Wer anderen einen Schaden zufügt, haftet. Das gilt auch bei der Arbeit. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zu Ungeschicken, die einem privat passieren: „In der Wirtschaft kann ein Fehler schnell sehr teuer werden“, erklärt Benjamin Stumpp, bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Experte für Rechtsfragen. „Würde der Arbeitnehmer dann wie im Privatleben mit seinem gesamten Vermögen haften, wäre er im schlimmsten Fall nach einem Missgeschick privatinsolvent.“
Hinzu kommt, dass die Arbeitgeber in aller Regel gut versichert sind. Auch darum müssen Arbeitnehmer für einen selbst verschuldeten Fehler in der Regel nur anteilig aufkommen. Außerdem spielt eine Rolle, ob es sich um eine sogenannte leichte, mittlere oder grobe Fahrlässigkeit handelt. „Alle diese Punkte werden bei einem innerbetrieblichen Schadensausgleich bedacht“, erklärt Stumpp. Daraus leitet sich dann ab, welchen Anteil der Arbeitgeber übernimmt und was der Arbeitnehmer dazu beisteuern muss.
Was, wenn ein hoher Schaden entsteht?
Stumpp schildert einen Fall, den das Bundesarbeitsgericht 2010 entschieden hat: Ein Mitarbeiter hatte an einer Maschine einen roten Knopf hinter einer Plexiglaskappe gedrückt, in der Hoffnung damit einen Alarm zu stoppen und größeren Schaden abzuwehren. Das Gegenteil war der Fall: Der Schaden an der Maschine und der Nutzungsausfall summierten sich fast auf 50.000 Euro. Der Mitarbeiter, der in seinem Aushilfsjob nur wenige Hundert Euro im Monat verdiente, hätte diese Summe nur schwer zurückzahlen können. Vor Gericht wurde geregelt, dass er ein Bruttojahresgehalt als Entschädigung bezahlen musste. Wenig im Vergleich zur Gesamtsumme.
Was ist mittlere und was ist grobe Fahrlässigkeit?
Bevor festgelegt wird, welche Folgen das Fehlverhalten des Arbeitnehmers hat, wird jedoch überprüft, wie schwer die Schuld ist. Beispiel: „Wenn ein Arbeitnehmer den Firmenwagen einmal versehentlich falsch betankt, wird von mittlerer Fahrlässigkeit ausgegangen, sodass der Schaden aufgeteilt wird“, erklärt Stumpp. Denn der Schaden hätte durchaus verhindert werden können, wenn der Mitarbeiter vorsichtiger gewesen wäre. Eine solche Situation liegt auch vor, wenn etwa ein Mitarbeiter auf seinem Dienst-Laptop, trotz Warnung der IT-Abteilung, eine E-Mail mit unbekanntem Absender öffnet und dadurch das IT-Netzwerk seines Arbeitgebers mit Viren befallen wird. Auch hier liegt eine mittlere Fahrlässigkeit vor.
Anders sieht es aus, wenn etwa das Falschtanken bereits das zweite oder dritte Mal vorkommt. „Beim ersten Mal kann man von einer mittleren Fahrlässigkeit ausgehen. Passiert das häufiger, handelt es sich um eine grobe Fahrlässigkeit, weshalb der Arbeitnehmer die Kosten gegebenenfalls komplett tragen muss. Davon unabhängig kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer abmahnen und gegebenenfalls kündigen“, erklärt Rechtsexperte Stumpp. Auch aus dem Arbeitsrecht können sich für den Arbeitnehmer also unangenehme Folgen ergeben.
Mit dem Gabelstapler in den Graben: Wer haftet?
Ähnlich ist die Situation, wenn ein Arbeitnehmer mit dem Gabelstapler im Graben landet: „Ist die Strecke dafür bekannt, dass sie nach Regen rutschig ist, wird man eher von einer leichten Fahrlässigkeit ausgehen. War der Gabelstaplerführer aber viel zu schnell unterwegs und ist die Strecke für ihre Gefahrgeneigtheit bekannt, handelt es sich eher um eine mittlere Fahrlässigkeit“, so Stumpp.
Und falls der Arbeitnehmer vor der Fahrt ein Bier getrunken hat, wird es sich um eine grobe Fahrlässigkeit handeln. Eine vergleichbare Situation wäre, wenn ein Mitarbeiter verbotenerweise am Fließband raucht und es dadurch zu einem Feuer kommt. Neben der finanziellen Haftung müssen der Fließbandarbeiter und der Bier trinkende Gabelstaplerführer in beiden Fällen laut Arbeitsrecht mit einer Kündigung rechnen, wenn sie zuvor schon einmal verhaltensbedingt abgemahnt worden sind.
Anders sähe die Situation aus, wenn ein Mitarbeiter am Fließband Teile falsch einsortiert hat. „Dann entsteht zwar unter Umständen auch ein großer Schaden, aber das kann vorkommen“, sagt der Rechtsexperte. „Menschen machen Fehler.“
Mitarbeiterhaftung: Es kommt immer auf den Einzelfall an
Im Umkehrschluss bedeutet das: „Man muss also schon jeden Einzelfall unter die Lupe nehmen, um fair urteilen zu können“, sagt Stumpp. Hinzu komme, dass der Arbeitsschutz in Deutschland so hoch ist, dass es fast nicht möglich sei, leicht fahrlässig einen schwerwiegenden Fehler zu machen. „Gabelstaplerführer beispielsweise bekommen viele Schulungen, darum ist ein unverschuldeter Unfall selten. Auch wer beispielsweise am Hochofen arbeitet, kann kaum noch die ganze Firma durch ein Fehlverhalten anstecken“, sagt Stumpp. Sollte es trotz des Arbeitsschutzes zu einem Brand kommen, werde auch darauf geschaut, welche Maßnahmen der Arbeitnehmer ergriffen hat, um den Brand zu löschen.
Schäden gegenüber Dritten: Wenn der Mitarbeiter dem Kunden einen Schaden zufügt
Übrigens gelten die gleichen Regeln, wenn der Mitarbeiter nicht seinem Arbeitgeber, sondern einem Kunden einen Schaden zufügt: Fällt dem Installateur die Zange ins Waschbecken, übernimmt der Chef dafür die Kosten. „So etwas kann passieren“, sagt Stumpp. „War der Arbeitnehmer dagegen ohne Schutzvorkehrung auf einer Leiter und fällt diese um und zerstört das Waschbecken, wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber anteilig dafür zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt der Rechtsexperte. Üblicherweise hat der Arbeitgeber dann jedoch gegenüber seinem Mitarbeiter das Recht, das Geld vom Lohn einzubehalten. „Wenn die Summe aus Sicht des Arbeitnehmers zu hoch scheint und die Arbeitsvertragsparteien sich nicht einigen können, muss gegebenenfalls das Arbeitsgericht den Fall prüfen“, so Stumpp.