Frankfurt. Das Land lechzt nach Schutz gegen das gefährliche Corona-Virus. Damit wieder mehr Leben möglich wird, heißt es jetzt impfen, impfen, impfen. Nötig sind aber auch heilende Medikamente! Um Erkrankte zu behandeln, zu heilen und den Erreger zu besiegen.

Die gute Nachricht: Für Schwerkranke in Kliniken haben Mediziner inzwischen immerhin zwei gute Arzneien, berichtet Professor Manfred Schubert-Zsilavecz von der Goethe-Universität Frankfurt. „Das sind lang bewährte Medikamente; sie erhöhen die Überlebenschancen von Covid-Patienten enorm.“ Das erste, das Cortison-Präparat Dexamethason, schützt die Kranken vor Schäden an Lunge, Niere und anderen Geweben, das zweite vor Blutgerinnseln und ihren gefährlichen Folgen.

Corona-Arzneien: 2022 kann es wirksame Waffen gegen das Virus geben

Zuversichtlich ist der Pharmazieprofessor angesichts von aktuell knapp 2.600 klinischen Studien auch für die Entwicklung neuer Covid-Medikamente: „Wir werden Ende des Jahres deutlich weiter sein, und 2022 können wir schon wirksame Waffen gegen das Virus in der Hand haben. Davon gehe ich fest aus.“

Was Schubert-Zsilavecz so zuversichtlich macht: „In sensationellem Tempo haben Forscher die räumliche Struktur des Virus in allen Einzelheiten aufgeklärt. Wir kennen jetzt den Feind und können zielgerichtet Therapien entwickeln.“ Ansatzpunkte dafür bieten zwei Schlüsselenzyme, die das Virus für seine Vermehrung im menschlichen Körper braucht. „Wirkstoffe, die diese Enzyme blockieren, können zu den Gamechangern werden!“

Corona-Arzneien: Sie könnten zum Gamechanger werden

Als „Kandidat Nummer eins“ nennt der Pharmazieprofessor den Wirkstoff Molnupiravir, den der US-Pharmakonzern MSD ursprünglich für die Grippetherapie entwickelt hat. Er blockiert die Vermehrung des Virus-Erbguts. Bei Testpersonen verringerte er die Virenlast in fünf Tagen Behandlung erheblich. Vorteil: Die Arznei kann eingenommen und muss nicht gespritzt werden. Sie ist aktuell in den entscheidenden klinischen Tests. MSD will in der zweiten Jahreshälfte bei der US-Arzneibehörde FDA eine Notfallzulassung beantragen.

Ein Gamechanger könnte auch eine vom US-Konzern Pfizer entwickelte Substanz werden. Sie blockiert im Körper das Virus-Enzym für die Eiweißspaltung. Die sei ein wichtiger Schritt der Virusvermehrung, erklärt der Biochemiker Professor Rolf Hilgenfeld von der Universität zu Lübeck. „Den Wirkstoff könnten Kranke bei den ersten Symptomen als Tablette oder Kapsel einnehmen. Damit wäre sogar Prophylaxe möglich.“

Antikörper-Präparate senken das Risiko schwerer Verläufe

Jedoch steht die Substanz noch am Anfang der klinischen Tests. Das Mittel verdankt Pfizer auch Hilgenfeld und seinem Team, die schon im März 2020 die Struktur des Virus-Enzyms für die Eiweißspaltung ermittelten. Die Lübecker entwickeln auch einen Hemmstoff dafür.

Hoffnungen setzen Forscher zudem auf sogenannte Antikörper-Arzneien. Nach dem Vorbild von Antikörpern genesener Patienten stellen sie biotechnisch in großen Mengen Abwehrstoffe her. Und behandeln damit Kranke. Die Präparate senken das Risiko schwerer Verläufe; eine Handvoll könnte noch 2021 eine Zulassung bekommen. Nachteil: Sie müssen frühzeitig und per Infusion gegeben werden. Gerade wird geklärt, wie das bei Patienten auch ambulant geschehen kann. Zum Inhalieren soll sich ein Antikörper eignen, den Boehringer Ingelheim und die Unis Köln und Marburg entwickeln.

„In Deutschland wurde die Forschung an Corona-Arzneien über Jahrzehnte vernachlässigt, daher haben wir nichts in der Hand“, moniert Biochemiker Hilgenfeld. „Jetzt müssen wir es besser machen.“ Die Chancen sind da. Auch die Bundesregierung hilft mit. Sie will die Arbeit kleinerer Firmen an Covid-Arzneien mit 300 Millionen Euro fördern.

7 Milliarden Euro pro Jahr für Forschung

  • Innovationen. 32 neue Medikamente brachten die 47 führenden Pharma-Unternehmen im letzten Jahr auf den Markt. Das wichtigste war der erste Impfstoff gegen das Corona-Virus von Biontech.
  • Wissenschaftler. Mehr als 18.000 der insgesamt 80.000 Beschäftigten der Unternehmen, die dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller angehören, entwickeln ständig neue Medikamente.
  • Forschungsausgaben. 7 Milliarden Euro investieren die Firmen pro Jahr in die Entwicklung – 30 Millionen Euro am Tag.
  • Exportstärke. Von 2008 bis 2019 stiegen die deutschen Arzneiexporte um 90 Prozent auf mehr als 80 Milliarden Euro.
Hans Joachim Wolter
aktiv-Redakteur

Hans Joachim Wolter schreibt bei aktiv vor allem über Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Produktinnovationen sowie die Pharma- und Chemie-Industrie. Der studierte Apotheker und Journalist begann bei der Tageszeitung „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen und wechselte dann zu einem Chemie-Fachmagazin in Frankfurt. Wenn er nicht im Internet nach Fakten gräbt, entspannt er bei Jazz-Musik, Fußballübertragungen oder in Kunstausstellungen.

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