München. Corona, Gaskrise, schwieriges konjunkturelles Umfeld sowie Strukturwandel in der Industrie: Die Lage gerade in Bayerns Leitbranche ist derzeit extrem unsicher. Wie steht es da mit einer Ausbildung in der Metall- und Elektro-Industrie? aktiv hat darüber mit Hans Dietrich gesprochen, Experte für Bildungs- und Arbeitsmarktsoziologie am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Lohnt sich eine Ausbildung?

Wir sehen derzeit, dass die jungen Menschen unter einer Vielzahl von Ausbildungsplätzen wählen können. Denn es gibt insgesamt mehr Stellen als Bewerber. Allerdings sehen wir auch, dass immer mehr junge Leute mit mittlerem Schulabschluss Richtung Fachoberschule streben, also einen höheren Bildungsweg einschlagen. Dabei hat man etwa mit einer Ausbildung in der Metall- und Elektro-Industrie gute Zukunftsaussichten. Das Ausbildungsniveau ist gut, die Übernahmequoten liegen sehr hoch, die Beschäftigungsqualität ist ebenfalls hoch und das Arbeitslosigkeitsrisiko gering.

Schreckt die unsichere Lage in der Industrie junge Leute vor einer Ausbildung ab?

Das sind aber Dinge, die nahezu alle Branchen und Berufe treffen. Niemand weiß, was morgen ist. Nur mal ein Beispiel, was äußere Einflüsse bewirken können: In einer Studie hat man festgestellt, dass Abiturienten, die während der Corona-Krise eine Ausbildung angefangen haben, deutlich zufriedener waren als ihre ehemaligen Mitschüler, die an die Hochschule gingen.

Das ist ja interessant. Warum das denn?

Bei ihnen ging etwas vorwärts, sie hatten das Gefühl, jeden Tag etwas zu leisten und zu lernen. Die Leute, die an der Uni waren, saßen zu Hause fest und meinten, die Zeit stehe still.

Aber nun dreht sich die Welt immer schneller, verändert sich stetig. Viele haben das Gefühl, sie kommen nicht mit.

Die aktuellen Transformationsprozesse sind Herausforderung und Chance zugleich. Nehmen wir etwa die Bereiche Heizungsbau oder Isolationstechnik, die wirklich gute Zukunftsperspektiven haben. Klimakrise und Energiewende sorgen dafür, dass sich dort sehr viel tut. Es braucht neues Know-how, neue Leute. Zudem verfügen die Betriebe über einen guten Ruf. Das spricht sich auch unter jungen Menschen rum, die ihre Ausbildungssituation mit denen ihrer Kollegen in anderen Branchen vergleichen.

Das heißt aber auch, dass die Anforderungen steigen, oder?

Das ist richtig. Betriebe und damit auch die Auszubildenden müssen sich heutzutage mit E-Mobilität, Informatik und Steuerungstechnik beschäftigen. Die Ausbildungsordnungen werden anspruchsvoller und berücksichtigen die aktuellen technologischen Entwicklungen. Somit hilft die betriebliche Ausbildung, die eigenen Qualifikationen an künftige Bedarfe anzupassen.

Was muss passieren, damit Ausbildungsberufe wieder attraktiver werden?

Es gibt ganz viele tolle Berufe in attraktiven Betrieben, und genau das sollten sie nach außen zeigen. Viele tun das ja auch schon. Ein wichtiger Punkt ist, dass man bei Kontakt- oder Jobbörsen auch Menschen anspricht, die kein perfektes Zeugnis haben. Als Betrieb muss man diesen Leuten zu verstehen geben: Du bestehst die Ausbildung und hast danach eine realistische Chance auf Übernahme. Und wir helfen dir dabei. Mehr und mehr Firmen bieten ihren Auszubildenden deswegen Unterstützung an. Sie kooperieren mit Verbänden, Kammern oder anderen Trägern, die helfen, Wissenslücken zu schließen oder etwa Defizite in Mathematik aufzuarbeiten.

Christian Schreiber
Autor

Unser freier Autor Christian Schreiber ist als Journalist in Baden-Württemberg, Bayern und der Welt unterwegs. Wirtschaftsthemen fesseln ihn seit seiner Jugend. Der Allgäuer, der in Augsburg Medien und Kommunikation studierte, hat die Berge in sein Herz geschlossen und auch sie zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht.

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