Aalen/Neuhausen/Geislingen/Ditzingen. Brexit. Corona. Materialengpässe. Und natürlich das Dauerthema: Transformation. Deutschlands Schlüsselindustrie Metall und Elektro hat nicht nur eine Herausforderung zu bewältigen. „Schon ab Mitte 2019 hat es uns getroffen“, sagt etwa Hans Krauss, Personalleiter bei Mapal in Aalen, einem Spezialisten für Werkzeuge zur Metallbearbeitung. „Diese Krise war für uns völlig neu. Dass der Auftragseingang so stark schwankt, das haben wir zuvor noch nie erlebt.“

So wie Mapal geht es vielen Unternehmen: Seit mehr als zwei Jahren geht es bei Auftragseingang und Produktion mächtig auf und ab. In den Belegschaften wechseln die Gefühle zwischen Bangen und Hoffen. Und wann die unfreiwillige Achterbahnfahrt endlich zu Ende geht, kann niemand so genau sagen.

Was trotzdem klar zu beobachten ist: Die Unternehmen halten so viele Beschäftigte wie möglich an Bord. Der Arbeitsmarkt ist robust, vor allem dank der Kurzarbeit. Im Dezember gab es im Südwesten sogar ein Fünftel weniger Arbeitslose als ein Jahr zuvor. aktiv hat in Unternehmen nachgefragt: Wie schafft ihr es, mit den enormen Schwankungen zurechtzukommen?

Mapal-Mitarbeiter wechseln bei Bedarf die Abteilung

Bei Mapal herrschte zehn der zwölf Monate des Jahres 2020 Kurzarbeit, fast alle Mitarbeiter waren betroffen. Zudem wurden Zeitkonten abgebaut. Daneben hat sich bei Mapal ein weiteres Instrument bewährt: Bei unterschiedlicher Auslastung von Fertigungsbereichen werden Mitarbeiter ihren Qualifikationen entsprechend an anderen Arbeitsplätzen eingesetzt. „Das macht uns viel flexibler, und die Mitarbeiter können sich zusätzliche Fachkenntnisse aneignen und persönlich weiterentwickeln“, schildert Personalleiter Krauss.

Der Umsatz war im Jahr 2020 um fast ein Drittel eingebrochen. Erstmals in der Unternehmensgeschichte musste Mapal damals zwar die Zahl der Beschäftigten verringern, aber in weit weniger großem Ausmaß. Heute beschäftigt die Unternehmensgruppe noch 5.000 Menschen, davon etwa 1.700 in Aalen. „Wenn der Aufschwung richtig kommt, brauchen wir unsere Leute ja wieder“, sagt Krauss, „deshalb versuchen wir, so viele Beschäftigte wie möglich über die Krise zu halten.“ Dabei könne auch die Politik helfen, betont der Personaler: „Wir brauchen vor allem dringend einen Bürokratie-Abbau.“ Denn der hohe Verwaltungsaufwand verteuere die hohen Arbeitskosten zusätzlich. „Dienstreiseformulare, Lieferkettengesetz, Datenschutz-Grundverordnung: Um Vorschriften zu erfüllen, müssen in Unternehmen wie unserem teilweise ganze Abteilungen neu geschaffen werden“, verdeutlicht Krauss. Das verteure letztlich jeden einzelnen Arbeitsplatz am Standort Deutschland.

Bei Balluff helfen Teilzeitmodelle durch die Krise

Auch beim Automatisierungsspezialisten Balluff aus Neuhausen auf den Fildern verlangen die Auftragsschwankungen den Beschäftigten einiges ab. „2019 und 2020 gingen die Aufträge im zweistelligen Bereich zurück – genauso steil ging es dann 2021 wieder nach oben“, berichtet Personalleiter Michael Weinfurter. „Das erfordert unglaubliche Anstrengungen in Sachen Flexibilität.“

Neben Kurzarbeit und Gleitzeitkonten nutzt man bei Balluff zum Beispiel Teilzeit. „Als Familienunternehmen ermöglichen wir unseren Mitarbeitern viele individuelle Teilzeitangebote, die zu ihren Bedürfnissen passen. In der Krise haben wir dazu auch kurzfristige Möglichkeiten ausgelotet. Davon profitieren beide Seiten“, erklärt Weinfurter. Eine weitere intelligente Lösung half speziell Auszubildenden und dual Studierenden: Ihnen wurden Stipendienprogramme angeboten.

Auch das mobile Arbeiten wird hier als Kriseninstrument genutzt, denn: „Wir sind viel flexibler, wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel einen Kunden oder Kollegen in den USA abends auch einfach von zu Hause aus beraten und dafür etwa vormittags seine Kinder betreuen kann.“ Eine bereits abgeschlossene und zukunftsorientierte Betriebsvereinbarung macht mobiles Arbeiten leichter und flexibler.

