München. Für ausbildungswillige Jugendliche sind die Chancen in Bayern so gut wie nie. Jedem Bewerber stehen rein rechnerisch branchenübergreifend 1,8 Ausbildungsplätze gegenüber. Und auch Bayerns Leitbranche, die Metall- und Elektro-Industrie (M+E), plant für dieses Jahr, die Zahl ihrer Ausbildungsplätze wieder deutlich zu erhöhen. Dies ist das Ergebnis der aktuellen Umfrage von bayme vbm, den Arbeitgeberverbänden der bayerischen M+E-Industrie.
Gut 14.000 junge Frauen und Männer und damit 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr könnten im Herbst 2022 ihre Ausbildung starten – wenn sich genügend Bewerber finden. Und genau dies ist eine der großen Herausforderungen für die Industrie, stellte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer von bayme vbm heraus. „Die großen Betriebe hatten ihre Stellen für 2022 bereits fast vollständig besetzt“, gab er bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse an.
In kleineren und mittelständischen Betrieben sind jedoch noch Plätze frei. Kurzentschlossene können sich sogar noch für September 2022 bewerben.
Laut Umfrage ist ein Hauptgrund für die unbesetzten Ausbildungsstellen, dass es zu wenige Bewerber auf dem Markt gibt – oder die Qualifikation der Schulabgänger nicht zu den benötigten Fertigkeiten in der Ausbildungsstelle passt. Für mehr als die Hälfte der Unternehmen (52 Prozent) ist dies das drängendste Problem. Im Vorjahr gaben nur 44 Prozent an, dass Bewerber mit passenden Qualifikationen fehlen.
Ausbildung als wichtige Säule gegen Fachkräftemangel
Trotz nach wie vor schwieriger konjunktureller Lage sowie der spürbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie und nach wie vor gestörter Lieferketten setzen die Unternehmen in Bayern auf Ausbildung als eine der wichtigsten Säulen, dem Fachkräftemangel in der Industrie zu begegnen.
Drei Viertel der Betriebe bilden nach Bedarf aus, knapp 5 Prozent sogar über Bedarf. Und fast alle Auszubildenden werden übernommen – zum großen Teil unbefristet, in wenigen Fällen mit Befristung. Lediglich knapp 6 Prozent der Auszubildenden bleiben nach dem Abschluss nicht im Betrieb – und das meist auf eigenen Wunsch, weil ein aufbauendes Studium oder eine alternative Fachrichtung angestrebt wird.
Die Umfrage ergab auch, dass sich die Ausbildungsinhalte stark an Zukunftsthemen in der Industrie orientieren. Im vergangenen Jahr setzte ein Drittel der Berufsschulen Industrie-4.0-Inhalte um, ein weiteres Drittel plante dies. Zudem nimmt digitales Lernen einen immer höheren Stellenwert ein: 85 Prozent der Unternehmen halten dies für wichtig, lediglich 3 Prozent sehen dafür keine Notwendigkeit.
Einen digitalen Wandel durchlaufen die Betriebe auch bei der Ansprache von potenziellen Auszubildenden. Sieben von zehn Unternehmen schalten Anzeigen auf digitalen Ausbildungsplattformen. Vier von zehn bewerben ihre Stellen über Marketingmaßnahmen in sozialen Medien. Jede dritte Firma führt inzwischen Vorstellungsgespräche online durch.
Angesichts des sich verschärfenden Bewerbermangels hält bayme-vbm-Hauptgeschäftsführer Brossardt die Pläne der Ampel-Koalition, eine Ausbildungsgarantie einzuführen, für nicht zielführend. „Viele Tausende nicht zu besetzende betriebliche Stellen in Bayern zeigen deutlich, dass wir kein Angebotsproblem haben.“
Gezielte Berufsorientierung hilft, den Traumjob zu finden
Aus Brossardts Sicht muss vielmehr daran gearbeitet werden, die Schulabgängerinnen und Schulabgänger noch umfassender als bisher über Ausbildungswege und die jeweiligen Anforderungen an Ausbildungsberufe zu informieren. „Wir brauchen in den allgemeinbildenden Schulen noch mehr gezielte Berufsorientierung und qualitativ hochwertige Unterstützung bei der Berufswahl“, forderte er.
Die bayerischen M+E-Arbeitgeber gehen mit gutem Beispiel voran und setzen längst zahlreiche Projekte zur Berufsorientierung ein – damit jede und jeder seinen passenden Beruf findet.
Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.
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