Gütersloh/Köln. Der Altenpfleger aus Syrien, die IT-Kollegin aus Indien, die neuen Gesichter vor der Flüchtlingsunterkunft in der Umgebung: Migranten sind bei uns wieder mehr willkommen als in der „Flüchtlingskrise“ ab 2015 – das ergab eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann-Stiftung aus Gütersloh. Der Grund? Grob gesagt: Corona!

55 Prozent glauben: Migration hilft gegen den Fachkräftemangel

In der Umfrage vom November äußerten sich rund 2.000 repräsentativ ausgewählte Bürger dazu, welche Folgen Zuwanderung ihrer Ansicht nach hat. Die gleiche Studie wurde auch in früheren Jahren durchgeführt. Im Vergleich zu 2017 sehen heute wieder mehr Menschen die Vorteile, die Migranten mitbringen. Zum Beispiel, dass sie Mehreinnahmen in die Rentenkasse bringen (hier stimmen 48 Prozent zu), gegen die Überalterung der Gesellschaft helfen (65 Prozent) und wichtig für die Ansiedlung internationaler Firmen sind (68 Prozent).

Es ist keine riesige, aber eine spürbare Veränderung in der Willkommenskultur, die sich mit Beginn der Flüchtlingskrise 2015 deutlich abgeschwächt hatte. Im Jahr 2017 beispielsweise bejahten nur 41 Prozent der Befragten, dass Zuwanderung gegen den Fachkräftemangel hilft – heute sind es immerhin 55 Prozent. Gleichzeitig ist die Skepsis zurückgegangen. So wollen heute weniger Befragte unterstreichen, dass Zuwanderung den Sozialstaat zusätzlich belastet oder für Probleme in den Schulen sorgt.

Corona hat gezeigt, dass die kritische Infrastruktur funktionieren muss

Den Grund dafür sehen die Bertelsmann-Forscher auch in der Corona-Krise. „Viele Menschen haben konkreter erfahren, wie wichtig es ist, dass die kritische Infrastruktur funktioniert“, sagt Bertelsmann-Integrationsexperte Orkan Kösemen. Und die sei eben auf Zuwanderung angewiesen, „von der Pflege über den Dienstleistungssektor bis hin zur Landwirtschaft“.

Dass wir die Neuankömmlinge dringend brauchen, wird im Alltag auch immer offensichtlicher. Das Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln hat jüngst untersucht, welche Fachkräftelücken Migranten konkret füllen.

8 Prozent aller Altenpfleger haben eine ausländische Staatsangehörigkeit

In der Altenpflege etwa hatten im Jahr 2020 schon 8,2 Prozent aller Fachkräfte eine nicht deutsche Staatsangehörigkeit, bundesweit fehlten aber trotzdem noch mehr als 18.000 Kräfte! Auch in der Gastronomie spielen Migranten eine zentrale Rolle. „Hier hat jede dritte Fachkraft eine ausländische Staatsangehörigkeit“, sagt Forscherin Sarah Pierenkemper – bei einer noch bestehenden Fachkräftelücke von 4.200 Leuten.

Auch der Mangel an Berufskraftfahrern ist bedenklich. Fast 12.000 qualifizierte Leute fehlten im letzten Herbst, um etwa Lebensmittel zu Discountern und Vorprodukte in Industriebetriebe zu liefern. Migranten helfen, diese Lücke zu schließen. Sie stellen 23 Prozent aller Berufskraftfahrer. Pierenkemper verdeutlicht: „Ohne sie geht in vielen Bereichen nichts mehr.“

So denken die Deutschen über Zuwanderung

  • „Sie macht das Leben in Deutschland interessanter“: Das finden 66 Prozent der Bevölkerung, der Durchschnitt hat sich in neun Jahren nicht wesentlich verändert. Die Bertelsmann-Stiftung hat ihre Umfrage im Abstand von zwei bis drei Jahren durchgeführt.
  • „Sie bringt zusätzliche Belastungen für den Sozialstaat“: Das sehen immer noch 67 Prozent so – im Jahr 2017 waren es aber noch viel mehr, nämlich 79 Prozent.
  • „Sie bringt Probleme in Schulen“, der Meinung sind heute 56 Prozent der Bürger und damit deutlich weniger als noch 2017 (68 Prozent).
Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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