Berlin. Fast vier Millionen Bundesbürger arbeiten in unserem wichtigsten Industriezweig, der Metall- und Elektro-Industrie (M+E). Grund genug, mal zu erkunden: Wie geht es den Betrieben nach zwei Jahren Corona?

„Leider läuft es weiterhin nicht rund“, antwortet einer, der es wissen muss: Lars Kroemer, Chefvolkswirt des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall in Berlin. „Die Produktion bleibt auf einem schwachen Niveau: Aktuell liegt sie noch immer 14 Prozent unter dem Vorkrisenniveau von 2018.“

Materialmangel hemmt die Produktion in den meisten Betrieben

Zwar ist die Auftragslage ziemlich gut. Doch die M+E-Unternehmen können längst nicht immer so arbeiten wie gewohnt, auch wegen Corona – aber vor allem wegen der Störungen in den Lieferketten. „Zum Jahresbeginn meldeten noch 77 Prozent der Firmen Produktionsbehinderungen durch fehlende Teile“, sagt Kroemer. Dazu kommen dramatisch höhere Ausgaben für Energie, fürs Material und für Vorleistungen.

Die Rendite ist gesunken, oft fehlt Geld für Investitionen

„Die Kosten steigen schneller als die Erlöse, das bremst viele Betriebe massiv aus“, so Kroemer. Denn längst nicht alle Unternehmen könnten höhere Kosten mal eben an ihre Kunden durchreichen. So bleibt weniger in der Kasse: „Die durchschnittliche Nettoumsatzrendite lag 2021 das dritte Jahr in Folge deutlich unter 3 Prozent“, erklärt der Ökonom, „wobei die Spreizung spürbar zugenommen hat.“ Oft fehle den Unternehmen jetzt deshalb das Geld für gerade im Strukturwandel nötige Investitionen.

Ebenfalls bedenklich: Der Chipmangel und andere Nachschub-Probleme wirken sich ja eigentlich überall aus – aber die deutsche Schlüsselindustrie kommt trotzdem deutlich schlechter aus der Krise als die weltweite Industrieproduktion. Zuletzt betrug der Rückstand rund ein Fünftel.

Das liegt vor allem am Automobilbau, der hierzulande brutal eingebrochen ist. „Die Autoproduktion liegt 40 Prozent unter dem Wert von 2018“, verdeutlicht der Chefvolkswirt. „Dazu muss man wissen, dass etwa zwei Fünftel der gesamten Metall- und Elektro-Industrie vom inländischen Autobau abhängen.“

Kurzarbeit hat bisher viele Jobs durch die Krise gerettet

Die Zahl der M+E-Arbeitsplätze ist dennoch recht konstant geblieben, vor allem auch dank der Kurzarbeit. Gut 200.000 Jobs gingen verloren, also etwa 5 Prozent der Stammbelegschaften. Mit rund 3,9 Millionen Mitarbeitern sind diese nun ähnlich groß wie 2017.

Angesichts des Russisch-Ukrainischen Kriegs werden sich die Engpässe und der Kostenanstieg dramatisch verschärfen, erklärt der Ökonom: „Russland ist ein systemrelevanter Lieferant für Energie und Metalle. Wir wissen, dass dieser von Russland ausgelöste Krieg und die hierauf erfolgten Sanktionen gerade auch für die M+E-Unternehmen schmerzhaft zu spüren sein werden. Die jetzigen Sanktionen sind aber unumgänglich, um Recht, Demokratie und Freiheit zu verteidigen und zu bewahren.“

Wobei Kroemer zugleich klar macht, dass die hohen Energiekosten auch an den Steueranteilen liegen: „Diese sind Folge politischer Entscheidungen, dem muss also zuallererst politisch begegnet werden. Das würde auch den Druck der Energiepreisentwicklung auf die Inflation mindern.“

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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