Saarbrücken. Mit Anke Rehlinger (SPD) hat das Saarland seit Ende April eine neue Ministerpräsidentin. Und die muss jetzt anpacken! Was zuerst? Darüber sprach aktiv mit Oswald Bubel, dem Präsidenten des Verbands der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes.
Die SPD stellt die Alleinregierung. Ist das aus Arbeitgebersicht hilfreich? Gewöhnlich ist die Wirtschaft ja eher der konservativen oder der liberalen Seite zugeneigt.
Es ist nicht nur wichtig, wer regiert, sondern vor allem, wie regiert wird. Ich bin zuversichtlich, dass die neue Ministerpräsidentin Anke Rehlinger die Sorgen und Nöte der Unternehmen im Land im Blick hat. Die professionelle Aufstellung des Wirtschaftsministeriums stimmt mich hoffnungsfroh. Ebenso der Zuschnitt der neuen Ministerien, bei dem Arbeit und Wirtschaft getrennt wurden. Ich habe das lange gefordert, weil beide Bereiche sehr widerstrebende Interessen verfolgen. Wir werden die Arbeit der neuen Regierung genauso wohlwollend und kritisch begleiten, wie wir das in jeder anderen Konstellation getan hätten.
Was sind Ihre Erwartungen an die neue Regierung an der Saar?
Ich bin überzeugt, dass es fünf entscheidende Jahre werden, in denen wichtige Weichenstellungen vorgenommen werden. Das Saarland befindet sich vor einem umfassenden Transformationsprozess: Der Strukturwandel der Automobil-Industrie trifft uns stärker als andere Regionen in Deutschland, weil im Saarland mehr Menschen am Verbrennungsmotor arbeiten als anderswo. Jeder 20. Beschäftigte arbeitet hierzulande am Antriebsstrang – im Saarpfalz-Kreis, in dem viele große Unternehmen beheimatet sind, ist es sogar jeder 10. Beschäftigte! Die Politik ist gefragt, den Wandel in der Antriebstechnik mit guten Rahmenbedingungen zu begleiten, um Arbeit auch für die Zukunft zu sichern.
Wie gehen die Unternehmen selbst mit dem Strukturwandel um?
Das ist eine sehr große Herausforderung. Die Unternehmen müssen häufig zweigleisig fahren: auf der einen Seite neue Geschäftsfelder entwickeln – auf der anderen Seite das bestehende Geschäft so lange wie möglich sichern. Denn machen wir uns nichts vor: Weltweit werden Verbrennungsmotoren und damit auch die Komponenten für den Antriebsstrang noch längere Zeit benötigt werden. Gleichzeitig müssen neue Chancen entdeckt werden: Geschäftsmodelle entstehen beispielsweise in der Elektrifizierung, der Automatisierung oder der Vernetzung.
392.400 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gab es im Februar 2022 im Saarland. 47.000 dieser Menschen arbeiten in der Metall- und Elektro-Industrie.
Werden Tätigkeiten und Arbeitsplätze wegfallen, wenn viele Unternehmen sich neu orientieren?
Während der Corona-Pandemie haben Unternehmen auch bei sinkender Produktion an ihrer Belegschaft festgehalten. Keiner entlässt seine Beschäftigten ohne Not. Vielmehr wird der Fokus darauf liegen, die Mitarbeiter für neue Aufgaben zu qualifizieren. Denn der Fachkräftemangel bleibt eine der größten Herausforderungen der Branche.
Sollte sich das Saarland nicht aus der Abhängigkeit von der Auto-Industrie lösen?
Die Auto-Industrie und die hohe Spezialisierung unserer Beschäftigten haben uns über viele Jahrzehnte Wohlstand beschert. Es ist aber richtig, dass wir die Industrie im Land stärker diversifizieren müssen. Auch dabei ist die Landesregierung gefragt, mit entsprechenden Flächenkonzepten und einer Ansiedlungsstrategie neue Unternehmen ins Land zu holen. Die aktuellen Pläne, eine Batteriefabrik für E-Autos anzusiedeln, gehen in die richtige Richtung. Sinnvoll sind aber auch Unternehmen aus anderen Branchen. Wachstum allein durch Gründerinitiativen reicht nicht aus.
Gibt es weitere Ideen, wie die Regierung im Strukturwandel unterstützen kann?
Sie hat viele Möglichkeiten, über die richtige Rahmensetzung zu helfen. Das fängt beim Ausbau der Infrastruktur an und geht bis zur Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen, zum Bürokratieabbau und zur Verbesserung des Bildungssystems. Alles in allem geht es darum, den Standort Saarland attraktiv für Unternehmen und Fachkräfte zu machen.
Ist die Industrie als Arbeitgeber noch so interessant wie früher?
Ich bin überzeugt davon, dass die Industrie weiter hervorragende Arbeitsplätze bietet. Wir haben eine Ausbildung, um die uns Menschen weltweit beneiden. Wenn Beschäftigte bereit sind, sich einzubringen, haben sie gute Aufstiegschancen. Insofern kann ich Absolventen nur raten, bei ihrer Berufswahl auch eine Zukunft in der Industrie in Betracht zu ziehen.