Köln. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Damit dieses Ziel aus dem Klimaschutzgesetz erreicht werden kann, müssen Genehmigungsverfahren massiv beschleunigt werden. aktiv sprach mit Thilo Schaefer, Leiter des Kompetenzfelds Umwelt, Energie, Infrastruktur beim Institut der deutschen Wirtschaft.
Steht unsere Bürokratie bei der Energiewende im Weg?
Die erneuerbaren Energien müssen in den kommenden Jahren stark ausgebaut werden, und das bei steigendem Strombedarf. Vom Antrag bis zum Betrieb eines Windrads zum Beispiel vergehen aber mehrere Jahre. Das liegt zum einen daran, dass die Behörden nicht gut genug ausgestattet sind. Dort muss fachkundiges Personal aufgestockt werden. Zum anderen sind die Verfahren unnötig kompliziert. Es gibt zu viele Schleifen. Die halten auch die Transformation in der Industrie auf. Denken Sie zum Beispiel an die energie- intensive Stahl-Industrie, die beim Umstellen auf eine klimafreundlichere Produktion grünen Wasserstoff benötigt.
Bei Genehmigungen müssen ja auch die Folgen für die Umwelt geprüft werden. Und Bürger haben Einspruchsrechte. Soll die Regierung die etwa abschaffen?
Nein. Bürgerbeteiligung und die Prüfung der Umweltschutzfragen könnte man aber in einer Genehmigungsschleife bündeln. Die Zeiträume für Klage- und Einspruchsfristen müssen verkürzt werden, damit sie ein Projekt nicht auf Jahre verzögern. Im Koalitionsvertrag steht ja, dass bei Abwägungen der Ausbau der Erneuerbaren Priorität hat. Das ist eine Richtungsentscheidung.
In Ihrer Studie sagen Sie, dass mehr Tempo beim Klimaschutz Wachstum und Wohlstand bringt. Wie geht das?
Bei schnelleren Genehmigungsverfahren können Unternehmen schneller loslegen. Je länger all das aber dauert, desto später wird Geld verdient. In der Chemie-Industrie zum Beispiel geht die Entwicklung neuer Stoffe oft zügiger als die Anmeldeprozesse. Das ist ein Nachteil im Wettbewerb mit anderen Ländern. Zu lange dauert in Deutschland aber auch die Unternehmensgründung.
Unternehmensgründung? Das müssen Sie uns mal erklären …
Nehmen Sie ein Start-up für klimafreundlichere Produktionsverfahren: In Deutschland dauert es im Durchschnitt acht Tage, bis ein neu gegründetes Unternehmen seine Geschäftstätigkeit aufnehmen kann. In den USA dauert das nur gut vier Tage. Würde in Deutschland die Zeit für eine solche Unternehmensgründung von acht auf sieben Tage reduziert, könnte das die jährliche Wirtschaftsleistung um gut 6 Milliarden Euro erhöhen.
Was erwarten Sie denn jetzt von der Ampel-Koalition?
Die neue Bundesregierung muss jetzt liefern und die Weichen dafür stellen, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren schneller abgeschlossen werden. Darin liegt der Schlüssel zum Erfolg, dass Deutschland den ambitionierten Zeitplan einhalten und seine Klimaziele erreichen kann.
Thomas Goldau schreibt bei aktiv vor allem über Wirtschafts- und Politikthemen. Nach dem Politikstudium an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg und einem Zeitungsvolontariat beim „Offenburger Tageblatt“ hat er bei Tageszeitungen und einem Wirtschaftsmagazin über den Politikbetrieb in Bonn, Berlin und Brüssel berichtet. Privat zieht es den Familienvater regelmäßig mit dem Wohnmobil in die Ferne.
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