Berlin. Wann startet Deutschlands Wirtschaft wieder richtig durch? Das wird wohl noch dauern – unabhängig davon, wie sich der Angriff Russlands auf die Ukraine noch auswächst. Darauf deutet die geringe Bereitschaft der Betriebe zu wichtigen Zukunftsinvestitionen hin. Die waren bereits 2020, im ersten Corona-Jahr, zweistellig eingebrochen.
Seither tut sich zu wenig: Derzeit werden erst 90 Prozent des Stands von 2019 wieder erreicht. Das ergab eine bundesweite Firmenumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Für Martin Wansleben, den Chef des Spitzenverbands, ein Alarmsignal: „Angesichts des Nachholbedarfs durch die Corona-Krise wäre jetzt die Zeit für einen kräftigen Investitionsschub.“
Je kleiner das Unternehmen, desto kleiner die finanziellen Spielräume
Doch die finanziellen Spielräume sind geschrumpft: Mehr als jeder dritte Betrieb beschreibt seine Finanzlage laut DIHK als problematisch. „Zwei Jahre Corona-Krise haben viele Reserven aufgebraucht“, so Wansleben. Je kleiner das Unternehmen, desto kritischer sei die Lage.
Auch 2022 wird es bei den Ausrüstungsinvestitionen wohl nicht richtig vorangehen. Für neue Maschinen, Geräte, für die Firmen-Fuhrparks oder Büroausstattung dürften die Betriebe im laufenden Jahr laut DIHK nur 3,5 Prozent mehr ausgeben. Das ist überraschend wenig. Im vorigen Herbst erwarteten etwa die Wirtschaftsweisen hier noch ein Plus von 7 Prozent.
Eine schnelle Wende zum Besseren ist nicht absehbar. Darin sind sich führende Ökonomen einig. So sagt Gabriel Felbermayr, der Präsident des Wifo-Instituts in Wien: „Deutschland steht vor gravierenden Schwierigkeiten bei der Investitionstätigkeit.“ Bereits in den Jahren vor der Corona-Pandemie hätten sich die Unternehmen bei Investitionen auffallend zurückgehalten. Von einer „Investitionsblockade“ war schon damals die Rede.
„Eine ganze Batterie an Unsicherheiten“ verdirbt den Unternehmen nachhaltig die Investitionslaune, urteilt Oliver Holtemöller, Konjunkturexperte am Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Dazu gehören aktuell die allgegenwärtigen Lieferengpässe sowie die Preisexplosion bei Energie und Vorprodukten – von Roheisen über Naphta (Rohbenzin) bis hin zu Verpackungsmaterial.
Die Klimapolitik verschärft Unsicherheiten der Betriebe
Selbst wenn sich die Lage auf dieser Seite wieder beruhigt, bleiben weitere Stimmungskiller – und zwar hausgemachte. Einer davon ist die deutsche Klimapolitik. Sie verteuert Öl, Gas und Strom durch Steuern und Abgaben überdurchschnittlich. Hinzu kommen hohe Arbeitskosten, eine überbordende Bürokratie, saftige Unternehmensteuern – um nur einige Beispiele zu nennen.
„Auf bessere Zeiten zu warten, reicht eben nicht“, urteilt auch Michael Grömling, Konjunkturexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft. Eine ganze Reihe von Hemmschuhen müsse gelöst werden – gerade auch durch die Politik. In ihrem Jahreswirtschaftsbericht hatte die Bundesregierung angekündigt, die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessern zu wollen, bemerkt Grömling. „Jetzt müssen Taten folgen – sonst werden wir noch lange auf einen echten Aufschwung warten müssen.“
Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.
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