München. So schlecht sah es seit Langem nicht aus. Deutschland und Bayern verlieren an Wirtschaftskraft. Das ist Fakt, das zeigen fast alle Daten, die in jüngster Zeit veröffentlicht wurden.
Besonders trifft es die Metall- und Elektro-Industrie (M+E), die immens wichtig für Bayern ist. Sie ist eine der tragenden Säulen der Wirtschaft des Freistaats. So machten die Ausfuhren bayerischer M+E-Betriebe in den ersten acht Monaten dieses Jahres fast zwei Drittel seiner Exporte aus! Ein großer Anteil, der jetzt aber bröckelt. Kostenexplosion und Knappheit bei Energie, Rohstoffen und Vorprodukten machen den Unternehmen schwer zu schaffen. Die Betriebe blicken daher mit großer Sorge auf das nächste halbe Jahr, wie auch die aktuelle Umfrage des Münchner Ifo-Instituts zu den Geschäftserwartungen der Industrie zeigt. Die Stimmung in den Firmen hat sich seit dem Frühjahr massiv eingetrübt, die meisten rechnen mit einer länger andauernden Krise.
Die Ausfuhren sinken, bezogen auf die Warenmenge
Bei den Exporten heißt es genau hinschauen, wenn man die Lage richtig erfassen will. So sind die bayerischen M+E-Ausfuhren von Januar bis August im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar um 5,6 Prozent auf rund 87 Milliarden Euro gestiegen. Dies gilt jedoch nur, wenn man allein ihren Geldwert betrachtet. Blickt man dagegen auf die Menge der ausgeführten Waren, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Sie ist in dem Zeitraum um fast 5 Prozent gesunken!
Das erklärt sich so: Die Preise für die Waren steigen wegen der Inflation. Gleichzeitig nehmen aber die Einkaufspreise und Kosten für die Betriebe um ein Vielfaches zu. Unterm Strich bleibt also weniger übrig. Geld, das den Unternehmen am Ende fehlt, etwa für dringend nötige Investitionen.
Die Lage ist mehr als kritisch und könnte zu tiefgreifenden Veränderungen in der Wirtschaft führen. Sieben von zehn Firmen verzeichnen derzeit weniger Neuaufträge, das ergab eine Umfrage der bayerischen M+E-Arbeitgeberverbände bayme vbm. Da dreht sich die Lage zum Negativen: Seit dem Frühjahr waren die Auftragsbücher gut gefüllt. Doch jedes zweite Unternehmen berichtet über stornierte oder verkleinerte Aufträge, zudem laufen weniger Neuaufträge ein. Als Folge sinkt die Produktion, bald werden die Betriebe ihre Kapazitäten nicht mehr voll auslasten können. Das führt zu harten Einschnitten. Jeder sechste M+E-Betrieb überlegt laut der Umfrage beispielsweise, Produktion ins Ausland zu verlagern. Damit fällt Beschäftigung im Inland weg. Das bedeutet nichts Gutes für den Standort, der auch morgen noch industriell stark bleiben soll.
Dazu kommt, dass viele Aufträge noch auf Basis der Vorkrisen-Preise kalkuliert wurden. Doch die Preise sind seit dem Frühjahr explodiert. Rohstoffkosten sind drastisch angestiegen, Energiepreise laufen aus dem Ruder und bedrohen die Existenz der Betriebe sowie die Wirtschaftsstruktur und den Standort insgesamt. Schon jetzt zahlen Betriebe für Energie doppelt so viel wie 2020, Erdgas ist sogar viermal so teuer wie 2020. Nur 15 Prozent der Unternehmen können die gestiegenen Preise kostendeckend an Kunden weitergeben. Die restlichen können dies nicht – was bedeutet, dass weniger Geld für notwendige Investitionen bleibt.
In den wichtigsten Abnehmerländern ist die Lage schwierig
Ein Blick auf Europa, die Weltmärkte und den internationalen Handel zeigt ebenfalls: Auch in den wichtigsten Abnehmerländern für Bayerns Produkte ist die Lage derzeit äußerst schwierig.
Der Export hat’s bislang gebracht. Wirtschaft wie Beschäftigten in Bayern und Deutschland bescherte er in den vergangenen Jahrzehnten Wachstum und Wohlstand. Doch jetzt hat die Krise das Ausland genauso erwischt wie uns. Dadurch sinkt die Nachfrage auf den globalen Märkten, was Bayern als exportorientierten Standort besonders trifft.
Mehr als ein Drittel der Weltwirtschaft wird 2023 schrumpfen, erwartet etwa der Internationale Währungsfonds (IWF). Die Währungswächter beobachten die globale Wirtschaft genau, damit internationale Zahlungen und Waren ungestört zwischen den Ländern fließen können. Wiederholt senkte der IWF seine globale Wachstumsprognose für das kommende Jahr, auf nunmehr 2,7 Prozent (0,2 Prozentpunkte weniger als im Sommer angenommen). Der Abschlag klingt auf den ersten Blick nicht dramatisch, doch ist dies die schwächste Vorhersage seit rund 20 Jahren, wie der IWF betont – mit Ausnahme der Pandemie und der Weltfinanzkrise 2008.
Kein großes Industrieland der Welt schneidet in der Prognose so schlecht ab wie Deutschland, das noch dazu mit einem erwarteten Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent für kommendes Jahr als einziges im Minus liegt!
„Das Schlimmste kommt noch“, sagt der Internationale Währungsfonds
Die Krise ist lange nicht vorbei. „Das Schlimmste kommt noch“, so IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas. Das Wachstum in den USA und in der Europäischen Union fällt deutlich geringer aus, so die IWF-Prognose. In China wird der Wert 2023 zwar nach oben gehen, im Vergleich zu 2021 wird er jedoch nur noch annähernd halb so hoch sein. Das hat Gewicht. Die drei Genannten sind die größten Volkswirtschaften der Welt und allesamt Länder, von deren Nachfrage Bayern stark abhängig ist.
Keiner weiß, wie weit es noch runtergeht, was da noch kommt. Die Aussichten sind äußerst unsicher, sagt der IWF. Wie es weitergeht, hänge entscheidend von der Geldpolitik und dem Verlauf des Kriegs in der Ukraine ab. Auch ein Wiederaufflammen von Corona in diesem Winter könne die Weltwirtschaft weiter bremsen.
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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