Freiburg. Die organisatorischen Probleme beim Impfen der Bevölkerung – sie legen generelle Schwachstellen der deutschen Verwaltung offen. Das betont jedenfalls Professor Lars Feld im Gespräch mit aktiv. Der Freiburger Ökonom war bis vor Kurzem Vorsitzender des Sachverständigenrats der fünf „Wirtschaftsweisen“, die die Bundesregierung beraten.

Wie wichtig sind die Impfungen für unsere Wirtschaft?

Sie sind der Schlüssel für den Aufschwung! Denn vom Impfen hängt es ab, wie sich das Infektionsgeschehen weiter entwickelt. Und wenn wir das in den Griff bekommen, dann kann es wirtschaftlich sehr rasch und steil nach oben gehen.

Beim Impfen ist aber nicht alles zügig und glatt gelaufen …

Dass die EU anfangs bei der Impfstoffbeschaffung Fehler gemacht hat, dafür habe ich Verständnis: Es ist nun mal schwierig, in sehr unsicheren Situationen sehr teure Entscheidungen völlig richtig zu treffen. Aber die Umsetzung der Impfkampagne bei uns ist für mich eine mittlere Katastrophe. Sie zeigt, was für eine schlechte Verwaltung wir in Deutschland schon seit einigen Jahren haben.

Was ist da besonders zu kritisieren?

Wir sind übergenau, was Gerechtigkeitsfragen betrifft. Und versuchen, die Impfkampagne moralisch möglichst perfekt auszurichten. Dafür stellen wir schon fast absurde Strafandrohungen auf, zum Beispiel für Impfdrängler – da werden Leute aus ihrem Amt gejagt, nur weil sie eine Impfung bekommen haben. Wir schaffen es nicht, die Möglichkeiten der Digitalisierung besser zu nutzen, etwa bei der Überwachung der Infektionszahlen. Und wir hätten viel früher die gesamte Ärzteschaft beim Impfen einbinden müssen – auch die Betriebsärzte.

Andere Länder impfen schneller. Wirft das unsere Wirtschaft im globalen Wettbewerb zurück?

Ich würde eher sagen: Die Corona-Krise zeigt Wettbewerbsnachteile auf, die wir schon vorher hatten – wie die unzureichende Digitalisierung der öffentlichen Hand, die Probleme im Bildungswesen, die Hemmnisse für öffentliche Investitionen: Wir haben zwar ein riesiges Konjunkturpaket, das etwa in die Infrastruktur fließen soll, bekommen das Geld aber nicht auf die Straße. Corona zeigt nicht zuletzt, dass unsere Industriepolitik problematisch ist.

Was läuft in der Industriepolitik denn schief?

Sie glaubt, in bestimmten Bereichen besondere Schwerpunkte setzen zu müssen. Jahrelang wurde fast nur über Digitalisierung und Klimaschutz gesprochen. Doch die derzeit wichtigsten Innovationen sind nun mal die Impfstoffe! Und die gehen nur in großer Dimension in Produktion, wenn mit „Big Pharma“ kooperiert wird, also den großen Konzernen. Unser Impfstoff wurde zudem mit gentechnologischen Verfahren entwickelt. Dabei ist die Rolle der Gentechnik hierzulande seit Jahren umstritten, vor allem im Lebensmittelbereich – weshalb manches Unternehmen nicht bei uns, sondern in den USA in Gentechnologien investiert. Wir können also noch glücklich sein, dass die Impfstoffproduktion überhaupt in Deutschland geblieben ist.

Wie sind die Aussichten auf Erholung in der Metall- und Elektro-Industrie?

Die Branche hat nicht nur mit Corona, sondern auch vielen anderen Herausforderungen zu kämpfen. Zum Beispiel in Sachen Klimaschutz und Digitalisierung. Viele Unternehmen nutzen aber jetzt die Chancen, die sich für eine beschleunigte Umstrukturierung bieten. Im Maschinenbau beispielsweise waren die Produktivitätsfortschritte schon seit über zehn Jahren sehr mager – doch die Branche hat sich berappelt und geht jetzt kräftig nach vorne.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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