Schwabach. Aufträge sind da, aber Lieferengpässe und hohe Preissteigerungen setzen die Betriebe unter Druck. Wie stemmen sie die täglichen Herausforderungen? Sechs Mitarbeitende der Richard Bergner Holding GmbH & Co. KG (RIBE) im fränkischen Schwabach berichten. Der Mittelständler mit rund 1.300 Mitarbeitenden ist einer der führenden internationalen Anbieter von Elektroarmaturen, mechanischen Verbindungselementen und technischen Federn. Er entwickelt und fertigt wichtige Produkte für Automobilbau, Medizintechnik, den Maschinenbau sowie Energieversorger und Verkehrsbetriebe.
„Lieferanten drehen alle an der Preisschraube“
„Im Zentraleinkauf prasselt derzeit vieles auf uns ein. Die Versorgung mit Rohstoffen und die Kosten sind die großen Themen. Wir kaufen pro Jahr etwa 15.000 Tonnen Stahl und bis zu 1.400 Tonnen Aluminium. Alle Lieferanten drehen an der Preisschraube. Wir können die Steigerungen aber nicht in vollem Umfang an Kunden weitergeben – und wenn, dann nicht sofort. Früher liefen Verträge mindestens ein halbes Jahr. Heute müssen wir nach drei Monaten neu verhandeln.
In der Pandemie haben wir unsere Sicherheitsbestände im Lager erhöht. Dennoch wurde manches knapp. Teils mussten wir höherwertige Materialien einsetzen, was die Margen drückt.
Darüber hinaus ist der Transport ein Problem. Zuerst waren keine Container verfügbar, dann staute sich alles in den Häfen. Wird endlich entladen, funktioniert die Bahn nicht, und wir müssen Direktfahrten mit dem Lkw machen. Das geht aber nur teilweise, da den Speditionen Fahrer fehlen. Bei Lieferungen aus Asien ist teure Luftfracht das letzte Mittel. Wir überlegen daher, beim Einkauf wieder mehr Richtung Europa zu gehen, obwohl es hier teurer ist. Immerhin käme das der CO2-Bilanz zugute.“
„Es wird viel bestellt, aber oft nicht abgeholt“
„Längere Lieferzeiten, kurzfristige Verschiebungen und Ausfälle, weil Mitarbeiter, Boxen oder Lkws für den Transport fehlen, bedeuten zurzeit deutlich höheren Aufwand in der Disposition. Die größere Herausforderung für uns ist jedoch, ob Kunden die bestellten Mengen auch abnehmen. Oft ist das leider nicht der Fall.
Rund 90 Prozent der Verbindungstechnik fließen in die Auto-Industrie. Die Volatilität ist dort hoch, das macht es uns schwer. Muss die Fahrzeugproduktion in den Werken umgeplant werden, weil dort Komponenten wie Chips fehlen, werden unsere Spezialschrauben nicht abgerufen, sondern stattdessen kurzfristig Teile für andere Modelle. So kommt es vor, dass wir sowohl Engpässe als auch zu hohe Bestände im Lager haben. Pro Monat liefern wir 1.200 Tonnen Verbindungselemente aus. Wenn plötzlich 20 Prozent davon liegen bleiben, und das mehrmals hintereinander, wird’s eng. Anderweitig verkaufen können wir die Teile nicht, da sie kundenspezifisch gefertigt sind.
Mehr Verlässlichkeit beim Abrufen der Ware wäre gut. Dann steigt die Verfügbarkeit, und wir müssen keine Engpässe mehr managen.“
„Umformwerkzeuge sind teuer und knapp“
„Im Werkzeugbau arbeiten wir mit Umformwerkzeugen aus Hartmetall. Da dieses Material derzeit schwer zu bekommen ist, versuchen wir, uns selbst zu helfen, nehmen etwa Standardteile mit Allround-Durchmesser. Die müssen wir aber erst anpassen, bevor wir sie in den Pressen einsetzen können. Und so ein Umform-Werkzeug besteht aus 80 bis 100 Einzelteilen. Da muss also einiges ersetzt oder neu konzipiert werden, und man kann sich vorstellen, dass es länger dauert, bis das Werkzeug fertig ist – und sich entsprechend auch die Kosten erhöhen.
Außerdem ist Wärmebehandlung ein wichtiger Prozess bei uns in der Schraubenfertigung, sie verleiht den Komponenten Festigkeit. Dafür brauchen wir Erdgas. Das ist auch ein Problem: Es ist viel teurer geworden, und wir beobachten mit Sorge, ob es eine Mangellage geben wird.
