Tempomat, Müdigkeitswarner, Notbremsassistent: Wer demnächst ein neues Auto kauft, bekommt eine Menge schlaue Technik automatisch obendrauf. Laut einer EU-Verordnung  müssen ab dem 7. Juli 2024 sämtliche neu zugelassenen Pkws mit einer Reihe Fahr- beziehungsweise Fahrerassistenzsysteme ausgestattet sein. Michael Gebhardt vom ADAC erklärt, was die elektronischen Helfer leisten und in welche Richtung sich die Autos der Zukunft entwickeln.

Welche Fahrerassistenzsysteme bekommen Neuwagenkäufer geboten?

Diverse Sicherheitsfunktionen, ohne die kein Neuwagen mehr verkauft werden darf. Hier die Übersicht der wichtigsten Systeme:

  • „Intelligent Speed Adaption“-System, kurz ISA: „Der Fahrer muss optisch, akustisch oder haptisch vor einer Geschwindigkeitsübertretung gewarnt werden“, sagt ADAC-Sprecher Gebhardt. Das aktuelle Tempolimit wird über Kameras ermittelt, die Verkehrszeichen erkennen oder über Daten des Navigationsgeräts. Wahlweise werden die Informationen online abgefragt. „In der Regel kombinieren die Hersteller die Systeme“, so Gebhardt. Ist eine Geschwindigkeitsübertretung zu erwarten, warnt das Fahrzeug mit einem Piepton oder einer Anzeige auf dem Bildschirm. Alternativ schlägt das Gaspedal kurz gegen den Fuß. Das System startet bei jedem Neustart neu, kann aber bei Bedarf ausgeschaltet werden.
  • Rückfahrassistenzsystem: Meistens überwachen Kameras den rückwärtigen Bereich des Fahrzeugs. Ein akustisches Signal warnt, wenn sich Objekte oder Menschen in der Nähe befinden. Der ADAC findet die Einführung richtig: „Die Autos werden immer unübersichtlicher, die Rundumsicht leidet“, sagt Gebhardt. 
  • Notbremsassistenzsystem: In Gefahrensituationen bremst das Auto selbstständig, wenn der Fahrer nicht ausreichend reagiert. „Das ist ein wichtiger Schritt, um Verkehrsunfälle oder Unfallfolgen zu reduzieren“, sagt Experte Gebhardt. Das System arbeitet ebenfalls mit Kamera- oder Radartechnik und muss ab dem 7. Juli vorerst nur fremde Fahrzeuge als Gefahrenquelle erkennen. Ab Juli 2026 müssen neu zugelassene Fahrzeuge dann auch Fußgänger und Radfahrer registrieren können. Auch diese Funktion kann ausgeschaltet werden, muss aber bei jedem Neustart des Fahrzeugs zunächst in Betrieb sein.  
  • Notbremslicht: Bei einem starken Bremsvorgang leuchten die Bremslichter heller oder blinken. Nachfolgende Fahrer werden so besser gewarnt.
  • Notfall-Spurhalteassistent: Müdigkeit oder Ablenkung lässt viele Autofahrer von der Fahrbahn abkommen. Ist dies zu erwarten, wird der Notfall-Spurhalteassistent aktiv. Entweder warnt er den Fahrer akustisch oder er greift sogar in die Lenkung ein. Das System funktioniert aber erst ab einer Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometern und benötigt als Orientierung Fahrbahn-Markierungen. Der ADAC schätzt, dass allein durch diese Funktion Tausende Verkehrstote und Schwerverletzte vermieden werden können. Allerdings kann auch dieser Assistent vom Fahrer deaktiviert werden.
  • Blackbox: Der „Event Data Recorder“ (EDR) zeichnet ähnlich wie eine Blackbox im Flugzeug Fahrzeugdaten während eines Unfalls auf, aber auch kurz davor und danach. Gespeichert werden auf dem Chip, der meistens Teil des Airbag-Steuergeräts ist, unter anderem das Bremsverhalten, der Anschnallstatus oder die Lage des Fahrzeugs. Aktiviert wird der EDR, wenn sich die Geschwindigkeit innerhalb von 150 Millisekunden um mehr als acht Stundenkilometer verändert oder beim Auslösen von Gurtstraffern. Laut ADAC gehören die Daten grundsätzlich dem Fahrer beziehungsweise dem Halter und werden nicht an Dritte weitergegeben. Es sei denn, ein Gutachter darf sie bei gerichtlichen Streitfällen auf richterlichen Beschluss auslesen, um den Hergang eines Unfalls zu klären.
  • Warnsystem bei Müdigkeit: Aus der Analyse verschiedener Daten zieht das System Rückschlüsse auf die Wachsamkeit des Fahrers. Bewertet werden etwa das Lenk- oder Blinkverhalten in Kombination mit der Geschwindigkeit und der Tageszeit. Gewarnt wird der Fahrer mit einem Symbol im Display, einem akustischen Signal oder einer Vibration im Lenkrad. „Manchmal gibt es auch Kameras am Rückspiegel, die etwa häufiges Gähnen registrieren“, sagt Gebhardt. Die Weitergabe und Speicherung der Daten sei gesetzlich verboten, so der Automobilklub. Doch werde es zukünftig womöglich Begehrlichkeiten geben, zur Unfallaufklärung auf die Daten dieser Systeme zuzugreifen.
  • Vorrichtung zum Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre: Ebenfalls ab dem 7. Juli müssen Fahrzeuge mit einer Schnittstelle ausgerüstet sein, an der Alkoholmessgeräte angeschlossen werden können. Denkbar ist laut ADAC-Mann Gebhardt eine Regelung, die eines Tages einen Alkoholtest erforderlich macht, bevor das Auto gestartet werden kann. Da es diese Regelung aber noch nicht gibt, hält der ADAC auch die Vorrichtung für Messgeräte zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht für notwendig. 

