München. Der starke Wirtschaftsstandort hat Bayern über Jahrzehnte großen Wohlstand beschert. Jetzt steht das Land vor tiefgreifenden Veränderungen, die auch der Wirtschaft Sorge bereiten. Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sagt: „Die Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Bayern sind so groß wie selten zuvor.“ Um diese zu meistern, müssen daher die Weichen richtig gestellt werden – auch von der neuen Staatsregierung. Am 8. Oktober 2023 wird der neue Landtag gewählt.
Was konkret zu tun ist, zeigt die vbw im Programm „12 für 5“ auf, das vbw-Präsident Hatz vorgestellt hat. „Wenn sich die künftige Staatsregierung – aber auch die Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel – an unseren Forderungen orientieren, haben wir allen Grund, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.“
Die zwölf Punkte im Einzelnen:
1. Sichere und preiswerte Energie für Bayern ermöglichen
Die Strompreise in Deutschland gehören zu den höchsten weltweit. Alle Waren, die die Industrie produziert, sind allein aufgrund höherer Energiekosten teurer: ein Nachteil im Wettbewerb! Der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien hilft, die Kosten zu senken. Gleichzeitig muss die Wasserstoffwirtschaft aufgebaut werden, etwa um Erdgas zu ersetzen.
2. Absatzmärkte, Lieferketten und Rohstoffe sichern
Wie anfällig unser bisheriges Lieferkettenmodell ist, hat etwa die Coronapandemie gezeigt, als monatelang keine Vorprodukte oder Rohstoffe aus China kamen. Auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat unsere Abhängigkeit etwa von russischem Gas gezeigt. Hier müssen wir gegensteuern – und zwar nicht, indem wir uns im eigenen Land abschotten, sondern indem wir uns international neue Märkte sichern und gleichzeitig heimische Rohstofflagerstätten besser nutzen, Recyclingkonzepte etablieren und die Kreislaufwirtschaft vorantreiben.
3. Mehr Arbeits- und Fachkräfte gewinnen
Einerseits kommen durch den demografischen Wandel weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt, als in Rente gehen. Andererseits werden für Digitalisierung und Dekarbonisierung neue Fertigkeiten gebraucht. Wichtig ist, für Arbeits- und Fachkräfte zu sorgen: beispielsweise vorhandenes Erwerbspotenzial nutzen und ausbauen oder den Freistaat für ausländische Fachkräfte attraktiv machen.
4. Beste Bildung gewährleisten
Bayern muss weiterhin Spitzenplätze im Bildungswesen belegen. Zusätzlich müssen Schüler noch passgenauer individuell gefördert und gezielt auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Dadurch lassen sich Abbrecherquoten senken.
5. Verkehrsinfrastruktur flächendeckend ausbauen
Von A nach B zu kommen: Das ist sowohl für reisende Menschen als auch Produkte und Warenlieferungen in unserer vernetzten Welt entscheidend. Dafür muss die Infrastruktur stimmen – sei es auf der Straße, der Schiene, dem Wasser oder in der Luft. Wichtig ist, dass hier global und ineinandergreifend gedacht wird: Es muss in Zukunft einfacher sein, verschiedene Verkehrsmittel miteinander zu verknüpfen.
6. Breitband- und Mobilfunknetze voranbringen, Digitalisierung verstärken
Es ist zwar schon viel geschehen, aber Bayern muss weiterhin daran arbeiten, das digitale Netz sowohl mit Breitband- als auch Mobilfunkverbindungen auszubauen. Die Digitalisierung ist ein entscheidender Standortfaktor. Dafür brauchen wir stabile Netze. Das heißt auch, in der Gesellschaft für mehr Akzeptanz etwa beim Bau von Mobilfunkmasten zu werben.
7. Bayern entbürokratisieren, Verwaltung beschleunigen
Digitalisierung ermöglicht uns, viele Dinge zu vereinfachen und bürokratische Hemmnisse etwa bei Behördenangelegenheiten abzuschaffen. Das muss konsequent vorangetrieben werden.
8. Wohnraum schaffen
Gestiegene Baupreise, höhere Finanzierungskosten und harte energetische Auflagen machen das Bauen auch für Investoren unattraktiv. Es fehlt bezahlbarer Wohnraum. Um hier gegenzusteuern, müssen attraktive Förderprogramme her sowie effizientere Planung.
9. Gesundes Bayern bewahren
Bayern ist stark als Region für Reha-Einrichtungen. Hier muss man aufsetzen und auch eine gute Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum weiter gewährleisten, etwa durch Anreize zur Ansiedlung von (Fach-)Ärzten, Erhaltung der Krankenhausversorgung und Gewährleistung von Pflegeversorgung.
10. Vielfalt der bayerischen Wirtschaftsstruktur erhalten
Der Wohlstand im Freistaat beruht auf drei kräftigen Säulen: einer starken Industrie, einem starken Dienstleistungssektor und einem starken Handwerk. Hinzu kommt ein gesunder Mix aus kleinen und großen Unternehmen – egal, ob in der Stadt oder auf dem Land. Dies gilt es zu bewahren, indem die Transformation der Wirtschaft und der Strukturwandel so angegangen werden, dass jeder mitkommt.
11. Technologische Chance nutzen
Künstliche Intelligenz, XR-Technologien, Robotik: Diese Technologien spielen in immer mehr Bereichen eine entscheidende Rolle, wenn es um Wettbewerbsvorteile geht. Bei innovativen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitstechnologien ist Bayern stark. Damit das so bleibt, muss weiterhin Forschung und Entwicklung gefördert werden. Neben den richtigen Rahmenbedingungen dafür gilt es aber auch, gezielt die Ansiedlung von Firmen in Zukunftsbranchen zu fördern.
12. Für ein starkes Bayern in Berlin und Brüssel sorgen
Bayern agiert nicht alleine. Viele Gesetze, die den Freistaat betreffen, entstehen in Berlin oder auf europäischer Ebene in Brüssel. Auch dort müssen die richtigen Weichen gestellt werden für eine gute Standortpolitik. Dabei hilft es, wenn Bayern in entsprechenden Gremien gut vernetzt ist und seinen Einfluss geltend macht.
Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.
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