Erlangen. Ein Blick auf die Frauenquote in Bayerns Metall- und Elektro-Industrie (M+E) rüttelte Susanne Deißenberger vor einigen Jahren wach: „Das sind viel zu wenig“, war der Geschäftsführerin von Thermo Fisher Scientific in Erlangen klar. Nur gut ein Viertel aller Beschäftigten in M+E-Betrieben sind weiblich. Entsprechend klein ist auch der Anteil, der in Führungspositionen aufsteigen kann. Das Problem ist auch in anderen Teilen der Wirtschaft bekannt: Nur 27 Prozent der Führungskräfte in Deutschland sind Frauen.
Gezielt suchte Deißenberger Unterstützung für ihr Vorhaben, Frauen mehr Chancen zu geben – und fand sie beim Projekt „Frauen in Führungspositionen“, das die bayerischen M+E-Arbeitgeberverbände bayme vbm seit 2010 erfolgreich für ihre Mitgliedsbetriebe anbieten. Über alle sechs Staffeln haben 306 Frauen teilgenommen, Thermo Fisher schickte 2018 erstmals Frauen in das Förderprogramm.
Wie etwa Nadja Zeuch. Die 36-jährige Controllerin arbeitet am Erlanger Standort, der unter anderem auf Lösungen für Strahlenmessung spezialisiert ist. Als eine der ersten Frauen im Unternehmen durchlief sie das Programm: „Ein Gewinn“, ist sie überzeugt. „Ich kann meine Stärken jetzt besser einschätzen.“ Das hilft, sich auf mögliche Führungspositionen zu bewerben. Zudem knüpfte sie ein enges Netzwerk, sowohl mit den weiteren Teilnehmerinnen als auch im Betrieb selbst. „Wir tauschen uns immer noch regelmäßig aus.“
Bei den nächsten Karriereschritten auf die eigenen Stärken fokussieren
Diesen Austausch schätzt auch Ina Krafzik. Die 45-Jährige hat noch einen der insgesamt acht Workshops der Projektreihe vor sich. Mehr als eineinhalb Jahre dauert das komplette Programm – Zeit genug, dass die Gruppe zusammenwachsen kann und ein Vertrauensverhältnis entsteht. Zusätzlich begleitet ein Mentor innerhalb der Firma die Teilnehmerinnen. „Dadurch habe ich auch die männliche Sichtweise auf viele Dinge kennengelernt“, sagt sie. „Man bekommt einen bunten Blumenstrauß von Eindrücken, die einem helfen, eine eigene Meinung zu bilden.“
Trotzdem sei es gut, dass das Programm ausschließlich Frauen vorbehalten ist. „Es ist ein geschützter Raum, in dem Frauen auch Selbstzweifel äußern können“, findet Bettina Sommer (54). Auch wenn sie schon seit acht Jahren ein eigenes Team führt, habe sie viel gelernt. „Frauen trauen sich leider viel weniger zu als Männer. Sie wollen immer alles perfekt beherrschen“, hat sie beobachtet. „Bei Bewerbungen auf Führungspositionen konzentrieren sie sich auf die drei Punkte von zehn, die sie nicht können, und scheuen dann den Schritt“, sagt sie. „Männer bewerben sich schon, wenn sie nur fünf Kriterien von zehn erfüllen.“
Genau diesen Mut, die nächsten Karriereschritte zu wagen, bekommen die Teilnehmerinnen im Projekt, bestätigen die drei übereinstimmend. Für Geschäftsführerin Susanne Deißenberger ist das ein Gewinn: „Die Vorteile gemischter Teams sind lange bekannt. Wir profitieren, wenn mehr Frauen Verantwortung übernehmen.“
Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.
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