Berlin/Nürnberg. Wer nicht so genau hinguckt, die oder der merkt vielleicht gar nicht, dass sich auf der Gehaltsabrechnung gerade etwas ändert. Aber spätestens beim zweiten Hinsehen sollten doch die meisten feststellen: Im Januar gibt’s etwas mehr Netto – genug für eine Extra-Pizza im Monat.

Okay. Aber: Warum eigentlich?

Neue Gehaltsabrechnung zeigt: Fürs Brutto-Entgelt wird weniger Lohnsteuer fällig

Bei den meisten Arbeitnehmern ändert sich jetzt nur der Punkt „Lohnsteuer“. Zum einen, weil der steuerfrei bleibende Grundfreibetrag am 1. Januar um 240 Euro auf 9.984 Euro jährlich gestiegen ist. Zum anderen, weil die übrigen Eckwerte des Steuertarifs etwas erhöht worden sind, um genau 1,17 Prozent, was die Steuerlast verringert.

Mit solchen Tarif-Verschiebungen will der Gesetzgeber immer mal wieder die „kalte Progression“ ausgleichen. Dieser Fachbegriff beschreibt das Problem, dass man bei beispielsweise 3 Prozent Lohnplus und gleichzeitig 3 Prozent Inflation real ja gar nicht mehr im Geldbeutel hat – aber wegen unseres progressiven Steuertarifs trotzdem mehr Steuern zahlen muss als zuvor.

Die derzeit recht hohe Inflation macht eine noch stärkere steuerliche Entlastung nötig!

Damit ist gleich eine teure Herausforderung für die neue Bundesregierung beschrieben! Der geringe Ausgleich der kalten Progression, der nun wirksam wird, war schon im Herbst 2020 beschlossen worden. Damals lag die Inflationsrate unter null (unter anderem wegen der befristeten Mehrwertsteuersenkung). Angesichts der inzwischen deutlich stärkeren Teuerung müsste der Steuertarif also erneut und viel deutlicher verschoben werden – was dann natürlich zu entsprechend weniger Steuereinnahmen führen würde ...

Die aktuellen Folgen auf der Gehaltsabrechnung hat die Nürnberger Genossenschaft Datev für aktiv vorab ausgerechnet. Demnach bekommt ein Alleinverdiener-Ehepaar mit zwei Kindern bei 5.000 Euro Monatsbrutto jetzt knapp 16 Euro mehr netto aufs Konto.

Gehaltsabrechnung zeigt: Kinderlose zahlen ab jetzt mehr an die Pflegeversicherung

Einem Single mit brutto 3.500 Euro wiederum werden zwar rund 11,50 Euro weniger Steuern abgezogen – trotzdem bleibt ihm nur ein Plus von gut 8 Euro. Denn Kinderlose ab 23 Jahren müssen ab sofort einen höheren Zuschlag zur gesetzlichen Pflegeversicherung entrichten: 0,35 (statt bisher 0,25) Prozent vom Brutto. In unserem Beispielfall bedeutet das um 3,50 Euro höhere Abzüge.

Und Achtung: Auch beim Krankenkassenbeitrag kann sich jetzt etwas ändern. Nämlich dann, wenn man bei einer Kasse ist, die gerade ihren Zusatzbeitrag erhöht. Das dürfte aber nur die wenigsten Beschäftigten betreffen. Und darauf kann man ja auch persönlich reagieren, mit dem Wechsel zu einer günstigeren Kasse. Was der Wechsel der Krankenkasse finanziell bringen kann, lesen Sie auf aktiv-online.de.

Übrigens: Den Spitzensteuersatz – den zahlen inzwischen viel mehr Menschen, als man meinen möchte! 2022 ist schon dabei, wer ein zu versteuerndes Jahreseinkommen ab 58.597 Euro hat.

Der progressive Einkommensteuertarif

Soziale Marktwirtschaft. Wer mehr verdient, der zahlt auch mehr Steuern – und das nicht etwa mit gleichbleibender Quote: Der Anteil, den sich der Staat jeweils nimmt, wird mit steigenden Einkünften größer. Darum geht es, wenn vom „progressiven Einkommensteuertarif“ oder kurz der „Steuerprogression“ die Rede ist.

Grundfreibetrag. Jährliche Einkünfte von aktuell 9.984 Euro für Alleinstehende beziehungsweise 19.968 Euro für Ehepaare bleiben steuerfrei: Das finanzielle Existenzminimum darf der Fiskus nicht anknabbern. Pro Kind gibt es Freibeträge in Höhe von 8.388 Euro dazu. Das Kindergeld gilt als eine „Steuervergütung im Voraus“ (und wird gegebenenfalls im Rahmen der Steuererklärung verrechnet). Mehr zum Kindergeld auch für erwachsende Kinder lesen Sie auf aktiv-online.de

Steuerbelastung. Was vielen gar nicht klar ist: Zigmillionen Mitmenschen zahlen gar keine oder nur sehr wenig Einkommensteuer! Laut Bundesfinanzministerium trägt die ökonomisch gesehen „untere Häfte“ der Steuerpflichtigen gerade mal 6 Prozent zum Einkommensteueraufkommen bei, die „obere Hälfte“ 94 Prozent. Der Progression entsprechend zahlen Spitzenverdiener besonders viel: Vom „obersten Zehntel“ kamen 2021 rund 55 Prozent der Einkommensteuereinnahmen. Zusammen veranlagte Ehepaare gelten für diese Statistik als ein Steuerpflichtiger.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

Alle Beiträge des Autors