Oberkirch. Die PWO-Gruppe ist bestens aufgestellt: Der Automobilzulieferer baut Strukturteile und Komponenten in Leichtbauweise, die nicht vom Verbrenner abhängen. Aber CEO Carlo Lazzarini sieht besorgt den drohenden wirtschaftlichen Abschwung und meint im Gespräch mit aktiv: Die Rahmenbedingungen in Deutschland könnten besser sein.

Wie erleben Sie als Firmenchef die anhaltende wirtschaftliche Krise und die drohende Rezession?

Diese Lage verlangt sehr starke Nerven und viel Umsicht bei Entscheidungen. Bisher sind wir gut über die Runden gekommen. Dennoch bleiben wir sehr vorsichtig angesichts des Sturms, der sich da zusammenbrauen kann. Unsere Auftragslage, das Neugeschäft ist sehr gut, aber die Abrufe unserer Kunden in den laufenden Serien sind noch nicht wieder so wie vor Corona. Es gibt immer noch den Chipmangel, es gibt die Ukraine-Krise. Davon sind alle Zulieferer und Fahrzeughersteller betroffen.

In dieser schwierigen Situation planen Sie ein zusätzliches Werk in Osteuropa. Warum gerade dort?

Unsere Kunden haben in den letzten Jahren massiv Produktionskapazitäten nach Osteuropa verlagert, riesige Werke hochgezogen und wollen auch dort beliefert werden. Die Logistikkosten, die in der Regel unsere Kunden übernehmen, sind enorm gestiegen. Deshalb sind ihnen kurze Wege wichtig. Für uns heißt das: Wir müssen vor Ort sein und dort die Anfragen bedienen können. Sonst bekommen wir keine Aufträge mehr und können nicht überleben.

Und woher kommt dieser Trend nach Osteuropa?

In tarifgebundenen Unternehmen – dazu gehören auch wir und unsere Kunden – ist in den letzten zehn Jahren die Arbeitszeit gesunken. Gleichzeitig sind die Löhne stark gestiegen, sogar doppelt so schnell wie die bis vor Kurzem noch sehr niedrige Inflation. Das bedeutet einen Produktivitätsverlust und damit einen großen Wettbewerbsnachteil für die heimische Industrie gegenüber der globalen Konkurrenz.

Werden Sie also Arbeitsplätze nach Osteuropa verlagern?

Nein, für das neue Werk in Osteuropa werden keine Stellen in Deutschland abgebaut. Auch unsere Zentrale wird hier in Oberkirch bleiben. Eine Verlagerung von Arbeitsplätzen planen wir derzeit nicht, das könnte sich aber auch mal ändern.

Aus welchen Gründen könnte sich das ändern?

„Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Aber die Rahmenbedingungen machen es uns nicht einfach.“

Das könnte sich dann ändern, wenn wir mit unseren rund 800 Produktionsarbeitsplätzen in Baden-Württemberg einen Verlust erwirtschaften, weil die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen. In den letzten zehn Jahren haben sich die Standortfaktoren in Deutschland deutlich verschlechtert. Dabei stehen die hohen Personalkosten an erster Stelle, dicht gefolgt von den Energiekosten. Deutschland braucht eine stabile Energieversorgung zu einem vernünftigen Preis. Im Moment gibt es hier aber ganz große Risiken, wie wir alle wissen. Weitere, untergeordnete Themen sind Bürokratie oder fehlende Digitalisierung.

Heißt das, die Produktionsarbeitsplätze hierzulande sind in Gefahr?

Wir bei PWO kämpfen grundsätzlich um jeden Arbeitsplatz, auch in Deutschland, auch in Baden-Württemberg. Dafür tun wir uns mit dem Betriebsrat zusammen und mit der ganzen Belegschaft, um gemeinsam Lösungen zu finden. Aber die Rahmenbedingungen machen es uns nicht einfach.

Wie würden denn bessere Rahmenbedingungen aussehen?

Der Schlüssel ist der Erhalt der Produktivität. Das gelingt, wenn die Arbeitszeit nicht weiter sinkt und die Kosten nicht, wie in den letzten zehn Jahren, stärker als die Inflation steigen. Sonst sehe ich den Industriestandort Deutschland und den Wohlstand von uns allen in Gefahr. Ich hoffe, dass die Notbremse gezogen wird, denn wir sind eigentlich ein guter, sehr innovativer Standort.

Kann die Politik auch etwas zur Standortsicherung beitragen?

Eine ganz wichtige Stellschraube, um die sich die Politik jetzt kümmern muss, ist die Inflationsbekämpfung. Denn Inflation ist ein Wohlstandsvernichter.

Fahrzeugbau: Starke Branche, aber von der Krise gezeichnet

  • 786.109 Beschäftigte hatte der deutsche Fahrzeugbau 2021 insgesamt.
  • 32 Prozent weniger Pkw als 2019 wurden bisher im Jahr 2022 produziert.
  • 2.374.096 Pkw wurden 2021 aus Deutschland exportiert – 10 Prozent weniger als 2020.
Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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