Weinfurter erhofft sich von der Politik vor allem mehr Flexibilisierungsmöglichkeiten bei den Arbeitszeiten. „Das Korsett durch die Gesetze ist sehr eng, wir brauchen mehr Spielraum, um Arbeitsplätze besser sichern zu können“, sagt er. Balluff beschäftigt momentan weltweit rund 3.600 Mitarbeiter. Am Hauptsitz arbeiten etwa 1.000, vor allem in Entwicklung, Administration und Logistik. Die Produktion am Standort Neuhausen hatte Balluff bereits zu Beginn der Rezession verlagern müssen, weil der Kostendruck zu stark geworden war.

WMF setzt auf neue Geschäftsfelder und optimierte Produktion

Die coronabedingten Schließungen von Hotels und Gaststätten weltweit haben WMF als Produzenten von Kaffeeautomaten herausgefordert. 2021 kam die Erholung im Bereich professionelle Kaffeemaschinen erst in der zweiten Jahreshälfte wieder in Gang. Trotzdem konnte WMF Entlassungen abwenden – mit einem Mix aus verschiedenen Instrumenten. „Die Corona-Pandemie hat uns wie viele andere Unternehmen getroffen, aber wir lassen uns davon nicht unterkriegen“, sagt CEO Oliver Kastalio.

Einige Stellen, bei denen es die gewöhnliche Fluktuation gab, wurden nicht wieder besetzt. Im Consumer-Bereich gelang es, die Umsatzrückgänge durch den E-Commerce auszugleichen. Kurzarbeit wurde auch eingesetzt, wo es denn notwendig war: beispielsweise während der Lockdowns in den WMF-Filialen oder auch in der Produktion, wenn es Lieferengpässe gab. Diese gibt es übrigens immer noch: im Bereich der Elektronikteile für professionelle Kaffeemaschinen.

Während der Pandemie hat WMF neue Strategien entwickelt, um die einzelnen Geschäftsbereiche Consumer, professionelle Kaffeemaschinen und die Hotelsparte langfristig zukunftsorientiert aufzustellen und die internen Prozesse zu verschlanken. Als wichtige Innovation will WMF in diesem Jahr neue Kaffeevollautomaten für den privaten Gebrauch auf den Markt bringen. Schon zuvor wurde an mehreren Stellschrauben gedreht, um die Produktionsstandorte zu verbessern: „Wir haben bereits vor Jahren eine Methodik entwickelt, um Produktivität, Qualität und Durchlaufzeiten zu optimieren“, berichtet Kastalio.

Zwar werden bestimmte Bauteile, die sich in Hochlohnländern wie Deutschland nicht mehr wirtschaftlich fertigen lassen, in Tschechien produziert. Aber an den baden-württembergischen Standorten hält WMF prinzipiell fest, hier werden die Spitzenprodukte hergestellt. Aktuell beschäftigt WMF im Südwesten rund 3.000 Mitarbeiter – und stellt auch wieder ein: zum Beispiel IT-Fachkräfte in Geislingen.

Trumpf führt ein „Konjunkturkonto“ ein

Mehr als die Hälfte der weltweit über 15.000 Trumpf-Arbeitsplätze sind in Deutschland, die allermeisten in Baden-Württemberg. Kurzarbeit benötigt der Maschinenhersteller seit gut einem Jahr nicht mehr. 2021 konnte Trumpf sogar einen Rekord beim Auftragseingang verbuchen. Wie weit der zu Umsatz gemacht werden kann, hängt allerdings von der Versorgung mit Chips und anderen Vorprodukten ab. Die Engpässe werden sich voraussichtlich noch bis Ende 2022 hinziehen. Firmenchefin Nicola Leibinger-Kammüller zeigte sich daher bei der Vorstellung der letzten Geschäftsjahresbilanz nur sehr vorsichtig optimistisch, „zumal uns Corona ebenso wie die Situation bei den Chips täglich vor Augen führen, dass sich die Dinge schlagartig ändern können“.

Um das Unternehmen für Schwankungen und Krisen noch besser zu wappnen, haben sich Geschäftsleitung und Betriebsrat auf ein neues Bündnis für Arbeit für die Standorte Ditzingen, Gerlingen und Hettingen verständigt. Seit 1. Januar 2022 gilt: Mobiles Arbeiten wird flexibler gehandhabt. Auch die Arbeitszeitkonten werden flexibler: Überzeiten werden hälftig auf ein sogenanntes Konjunkturkonto und auf ein Mitarbeiterkonto eingebracht. Das Konjunkturkonto steht als Sicherheit für konjunkturelle Schwankungen bereit, die Zeiten auf dem Mitarbeiterkonto können in Freizeit oder teilweise in Geld umgewandelt werden. Vereinfacht heißt das: Die Mitarbeiter arbeiten bei Hochkonjunktur mehr, in Flauten- oder Krisenzeiten weniger. Damit will Trumpf auf Schwankungen reagieren können – auch ohne Kurzarbeit und ohne Stellenabbau. Bis 2024 schließt der Maschinenbauer betriebsbedingte Kündigungen aus.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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