Frankfurt. „Eines Tages fällt dir auf, dass du 99 Prozent nicht brauchst. Du nimmst all den Ballast und schmeißt ihn weg, denn es reist sich besser mit leichtem Gepäck …“

Mit den Klängen des Erfolgssongs der deutschen Pop-Rock-Band Silbermond startete das 32. Hessenforum am 11. Mai in der Klassikstadt in Frankfurt – Spitzen-Event des Arbeitgeberverbands Hessenmetall. Wie so eine Reise für Unternehmen aussehen kann, übertragen auf die vielen großen Herausforderungen, vor denen die Wirtschaft gerade steht, erklärte Wolf Matthias Mang.

Der Unternehmer und Vorstandsvorsitzende von Hessenmetall betrat die Bühne mit einem modernen Trekking-Rucksack, der es in sich hat. Dank individuell angepasster Rückenpolster, im 3-D-Druck-Verfahren von OECHSLER in Ansbach hergestellt, lässt sich schweres Gepäck leichter schultern. Es ist nur ein Beispiel von vielen, wie die Wirtschaft Probleme durch innovative Ideen löst.

Das Hessenforum bot denn auch den rund 230 Gästen mit einer Business- und einer Wissenschafts-Talkrunde zahlreiche Lösungsansätze und Best-Practice-Beispiele.

Interdisziplinäre Arbeit und eine fehlertolerante Kultur

Innovative Geschäftsmodelle und große Produktivitätssprünge gelingen laut Mang vielfach durch die Kooperationen mit IT-Unternehmen und Hochschulen, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie eine fehlertolerante Kultur. „Das ermöglicht, Kurs zu halten, wenn man ständig neu priorisieren muss, wie man mit den vielfältigen Herausforderungen von Krieg, Pandemie, Lieferkettenproblemen und der digitalen Transformation umgehen muss“, betonte Mang, Geschäftsführer von Arno Arnold in Obertshausen und Aufsichtsratsvorsitzender von OECHSLER.

Unter der Moderation des „FAZ“-Journalisten Manfred Köhler nahmen auch Julia Reichert, geschäftsführende Gesellschafterin der ROEMHELD Gruppe in Laubach, sowie Uwe Bartmann, CEO Siemens Deutschland, und Ralph Wangemann, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor von Opel Automobile in Rüsselsheim, teil.

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„Technologie plus Innovation – die intelligente Kombination macht’s!“, erklärte Reichert. Leider werde der Mensch bequem, wenn alles läuft. Dabei müsse man die Dinge immer wieder hinterfragen und auch die Kunden mit der Nase draufstoßen, an gravierenden Veränderungen intensiver zu arbeiten: „Man darf nicht dem hinterhertrauern, was man jetzt etwa bei der klassischen Automobil-Industrie verliert, sondern man sollte den Mut haben, neue Wege zu gehen.“

Auch in Zukunft sei das, was die Auto-Industrie benötige, reichlich. „Man muss das Potenzial jetzt für sich entdecken und die richtigen Ansätze dafür finden. Denn egal welcher Antrieb: Es müssen ja trotzdem die verschiedensten Bauteile gefertigt werden – warum nicht mit Unterstützung unserer Lösungen.“

Dem schloss sich Siemens-Manager Uwe Bartmann an. „Wir müssen unsere Technologieführerschaft fortlaufend weiter tapfer verteidigen und dürfen uns keinesfalls auf unseren Lorbeeren ausruhen“, ist er überzeugt.

Technologie allein reiche dabei nicht aus: „Will man dauerhaft an der Spitze sein, geht es auch um einen höheren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zweck und Business Cases.“ Der Kunde betrachte seine Investition in eine Technologie unter strategischen, betriebswirtschaftlichen und vielen weiteren Aspekten wie etwa Nachhaltigkeit.

Strukturwandel erfordert hohe Anpassungsfähigkeit

Der Betriebswirt verwies auf den im Frankfurter Stadtteil Gateway Gardens neu entstehenden Siemens-Standort, mit 35.000 Quadratmetern. Bartmann: „Das Büro-Ensemble The Move ist unsere Antwort auf die Arbeitswelt von morgen, in der man dank modernster Technologien am Arbeitsplatz die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigen kann.“

Opel-Arbeitsdirektor Ralph Wangemann sieht die Zukunft der industriellen Beschäftigung im Strukturwandel, der eine hohe Anpassungsfähigkeit erfordere. Mit Blick auf die Geschichte des Unternehmens betonte er: „Die Bereitschaft zum Wandel liegt uns Opelanern wohl im Blut.“ Die Transformation koste zwar Arbeitsplätze, die am Verbrennungsmotor hängen, schaffe aber auch neue in bestimmten Chancenfeldern. Wangemann: „Deshalb arbeiten wir am Umbau und Aufbau von Arbeitsplätzen, die dazu passen, dass Autos immer mehr zu rollenden Computern werden.“ Dreh- und Angelpunkt ist eine strategische Aus- und Weiterbildung, zu der eine eigene Software-Akademie gehört, die auf Konzernebene gerade aufgebaut wird.

Im anschließenden Wissenschafts-Talk diskutierten die Spitzen der vier Hessenmetall-Hochschulkooperationspartner TU Darmstadt, Frankfurt UAS, TH Mittelhessen und Universität Kassel über Praxisbeispiele von anwendungsbezogenem Technologietransfer. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe von aktiv.

Viele Krisen zu meistern

Einen kurzen Ausblick auf die im Herbst anstehende Tarifrunde für die Beschäftigten der M+E-Industrie gab Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf im Rahmen der Mitgliederversammlung von Hessenmetall. Wie er betonte, seien aktuell viele Krisen gleichzeitig zu meistern, die dominiert werden von dem seit Jahrzehnten beispiellosen Krieg in der Ukraine. Vor diesem Hintergrund die Lage der Industrie im Herbst 2022 zu betrachten, gleiche einem Blick in die Glaskugel.

Wolf: „Wir wissen nicht, wie der Krieg weiter verlaufen wird und ob nicht noch eine neue Corona-Mutante entsteht, die wieder Lockdowns bringt.“ Die Frage sei deshalb nicht, wie wir Wachstum verteilen können. „Die Frage ist, wie wir wieder für Wachstum sorgen und den Strukturwandel trotz der schweren Krisen zügig voranbringen können.“

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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