Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer in Deutschland ist automatisch in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, wenn sie oder er an seinem Arbeitsplatz einen Arbeitsunfall hat. Heutzutage arbeiten viele Beschäftigte aber nicht mehr ausschließlich an ihrem betrieblichen Arbeitsplatz, sondern ganz oder zeitweise vom Homeoffice aus. Was gilt dann? Ronald Hecke, Experte bei der DGUV, weiß Antworten auf die wichtigsten Fragen.
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Herr Hecke, ist man im Homeoffice überhaupt in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert?
Bei der mobilen Arbeit im Homeoffice standen Arbeitnehmer schon immer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Und seit dem Inkrafttreten des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes am 18. Juni 2021 wurde der Versicherungsschutz für die Arbeit im Homeoffice praktisch gleichgestellt. Dadurch macht es inzwischen keinen Unterschied mehr, ob man am betrieblichen Arbeitsplatz oder im Homeoffice arbeitet.
Welche Tätigkeiten sind versichert?
Wie im Unternehmen sind auch im Homeoffice ausschließlich dienstliche Tätigkeiten versichert, private dagegen nicht. Selbst wenn man ausschließlich im Homeoffice arbeitet, ist man also nur versichert, wenn man beispielsweise am Computer arbeitet oder dienstlich telefoniert, aber nicht, wenn man zum Beispiel das Mittagessen für die Kinder zubereitet.
Was ist bei Tätigkeiten, die teils beruflich, teils privat sind?
Bei der Arbeit im Homeoffice mischen sich private und dienstliche Tätigkeiten häufig stärker, als es im Unternehmen der Fall wäre. Dabei handelt es sich um sogenannte gemischte Tätigkeiten. Ein typisches Beispiel wäre, dass die Kinder angelaufen kommen und auf den Schoß des Vaters klettern, der gerade am Computer arbeitet. Fällt der Vater dabei so unglücklich vom Stuhl, dass er sich verletzt, muss im Einzelfall geprüft werden, was letztlich die Unfallursache war.
Haben die Kinder den Vater aus dem Gleichgewicht gebracht, wäre die Ursache des Unfalls nicht dienstlich, sondern privat und der Schaden wäre nicht über die gesetzliche Unfallversicherung versichert. Ist der Vater dagegen so unglücklich gestürzt, weil er zum klingelnden Diensthandy griff, wäre die dienstliche Tätigkeit die Unfallursache und damit wäre er versichert. In solchen Fällen kommt es allerdings immer auf die Details an, sodass dies nur im Einzelfall entschieden werden kann.
Was gilt bei Wegen im Homeoffice?
Früher waren nur dienstliche Wege im Homeoffice versichert, etwa der Weg zur Haustür, wenn der Paketbote klingelte, um dienstliche Unterlagen vorbeizubringen. Nicht versichert waren jedoch der Gang zur Toilette oder der Weg in die Küche, um sich beispielsweise einen Kaffee oder etwas zu Essen zu holen. Das ist jetzt anders, seit 2021 sind die Wege im Unternehmen und im Homeoffice rechtlich gleichgestellt. Gut zu wissen: Wie auch am Arbeitsplatz im Unternehmen gelten das eigentliche Essen, Trinken oder der Toilettengang als private Tätigkeiten, die nicht vom Versicherungsschutz abgedeckt sind. Der erstmalige unmittelbare morgendliche Weg an den häuslichen Arbeitsplatz ist nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts versichert (Urteil vom 8.12.21, Aktenzeichen B 2 U 4/21 R). In diesem Fall war der Arbeitnehmer direkt aus dem Bett in das eine Etage tiefer gelegene Homeoffice gegangen und auf der Treppe gestürzt.
