Frankfurt. Geschockt über den völkerrechtswidrigen Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Ukraine suchen die hessischen Metall- und Elektro-Unternehmen nach Lösungen für die wirtschaftlichen Auswirkungen.
Wie eine Schnellumfrage des Arbeitgeberverbands Hessenmetall bei seinen Mitgliedsunternehmen zeigte, hat fast die Hälfte von ihnen Kunden in der Ukraine, Russland und Belarus. Gut 15 Prozent haben sogar Produktions-, Vertriebs- oder Servicestandorte sowie Tochtergesellschaften vor Ort. „Uns treibt deshalb vor allem die Sorge um unsere Freunde und Partner dort um“, erklärt der Vorstandsvorsitzende von Hessenmetall, Wolf Matthias Mang.
119 der 650 Mitgliedsunternehmen des Verbands mit über 37.000 Beschäftigten hatten sich an der Anfang März durchgeführten Umfrage beteiligt. Voller Sorge schauen sie nun auch auf die wirtschaftlichen Folgen des Krieges, der die Entwicklung von 2021 zunichtemacht.
Materialmangel und hohe Energiepreise bremsen den Aufschwung aus
Wie die Jahresbilanz 2021 zeigte, hat die hessische M+E-Industrie in diesen zwölf Monaten 69,7 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet, 12 Prozent mehr als im Corona-Jahr 2020, aber nur rund 2 Prozent mehr als 2019. Allerdings ist dies vor allem auf Preissteigerungen und die gute Umsatzentwicklung in der Metallerzeugung zurückzuführen. Die M+E-Kernbranchen Maschinenbau und Elektro-Industrie haben das Umsatzniveau von 2018 und 2019 knapp verpasst, der Fahrzeugbau ist davon sogar deutlich entfernt. Laut Umfrageergebnissen hat der Krieg nun erhebliche, energiepolitisch sogar dramatische wirtschaftliche Folgen für die Branche, die nach dem zweiten Rezessionsjahr gerade wieder durchstarten wollte. „Der schon vor dem Krieg bestehende Materialmangel und die hohen Energiepreise werden sich weiter verschärfen“, sagt Mang.
Die Auswirkungen gehen schon jetzt weit über die Unternehmen mit direkten Verbindungen in die beteiligten Länder hinaus. Zwei Drittel der Befragten rechnen mit Kostensteigerungen im Einkauf und jeweils über ein Drittel mit Produktionseinschränkungen sowie Umsatz- und Gewinnrückgängen.
Mehr als jeder fünfte Betrieb befürchtet sogar, dass die eigene wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht, sollte der Konflikt sich ausweiten.
Jedes vierte Unternehmen bezieht Rohstoffe oder Vorprodukte aus den Kriegsländern, vor allem Metalle, Metallteile und Erdgas. Die Mehrheit hat bereits jetzt mit Lieferschwierigkeiten oder Engpässen zu kämpfen. Ein Drittel davon gibt an, die aktuellen oder drohenden Ausfälle nur schwer oder überhaupt nicht kompensieren zu können.
Die meisten Betriebe sind deshalb auf der Suche nach alternativen Lieferanten. Bei manchen haben die Engpässe aber bereits jetzt Auswirkungen auf Produktion und Preise. Mang: „Deshalb fordert die überwiegende Mehrheit der Unternehmen von der Politik jetzt einen Abbau bei den Energiesteuern und -abgaben sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Energiebereich.“
Solide Planung ist in den Firmen kaum noch möglich
Wie Julia Esterer, Geschäftsführerin von Esterer Fahrzeugbau in Helsa, betont, müssten die Unternehmen aktuell Extremes leisten: „Wir managen nur noch Mangel, suchen nach Wegen, die enormen Kostensteigerungen zu bewältigen und gleichzeitig die Digitalisierung und auch die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes umzusetzen.“
Die beiden Corona-Jahre waren für den Marktführer für Straßentankfahrzeuge und Betankungsanlagen für Flugzeuge extrem schwierig, und es mussten sogar Arbeitsplätze abgebaut werden.
Auch für die OKA-Spezialmaschinenfabrik, einen Zulieferer vor allem für die Süßwaren-Industrie, war diese Zeit schwer, 2021 aufgrund der Investitionszurückhaltung und der langen Vorlaufzeiten im Maschinenbau sogar deutlich schwieriger als 2020. Aktuell liegt der Auftragseingang wieder auf Vorkrisenniveau. Aber der Aufschwung wird auch hier durch den Material- und Fachkräftemangel stark ausgebremst.
OKA-CEO Matthias Drees: „Lieferzeiten haben sich deutlich verlängert, und die teilweise drastischen Preissteigerungen können nicht vollumfänglich an die Kunden durchgereicht werden.“
Die Isabellenhütte Heusler in Dillenburg sieht sich als Zulieferer für Elektromobilität, Smart-Grids und erneuerbare Energien für die Zukunft richtig aufgestellt, sieht aber vor allem, was Planbarkeit angeht, große Probleme.
Geschäftsführer Holger Spiegel: „In der aktuell schwierigen Phase der hoffentlich ausklingenden Pandemie und den schrecklichen Ereignissen in unserer europäischen Nachbarschaft sind wirtschaftliche Prognosen noch schwieriger als je zuvor. Gleichzeitig wollen unsere Lieferanten aus der Halbleiter-Industrie Abnahmeprognosen für die nächsten zwei Jahre.“
Was Unternehmer zur aktuellen Lage sagen
Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.
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