nachwuchses geht.

Der MINT-Club „nordbord“ etwa, der Jugendlichen exklusiven Zugang zu Technik- und Forscherprojekten in ganz Norddeutschland ermöglicht und sie mit spannenden Industrieunternehmen zusammenbringt, bietet inzwischen auch reine Mädchenkurse an. „Wir haben den Mädchenanteil im Club auf 25 Prozent gesteigert. Da ist zwar noch Luft nach oben, dennoch sind wir auf einem guten Weg“, so MINT-Nachwuchsförderin Kuhlmann. Sie kann sich zudem vorstellen, dass Paten aus dem Berufsleben oder Studierende technischer Studiengänge für interessierte Mädchen gute Begleiter auf einem Weg in technische Berufe sein könnten.

„Nordmetall Cup Formel 1 in der Schule“ ist der Renner

Aber nicht nur die „Girls’ Day Akademie“, der Schülerclub nordbord oder der M+E-InfoTruck werben für technische Berufe. Die Branche macht auch mit spannenden Events auf sich aufmerksam, wie etwa mit dem „Nordmetall Cup Formel 1 in der Schule“, der von der Nordmetall-Stiftung gefördert wird.

Bei dieser Technologie-Challenge schicken Schülerinnen und Schüler zwischen 11 und 19 Jahren einen selbst entwickelten und gebauten Mini-Rennwagen auf die Piste. 2015 stahl ein reines Mädchenteam den überwiegend männlichen Teilnehmern die Schau. Das Team „Top Speed 1“ vom Matthias-Claudius-Gymnasium in Wandsbek fuhr fast allen davon und wurde das erste rein weibliche Vizemeister-Team in der Geschichte des Hamburger Wettbewerbs.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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