Wer allerdings vor der Arbeit erst einmal duscht, frühstückt und die Küche aufräumt, ist in dieser Zeit nicht versichert. Was in solchen Fällen als versicherter Arbeitsweg gilt, hat das Gericht offengelassen. Auch wenn man in den Keller geht, um den WLAN-Router zu überprüfen, weil die für den Job notwendige Internetverbindung klemmt, ist der Kellergang dienstlich veranlasst und damit besteht Versicherungsschutz. Bei manchen Wegen ist es aber nicht offensichtlich, ob sie eher dienstlich oder eher privat veranlasst sind. Hier kommt es auf den Einzelfall an und dies wird von der Unfallversicherung individuell bewertet und entschieden.
Was gilt in Sachen Versicherungsschutz etwa bei morgendlichen Fahrten der Kinder zur Kita?
Bekanntlich sind Arbeitnehmer versichert, wenn sie auf dem unmittelbaren Weg an ihren Arbeitsplatz einen Umweg machen, um ihre Kinder zur Kita zu bringen oder dort abzuholen. Im Homeoffice hat man keinen solchen Arbeitsweg, deshalb gibt es hier eine Besonderheit: Wer im Homeoffice arbeitet, ist auf dem gesamten Weg zwischen Wohnung und Kita versichert. Voraussetzung ist allerdings, dass man die unmittelbare Route wählt und keinerlei private Umwege macht. Wenn man beispielsweise zuerst einkaufen geht, dann das Kind zur Kita bringt und anschließend noch beim Bäcker vorbeifährt, hat man auf den privaten Umwegen keinen Schutz.
Wichtig außerdem: Der Weg zur Kita muss in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeit im Homeoffice stehen. Wer also das Kind zur Kita bringt, dann zum Friseur geht, anschließend eine Freundin besucht, das Kind danach wieder abholt und anschließend gemeinsam mit dem Kind einkaufen geht, hätte also keinen Schutz, weil der Weg zur Kita dann ja keinerlei Zusammenhang mit der Arbeit im Homeoffice hatte. Egal, ob man am häuslichen Arbeitsplatz arbeitet oder im Unternehmen: Versichert ist nur der eigentliche Weg bis zur Außentür des Kita-Gebäudes, nicht jedoch das Betreten und der Aufenthalt vor Ort, beispielsweise wenn man etwas mit der Erzieherin besprechen will.
Was gilt bei mobilem Arbeiten?
Manche Arbeitnehmer arbeiten nicht nur zu Hause, sondern auch woanders – beispielsweise im Café, bei Freunden, im Hotel oder während der Bereitschaftszeiten der Feuerwehr. Beim mobilen Arbeiten gelten grundsätzlich dieselben Regelungen wie im Homeoffice. Auch in diesem Fall sind folglich dienstliche Tätigkeiten und Wege versichert, private dagegen nicht. Dabei kommt es jedoch sehr auf die genauen Umstände an, sodass immer im Einzelfall geprüft werden muss, ob Versicherungsschutz besteht.
Wann muss man nach einem Arbeitsunfall zu einem Durchgangsarzt?
Ist die Verletzung nach einem Arbeits- oder Wegeunfall so schwer, dass eine medizinische Versorgung nötig ist, müssen Beschäftigte einen Durchgangsarzt aufsuchen. Das gilt insbesondere, wenn die Unfallverletzung über den Unfalltag hinaus zur Arbeitsunfähigkeit führt, die ärztliche Behandlung voraussichtlich über eine Woche dauert oder wenn es sich um eine Wiedererkrankung aufgrund von Unfallfolgen handelt.
Wo der nächste Durchgangsarzt ist, lässt sich online ermitteln. Im Einzelfall kann auch der Hausarzt, insbesondere zur medizinischen Erstversorgung, aufgesucht werden. Diese müssen die Versicherten dann aber zur weiteren Behandlung an einen Durchgangsarzt überweisen.
Es spielt übrigens keine Rolle, ob die Beschäftigten im Betrieb vor Ort arbeiten oder ob der Unfall im Homeoffice passiert ist.
Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.
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