Stuttgart. Oft haben Sie in aktiv einen Kommentar von Peer-Michael Dick gelesen, dem Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Südwestmetall (SWM). Mit 68 Jahren verabschiedet sich Dick nun in den Ruhestand. Kurz vor Dienstschluss stellen wir ihm hier daher einmal etwas andere Fragen: Weshalb gibt es eigentlich Arbeitgeberverbände – welche Vorteile haben Unternehmen dadurch? Und was bringt die Arbeit der Verbände den Beschäftigten? Über dieses und andere Themen hat aktiv mit dem Juristen gesprochen.
Herr Dick, wenn Sie im Alltag Produkten der Branche begegnen – wie wirkt das auf Sie?
Das ist immer ein tolles Gefühl! Egal wo du bist oder was du machst: Ohne die Produkte unserer M+E-Industrie läuft nichts. Fahrzeugbau und Zulieferer, Maschinenbau, Medizin- und Umwelttechnik und vor allem Energie: Überall sind wir dabei.
Viele Unternehmen sind ja sogar globale Marktführer. Was trägt der Arbeitgeberverband dazu bei? Und wieso ist er auch für die einzelnen Beschäftigten wichtig?
Wir vertreten die Interessen der Unternehmen gegenüber der Politik. Und das hilft immer auch den Beschäftigten! Plant die Politik zum Beispiel ein neues Gesetz, werden wir in vielen Fällen stellvertretend für unsere Mitgliedsunternehmen gefragt, was wir davon halten: Hat die Wirtschaft hier in Baden-Württemberg gute Bedingungen? Ist das auch gut für die Arbeitsplätze? Aktuell geht es da vor allem darum, dass wir nicht den Anschluss verlieren. Es geht um das Thema Energie, es geht um das Thema Arbeitskräfte und um das große Thema Rente und Krankenversicherung. Wobei die Tarifpolitik unsere Hauptaufgabe ist: Durch Tarifverträge gestalten wir als Arbeitgeberverband auf der einen Seite und die IG Metall auf der anderen Seite passende Arbeitsbedingungen für die Branche.
In der Tarifpolitik geht es um viel mehr als nur die Entgelthöhe, oder?
Es geht weit darüber hinaus und betrifft auch Fragen wie Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Altersteilzeit, Qualifizierung und viele andere Themen. Diese tariflichen Bedingungen setzen Benchmarks in der Branche, wovon letztlich sowohl die Unternehmen vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels profitieren als auch die Beschäftigten.
Konflikte mit der Gewerkschaft gab es in Ihrem Job reichlich. Was hat Sie so lange im Amt gehalten?
Es ist sehr abwechslungsreich. Man hat mit kleinen und großen Betrieben zu tun, geht oft gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern an die Aufgaben heran. Im Alltag stehen die Konflikte meist gar nicht so im Vordergrund, eher die Herausforderungen. In der Regel überwiegt sogar das vernunftbetonte Miteinander. Am Ende geht es immer darum, Kompromisse zu finden, von denen Unternehmen und Beschäftigte profitieren. Solche Lösungen mit zu entwickeln und möglichst gute Rahmenbedingungen zu schaffen, das hat mich immer wieder aufs Neue angetrieben.
Der Südwesten ist ja oft ein Vorreiter in der deutschen Tarifpolitik. Warum?
Hier arbeiten wir sehr ergebnisorientiert, um auf Dauer tragfähige Kompromisse zu finden. Wir sind auch deshalb oft Vorreiter bei innovativen tarifpolitischen Lösungen, weil sowohl die IG Metall als auch wir fachlich sehr gut aufgestellt sind, auch unterstützt durch Vertreter unserer Mitgliedsfirmen. Natürlich knallt es auch mal heftig, gerade in Tarifrunden. Aber am Ende haben beide Seiten auch fast immer ein gemeinsames Interesse.
Welche Ihrer Lösungen waren zum Beispiel wegweisend?
Da gibt es viele. Ein Beispiel: die tariflichen Regelungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit. Beschäftigte profitieren einerseits dadurch, dass sie selbst Spielräume bei der Gestaltung der Arbeitszeit haben. Und die Spielräume für den Arbeitgeber haben in Krisen geholfen, flexibel zu reagieren und Entlassungen zu vermeiden, etwa während Corona. Das bringt beiden Seiten enorm viel.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag als Hauptgeschäftsführer aus?
Jeden Morgen informiere ich mich über die aktuelle Lage, auch mithilfe etlicher Mails aus Betrieben. Pflichtlektüre ist ein Newsletter mit Schwerpunkt M+E-Industrie. Wir sind mit 13 Bezirksgruppen in ganz Baden-Württemberg vertreten, ich tausche mich mit deren Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern aus. Und bin im engen, regelmäßigen Austausch mit unseren Vorständen, vor allem mit unserem Vorsitzenden.
Da vergeht sicher kein Tag ohne eine Sitzung, oder?
Ganz genau, wobei mittlerweile etwa die Hälfte davon virtuell stattfindet. Es gibt auch einen regen Austausch mit anderen Verbänden sowie mit Vertreterinnen und Vertretern staatlicher Stellen. Nicht jeden Tag, aber häufig gibt es Treffen mit Landesministern und Landespolitikern. Das ist sehr vorbereitungsintensiv, denn häufig geht es um geplante Gesetze, die wir kritisieren.
Muss solche Kritik denn sein?
Eindeutig ja! Neue Gesetze müssen für die Wirtschaft ja tragbar und umsetzbar sein und dürfen nicht immer nur neue Lasten und Bürokratie aufbürden. Wenn in einem von 100 Fällen etwas schiefläuft, muss man nicht gleich ein Gesetz machen, dass die 99 anderen in Sippenhaft nimmt. Das ist im Interesse aller: Nur eine funktionierende Wirtschaft kann der Allgemeinheit dienen.
Was wünschen Sie der Branche für die Zukunft?
Dass wir mit den Herausforderungen der Transformation wachsen und unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Im Dialog mit der Politik muss es gelingen, die Bedingungen für unsere Unternehmen und für Neuansiedlungen so gut zu gestalten, dass keiner an Baden-Württemberg vorbeikommt.
Starke Stimme der Wirtschaft
- Die Metall- und Elektro-Industrie (M+E) ist die Schlüsselbranche in Baden-Würt- temberg – wie auch in Deutschland insgesamt. Zu ihr zählen neben dem Fahrzeug- und dem Maschinenbau vieleBereiche, zum Beispiel Elektrotechnik, Feinmechanik, Medizintechnik und Optik.
- Südwestmetall hat rund 700 Mitgliedsunternehmen mit insgesamt mehr als einer halben Million Beschäftigten. Neben der Hauptgeschäftsstelle in Stuttgart gibt es landesweit 13 Bezirksgruppen. Südwestmetall ist mit der größte unter den vielen regionalen Verbänden der Metall- und Elektro-Industrie.
- Peer-Michael Dick arbeitet seit über 35 Jahren bei dem Arbeitgeberverband und stand zuletzt 15 Jahre lang als Hauptgeschäftsführer an der Spitze von Südwestmetall.
- Nachfolger von Peer-Michael Dick ist Oliver Barta. Ein Interview mit ihm lesen Sie in Kürze hier.
Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.
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