München. Schon zum dritten Mal in Folge finden die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie in einer Krisensituation statt. Welche Herausforderungen dies mit sich bringt, darüber sprach aktiv mit Angelique Renkhoff-Mücke. Sie ist seit 2011 die Tarif-Verhandlungsführerin des bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeberverbands vbm.
Sie bezeichnen die 8-Prozent-Forderung der IG Metall als realitätsfern. Weshalb?
Leider ist es so, dass die wirtschaftliche Lage unserer Industrie äußerst angespannt ist. Noch nie haben sich die Risiken so konzentriert wie jetzt. Erst kamen Corona, Rohstoffmangel und gestörte Lieferketten. Dann der Russland-Ukraine-Krieg mit drohender Gasknappheit und ein dramatischer Preisanstieg bei Energie und Rohstoffen. Das alles belastet die Betriebe enorm, vor allem, weil sie gerade jetzt mehr Mittel für Investitionen in die Transformation und in die Zukunft bräuchten. In dieser Phase eine der höchsten Lohnforderungen der vergangenen 30 Jahre zu stellen, ist irreal.
Aber die Beschäftigten leiden darunter, dass vieles im Alltag teuer geworden ist, etwa Energie.
Das steht außer Frage, und das sehen wir als Arbeitgeber selbstverständlich auch. Schließlich steigen die Kosten nicht nur für private Verbraucher, sondern auch für die Unternehmen. Wir werden nur mit einem maßvollen Abschluss die Balance zwischen den Interessen der Beschäftigten und denen der Unternehmen halten können. Oberste Priorität in diesen schweren Zeiten hat für uns die Unternehmenssicherung und damit auch die Beschäftigungssicherung. Die Ursache insbesondere für die hohen Energiekosten liegen in dem schrecklichen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. Er hat unser bisheriges Energiemodell nachhaltig erschüttert, was sich auf die Preise auswirkt. Hier muss die Politik für weitere Entlastungen sorgen.
Was heißt das konkret?
Auch für Betriebe verteuert sich die Energie. Das wirkt sich auf die Preise für Waren und Vorprodukte in der gesamten Wertschöpfungskette aus. Die höheren Preise können nur zum Teil weitergegeben werden. Das führt zu einer sehr heterogenen Situation.
Was bedeutet das?
Einige Betriebe verdienen noch gut, aber die breite Masse rechnet mit einer kritischen Ertragslage dieses und nächstes Jahr oder macht gar Verluste. Es gibt große Unterschiede. Als Arbeitgeber stehen wir zum Flächentarifvertrag, der für möglichst viele Betriebe und Beschäftigte gelten soll. Es geht darum, ihn so zu gestalten, dass sich auch diejenigen darin wiederfinden, denen die Krise mehr zusetzt als anderen.
Soll das heißen, dass es diesmal eine Nullrunde gibt?
Es geht in dieser Tarifrunde darum, Beschäftigung zu sichern, und zwar für alle Mitarbeitenden. Das gelingt den Tarifpartnern nur gemeinsam. Wir brauchen einen realistischen, verantwortungsvollen Abschluss. Den sehen wir nicht bei 8 Prozent. Diese Größenordnung können die Betriebe nicht stemmen. Der Tarifvertrag muss für alle attraktiv sein.
Aber die Auftragsbücher sind doch derzeit voll?
Bei vielen Firmen ist das so. Das stimmt grundsätzlich optimistisch. Allerdings beobachten wir seit Jahresbeginn einen Rückgang bei den Neuaufträgen. Zudem können viele Betriebe bestehende Aufträge aufgrund der Lieferengpässe nicht abarbeiten. Werden keine Produkte ausgeliefert, fehlt der Umsatz. Genau diese dramatische Lage müssen wir jetzt gemeinsam überstehen. Wir Arbeitgeber können nur an die Beschäftigten appellieren, alles dafür zu tun, dass unsere Industrie leistungsfähig bleibt, damit wir auch morgen noch attraktive Arbeitsplätze erhalten können.
Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.
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