Pflegebedürftigkeit kommt nicht immer schleichend, sondern manchmal auch blitzartig. In solchen Akutsituationen müssen Angehörige oft von jetzt auf gleich verfügbar sein, um den Hilfsbedürftigen zu versorgen und notwendige Dinge zu organisieren. Dabei hilft der Sozialstaat mit einem gesetzlichen Recht auf bis zu zehn freie Tage. Dauert die Pflege dann länger, gibt es weitere Gesetze, aus denen pflegende Angehörige Ansprüche ableiten können.

Für welche Angehörigen gelten die Gesetze?

Alle Regelungen gelten grundsätzlich für Arbeitnehmer, die nahe Angehörige pflegen. Das Gesetz benennt folgende Personen als nahe Angehörige:

  • Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern und Großeltern
  • Ehepartner, eingetragene Lebenspartner sowie Partner unverheirateter Paare in eheähnlicher Gemeinschaft
  • eigene Geschwister und deren jeweilige Ehepartner beziehungsweise eingetragene Lebenspartner
  • bei Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften: die Geschwister des Partners sowie deren jeweilige Ehepartner beziehungsweise eingetragene Lebenspartner
  • eigene Kinder sowie die Kinder des Ehepartners beziehungsweise eingetragenen Lebenspartners (auch Adoptiv- oder Pflegekinder)
  • Enkelkinder und Schwiegerkinder (= Schwiegertöchter beziehungsweise -söhne)

In Akutsituationen: Freie Tage nehmen ist ohne Vorankündigung möglich

Wenn ein solcher naher Angehöriger von jetzt auf gleich pflegebedürftig wird, muss man normalerweise sofort aktiv werden. Das ist während der regulären Arbeitszeit aber meist kaum machbar.

Für solche Notlagen hat jeder Arbeitnehmer dank des Pflegezeitgesetzes die Möglichkeit, sich kurzfristig für bis zu zehn Tage freizunehmen. Dies geht ohne jede Vorankündigung und ist unabhängig davon, wie klein oder groß das Unternehmen ist.

Entscheidend ist nur, dass es sich um eine Akutsituation handelt. Es geht also nicht um eine Pflegebedürftigkeit, die sich aufgrund einer Erkrankung nach und nach einstellt, sondern um unvorhergesehene Situationen, in denen man sofort reagieren muss, beispielsweise nach einem Schlaganfall, einem Krankenhausaufenthalt oder einem Unfall.

Bei Freistellung: Arbeitgeber darf ärztliche Bescheinigung verlangen

Der Pflegebedürftige muss noch keinen offiziell festgestellten Pflegegrad haben. Die Pflegebedürftigkeit muss aber absehbar sein und der Hilfsbedarf mindestens dem Pflegegrad eins entsprechen. Als Nachweis kann der Chef eine entsprechende ärztliche Bescheinigung eines Mediziners verlangen, der den Angehörigen (mit)behandelt hat.

Zehn-Tage-Auszeit: Der Beschäftigte muss die zehn Tage nicht am Stück nehmen

Grundsätzlich gibt es maximal zehn Tage, und zwar einmal pro pflegebedürftige Person. Entstehen beispielsweise bei der dementen Mutter mehrmals hintereinander immer neue Notsituationen, gibt es trotzdem – von Ausnahmen abgesehen – insgesamt nur zehn Tage frei.

Entsteht dagegen zuerst bei der Mutter eine Akutsituation und einige Monate später beim Vater, darf man für den Vater erneut zehn Tage nehmen.

Die zehn Tage müssen nicht am Stück genommen werden, sondern man kann auch mehrmals mit Unterbrechungen freinehmen. Man kann die Tage auch auf mehrere pflegende Angehörige verteilen, sodass beispielsweise der Sohn sechs Tage und die Tochter vier Tage freinehmen.

Pflegende Beschäftigte können bei Verdienstausfall Pflegeunterstützungsgeld beantragen

Achtung: Die Freistellung ist normalerweise unbezahlt, sofern im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in einem Tarifvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.

Bei einem Verdienstausfall kann man aber bei der Pflegekasse des Hilfsbedürftigen (Ansprechpartner ist also dessen Krankenkasse) das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld beantragen. Dann bekommt man 90 Prozent des ausgefallenen Nettogehalts erstattet. Damit sollte man sich aber beeilen, denn dieser Antrag muss laut Gesetz „unverzüglich“ gestellt werden.

Welche Möglichkeiten bietet das Gesetz bei längeren Pflegeeinsätzen von Angehörigen?

Wenn Familienmitglieder nach dieser Akutsituation dauerhaft pflegebedürftig werden, müssen und wollen sich die Angehörigen natürlich oft weiter kümmern. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu verbessern, haben Beschäftigte verschiedene gesetzlich verbriefte Rechte. Zum einen können sie sich vorübergehend komplett freistellen lassen, um Angehörige zu pflegen. Zum anderen haben sie die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um Beruf und Pflege besser unter einen Hut zu bekommen.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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