Wuppertal. Deniz Önler beobachtet auf dem Laptop, wie die Temperatur steigt und wie Abwärme in die Heizungsanlage des Betriebs gespeist wird, während eine Charge Zangenrohlinge in den Glühofen einfährt. Werktechniker Önler ist ein „Energiepate“ der Gebäudeleittechnik von Knipex in Wuppertal – und sorgt dafür, dass der Energieverbrauch wesentlicher Anlagen detailliert und in Echtzeit abgelesen werden kann. „Nur so können wir die Wirksamkeit unserer Maßnahmen prüfen“, erklärt er beim aktiv-Besuch. Das sei ganz ähnlich wie im Auto. „Mit Bordcomputer sieht man: Für die Strecke von A nach B brauche ich 20 Liter Benzin.“

Önler ist einer von 15 Energiepaten beim Weltmarktführer in Sachen Zangen für Industrie und Handwerk. Die Aufgabe dieser Energiepaten ist, genauer zu schauen: Was können wir in Produktion und Verwaltung noch verbessern? Einfach ist die Aufgabe nicht, denn die tief hängenden Früchte in Sachen Energieeinsparung wurden schon gepflückt. Beim Abernten des Rests ist der Aufwand größer und der Ertrag kleiner.

Das über 140 Jahre alte Wuppertaler Familienunternehmen Knipex ist schon lange ein ehrgeiziger Energiesparer. 2015 setzte man sich hier das Ziel, den Energieverbrauch pro Zange um ein Viertel zu senken. Der Energiebedarf im Betrieb ist groß: 40 Gigawattstunden an Gas und Strom jährlich – so viel, wie rund 10.000 Haushalte verbrauchen. „Unseren Stahl können wir halt nicht kalt kneten“, sagt Barbara Meimeth, Nachhaltigkeitsbeauftragte bei Knipex. Während der Produktion muss das Metall mehrmals aufgewärmt werden.

Knipex produziert mit enormer Fertigungstiefe

Über 65.000 Zangen verlassen täglich das Werk, 65 Prozent werden im Ausland verkauft. Eine Besonderheit von Knipex ist: Die Herstellung findet ausschließlich in Wuppertal statt, mit einer Fertigungstiefe von nahezu 100 Prozent! Aus dickem Stahldraht machen die rund 1.750 Mitarbeiter nach Schmieden, Glühen, Bohren, Fräsen, Härten, Vernieten, Polieren und einigen Schritten mehr Werkzeuge für Profis. Das Konzept des Alles-selber-Machens ist sehr erfolgreich: Das Unternehmen wächst seit Jahren und erweitert den Standort um mehrere Werkhallen.

„Im Vergleich zu 2021 haben wir einen Riesensprung gemacht.“

Sebastian Strie, Energiepate Glüherei, Knipex

Und der Betrieb hat schon viel getan, um Energie zu sparen: Photovoltaik-Anlagen auf allen geeigneten Dächern produzieren Sonnenstrom. Abwärme wird zurückgewonnen, um damit zu heizen und das Wasser zum Duschen zu erwärmen. Eine selbstlernende Steuerung fährt die Druckluft-Kompressoren streng nach Bedarf rauf und runter. Eine Soundcam, eine Art lauschendes Ohr, findet Leckagen in Schläuchen schnell.

Weil aber immer noch etwas mehr geht, rief Knipex 2021 die Energiepaten ins Leben. Diese durchforsten systematisch ihre Bereiche und tauschen sich regelmäßig aus.

„Der Fokus liegt nun auf den großen Verbrauchern“, sagt Nachhaltigkeitsbeauftragte Meimeth. Da ist etwa die Glüherei, auf die über 4 Prozent des Gesamtverbrauchs entfallen. In den sechs Öfen glühen die Rohlinge normalerweise 165 Minuten lang bei 720 Grad. „Die Parameter sind noch auf unsere alte Anlage abgestimmt“, heißt es bei den Energiepaten der Glüherei, Andreas Gehla und Sebastian Strie. Den Paten-Job machen sie neben ihren Kernaufgaben: Strie als Abteilungsleiter und Gehla als Prozessoptimierer für die Rohteilfertigung.

Vor wenigen Jahren wurden neue Öfen angeschafft, die sich besser regeln lassen. Versuche mit einer Produktgruppe zeigten dann: „Die Teile bleiben 15 Minuten weniger im Ofen – und erfüllen dennoch alle Qualitätskriterien“, so Strie. Nun wollen sie prüfen, ob für die Wärmebehandlung auch zehn Grad weniger reichen. „Das hängt vom jeweiligen Artikel ab, denn die Weiterverarbeitung ist sehr vielfältig“, ergänzt Gehla. „Wir sehen da noch jede Menge Sparpotenzial.“

Die Energiesparfüchse binden bei der Suche nach Verbesserungen die Mannschaft ein. Es geht auch darum, dass die Öfen optimal ausgelastet sind. „Früher stand mal einer eine halbe Stunde leer und wurde trotzdem beheizt“, sagt Strie. „Nun ist die Bestückung sehr eng. Im Vergleich zu 2021 haben wir einen Riesensprung gemacht.“

Investitionen in Energieeffizienz zahlen sich aus

Die Verbrauchskennzahlen hängen in jeder Abteilung aus und werden in der Mitarbeiter-App laufend aktualisiert. „Jeder kann sehen, was sein Engagement bringt“, sagen die Energiepaten. Und was treibt sie dabei selbst um? Ihren Kindern wollen sie eine bessere Welt hinterlassen. „Mit Umweltthemen kommt man bei Knipex weiter“, sagt Strie. „Man will auch, dass es dem Unternehmen gut geht.“

„Wir sind ein energieintensives Unternehmen, und die Energiepreise sind stark gestiegen“, so Meimeth. Andererseits sehe man gerade, dass und wie sich frühere Investitionen in Energieeffizienz auszahlen. „Die Krise ist ein Booster“, sagt sie, „so wie Corona die Digitalisierung forciert hat.“ Und die Energiepaten haben noch zahlreiche Ideen …

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

Alle Beiträge der Autorin