Herxheim/Köln. Wenn morgens um kurz vor acht Uhr bei Martin Hetzler das Telefon klingelt, nimmt er nur ungern den Hörer ab. Denn: „Es gibt Tage, da sagt der Tüv dann mal wieder kurzfristig Prüfungstermine ab.“ Hetzler ist Fahrschulinhaber in Herxheim bei Landau. Und wenn der Tüv absagt, heißt es nur: „Beantragen Sie bitte neue Prüfungstermine“ – aber das kann dauern! Auf diese Termine warten allein bei ihm derzeit mehr als 100 prüfungsbereite Fahrschüler.
Hetzler beschäftigt 15 Fahrlehrer, die regelmäßig auch auf den Lkw-Schein schulen. Ende Oktober hat er beim Tüv Termine für die praktische Führerscheinprüfung beantragt – und sie für Mitte Dezember erhalten. „Sechs bis acht Wochen Wartezeit sind mittlerweile normal“, sagt er, „früher waren es etwa zwei Wochen.“
Die praktische Prüfung dauert länger als früher
Kurzfristig abgesagte Termine, lange Wartezeiten, Frust bei den meist jungen Prüflingen: Vom Norden bis in den Süden der Republik stecken Fahrschüler und Fahrlehrer im Prüfungsstau!
In NRW etwa, wo bundesweit die meisten Prüfungen gefahren werden, wurden von Januar bis September 2022 fast 115.000 praktische Prüfungen abgenommen. Gleichzeitig fielen nach Angabe des Marktführers Tüv Rheinland aber auch 11.000 Termine aus, die alle neu organisiert werden mussten. Wichtigster Grund: Corona-Erkrankungen eines Prüfungsbeteiligten, meistens also der Prüfer.
Dass die Pandemie allein Schuld an der Misere hat, wollen die bundesweit etwa 20.000 Fahrlehrer nicht ganz glauben. Norbert Wagner zum Beispiel, der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands in Rheinland-Pfalz, sagt: „Wie viele meiner Kollegen habe ich den Eindruck, dass einfach Prüfer fehlen und der Tüv schlichtweg ein Nachwuchsproblem hat – nicht erst seit Corona.“
Hinzu kommt, dass die praktische Prüfung seit Anfang 2021 länger dauert: 55 statt zuvor 45 Minuten. Pro Prüfungstag sind so nur noch acht statt zehn Prüfungsfahrten möglich.
„Das alles macht den Führerschein zu einem noch kostspieligeren Unterfangen“, so Wagner. Eine Fahrstunde kostet derzeit laut ADAC zwischen 55 und 70 Euro. Zwölf Sonderfahrten sind verbindlich vorgeschrieben. Wie viele Stunden es tatsächlich werden, hänge von der Leistungsfähigkeit des Prüflings ab – und eben vom Prüfungstermin, weiß Fahrlehrer Hetzler: „Um während der wochenlangen Wartezeit prüfungsfit zu bleiben, sind weiterhin ein bis drei Fahrstunden pro Woche notwendig.“ Damit wird die Sache für die Fahranfänger teurer
Um während der wochenlangen Wartezeit prüfungsfit zu bleiben, sind weiterhin ein bis drei Fahrstunden pro Woche notwendig.“
Fahrlehrer Martin Hetzler
„Für uns als Fahrschule hingegen brechen letztlich Einnahmen weg, zugleich wird die Einsatzplanung der Fahrlehrer und die Prüfungsplanung immer schwieriger.“ Mittlerweile würden manche Fahrschulen schon intern umsteuern, damit sich die prüfungsbereiten Schüler nicht weiter aufstauen.
Termine am Samstag sollen Entlastung bringen
Entspannung sollen jetzt zusätzliche Fahrprüfungen an Samstagen bringen. Seit Ende Oktober bieten der Tüv Rheinland und der Tüv Nord zusätzliche Termine an diesem Tag an, auch im Süden gibt es schon Samstagsprüfungen. Und zumindest die derzeit 208 Fahrprüfer beim Tüv Rheinland sollen Verstärkung aus den eigenen Reihen erhalten – von reaktivierten Rentnern und auch von Kollegen aus dem Bereich der Hauptuntersuchung für Fahrzeuge.
Auf dem Arbeitsmarkt schnell ganz neue Kollegen zu finden – das ist laut Tüv schwierig: „Da der Beruf spezielle Anforderungen voraussetzt, ist es wie in vielen hoch qualifizierten Berufen in Deutschland schwierig, extern neue Mitarbeitende zu gewinnen.“
Die Misere der Fahrschüler: ein aktuelles Beispiel dafür, wie der Fachkräftemangel an immer neuen Stellen üble Konsequenzen hat.
Zu viele Knöllchen: Lappen weg
Wer regelmäßig falsch parkt und manchmal zu schnell fährt, kann deswegen den Führerschein verlieren. In dem Fall machte ein routinierter Autofahrer innerhalb nur eines Jahres 159 dokumentierte Parkverstöße plus 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen. Angesichts der „Anzahl der für sich genommen unbedeutenden Verstöße“ ist der Mann laut Verwaltungsgericht Berlin „zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet“ (28. 10. 22, VG 4 K 456/21).
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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