Womit sind Fahrzeuge bereits ausgestattet?

Einige Assistenzsysteme sind schon seit Längerem in jedem Auto verbaut. Seit 2004 etwa das Antiblockiersystem ABS, seit 2014 die „Elektronische Stabilitätskontrolle“ (ESP), die einzelnen Räder ausbremst, um das Ausbrechen des Fahrzeugs zu verhindern. Auch ein Sicherheitsgurt-Warnsystem muss sich in jedem Pkw befinden.

Welche Kritikpunkte gibt es?

Grundsätzlich könnten die Systeme die Verkehrssicherheit erhöhen, so der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). „Die Systeme funktionieren jedoch nicht immer so, wie sie sollen“, sagt Dominik Lutter, technischer Referent beim ZDK. Messe etwa ein Radarsensor nicht korrekt, drohten Auffahrunfälle oder ungerechtfertigte Vollbremsungen. Laut ZDK fallen Systeme zuweilen auch bei Regen oder Schnee aus. Fahrer müssten für die Anfälligkeit der Technik besser sensibilisiert werden, fordert Lutter: „Viele verlassen sich einfach auf das System.“ Wenig bekannt sei auch, dass die Qualität der Reifen eine große Rolle spiele: „Wenn der Reifen schlecht ist, bringt Ihnen der beste Notbremsassistent nichts.“ Weiterhin bemängelt der Verband, dass Assistenzsysteme bei der Hauptuntersuchung nicht ausreichend überprüft würden. Hier werde lediglich festgestellt, ob ein System funktioniere oder nicht.

„Es piept immer öfter, es sei denn, Sie fahren immer anständig“, stellt Gebhardt vom ADAC fest. Auch Fehlalarme seien im Cockpit nicht auszuschließen. Sie müssten jedoch die Ausnahme bleiben: „Ständiges Piepen und Blinken führt dazu, dass wichtige Sicherheitssysteme einfach ausgeschaltet werden.“ Und das sei natürlich nicht sinnvoll. Zudem fordert der ADAC, dass die Pkw-Preise durch die Einführung der neuen Technik nicht allzu stark steigen. Nicht zuletzt weist der Klub darauf hin, dass die Hersteller alle Datenschutzregeln einhalten müssen und gesammelte Daten nicht an Dritte weitergeben dürfen.

Wie entwickelt sich das Fahren in Zukunft?

Schon jetzt sind einige Oberklasse-Fahrzeuge in der Lage, bei 60 Stundenkilometern automatisiert zu fahren. „Auf der Autobahn kann das Steuer in bestimmten Bereichen aus der Hand gegeben werden“, sagt Gebhardt. Das automatisierte und teilautonome Fahren werde sich bald auch in den unteren Klassen durchsetzen, vermutet der Experte. Die Herausforderung der Zukunft bestehe in der Verknüpfung aller bestehenden Assistenzsysteme. 

Tobias Christ
Autor

Nach seinem Germanistik-Studium in Siegen und Köln arbeitete Tobias Christ als Redakteur und Pauschalist bei Tageszeitungen wie der „Siegener Zeitung“ oder dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Derzeit schreibt er als freier Journalist Beiträge für Print- oder Onlinemedien. Für aktiv recherchiert er vor allem Ratgeberartikel, etwa rund um die Themen Mobilität und Arbeitsrecht. Privat wandert der Kölner gern oder treibt sich auf Oldtimermessen herum.

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