Erdgas ist in unserer Fertigung nur schwer zu ersetzen. An anderen Standorten unseres Unternehmens laufen bereits Versuche, für die Wärmebehandlung künftig auch Propangas einzusetzen. In Schwabach sind wir jedoch noch einer der größten Abnehmer für Erdgas.“
„Planen ist gerade wie Tetris spielen“
„Ich bin zuständig für die Einplanung, etwa beim Stauchen von Metallteilen. Damit alles reibungslos läuft, müssen die Maschinen einsatzbereit, das Personal verfügbar sowie Draht und die nötigen Werkzeuge zur Bearbeitung vorhanden sein. Planen ist deshalb für mich gerade wie Tetris am PC spielen. Ich muss schauen, dass alles gut zusammenpasst und nirgends eine Lücke bleibt. Wenn etwa an einer Presse nicht produziert werden kann, weil hier das entscheidende Werkzeug fehlt, planen wir kurzfristig um.
Ebenso machen wir das bei krankheitsbedingten Ausfällen von Kollegen, die Pandemie ist ja nicht vorbei. Aus drei Schichten, die wir geplant hatten, werden so schnell nur noch zwei.
Diese kurzfristigen Anpassungen sind eine Herausforderung, denn eigentlich braucht die Fertigung Vorlaufzeit: Es dauert bis zu fünf Wochen, bis vom Kopf zum Gewinde bei einer Schraube alles stimmt und auch die Beschichtung aufgebracht ist. Wir stellen spezielle Verbindungselemente her, das hat nichts mit Schrauben aus dem Baumarkt zu tun. Im Auto werden damit etwa Getriebe und Motorblock verbunden.“
„Der Krisenmodus ist das neue Normal“
„Unsere Elektroarmaturen haben tragende und verbindende Funktion. Sie sorgen dafür, dass Strom in Hochspannungsleitungen und auf Bahntrassen sicher transportiert wird. Dafür designen und fertigen wir Bauteile aus Aluminium, Kupfer, Stahl. Rohmaterial und Halbfertigprodukte zu bekommen, ist derzeit extrem herausfordernd.
Andere Firmen agieren mit Hamsterkäufen und horten Material. Das können wir nicht, denn unser Projektgeschäft hat eine Bestandsreichweite von nur drei bis vier Monaten. Wir wissen oft nicht, was der Kunde danach benötigt. Aber wir müssen lieferfähig bleiben. Die Teile werden auf Baustellen der Netzbetreiber benötigt, diese sind systemrelevant. Das betrifft etwa Großprojekte für die Energiewende
Die aktuelle Logistiksituation ist eine große Challenge, wir bewegen hohe Tonnagen. Eine Armatur kann bis zu 20 Kilo wiegen. Das kann man nicht mal eben aus dem Ausland herfliegen. Jedes Teil ist entscheidend. Zum Beispiel bei unserem Klassiker, Keilabspannklemmen, ein 10.000-fach verkauftes Produkt. Fehlt eine einzige Schraube, können wir die ganze Baugruppe nicht zusammensetzen.“
„Gleiche Qualität zu liefern, ist extrem teuer“
„Hervorragende, geprüfte Qualität der Produkte ist einer unserer zentralen Wettbewerbsvorteile. Für spezielle, hochbelastbare Verbindungsschrauben im Automotor kommen schnell drei bis fünf Jahre Entwicklungszeit mit umfassenden Prüfungen zusammen. Allein der sogenannte Relaxationstest dauert 2.000 Stunden, ein Vierteljahr!
Die Prüfergebnisse sind aber nur gültig, wenn wir genau dies Material und dasjenige Vorprodukt eines bestimmen Lieferanten nutzen. Wenn wir, wie derzeit fast ständig, auf anderes Material oder neue Vorprodukte umschwenken müssen, erfordert dies neue Tests in kürzester Zeit. Denn unsere Kunden verlangen den Nachweis, dass das Ersatzprodukt sicher ist. Das hat auch Haftungsgründe, denn keiner will nachher Schuld haben, wenn eine lose Schraube zu einem schweren Autounfall führt.
Neue Tests sind allerdings enorm aufwendig und teuer. Eine Qualifizierung für eine kapitale Motorschraube kostet ab 200.000 Euro aufwärts. Wir haben dafür weder das Budget noch die Zeit eingeplant, das belastet uns also zusätzlich. Doch wir können die Kosten nicht eins zu eins weitergeben.“
Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.
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