Wenn Beschäftigte ihrer Arbeitspflicht nicht nachkommen, häufig krank sind oder die Geschäfte schlecht laufen – darf das Unternehmen dann das Gehalt kürzen? Nein, im Regelfall ist eine einseitige Reduzierung der Vergütung durch den Arbeitgeber nicht erlaubt, sagt Philipp Merkel, Leiter des Referats Arbeitsrecht beim Arbeitgeberverband Südwestmetall. „Dafür müsste der Arbeitsvertrag geändert werden, was nur geht, wenn beide Parteien damit einverstanden sind.“

Mit Gegenansprüchen darf aufgerechnet werden

Allerdings gibt es Fälle, bei denen der Arbeitgeber dennoch auf das Entgelt oder Bestandteile davon zugreifen kann. Dies wäre beispielsweise möglich, wenn ein Beschäftigter dem Unternehmen einen finanziellen Schaden zugefügt hat, etwa Produkte oder Werkzeuge mutwillig beschädigt. „Auch wenn ein Beschäftigter zu viel Gehalt überwiesen bekommen hat, kann der Arbeitgeber je nach Einzelfall die Überzahlung verrechnen“, so Merkel. Dies ist dann jedoch keine Kürzung, sondern der Arbeitgeber holt sich lediglich das zurück, was dem Beschäftigten nicht zustand.  

Ein Widerruf flexibler Vergütungsbestandteile ist unter engen Voraussetzungen möglich

Beinhaltet ein Arbeitsvertrag feste und variable Anteile als Vergütung, kann ein Widerruf der flexiblen Anteile gestattet sein, aber nur, wenn eine solche Widerrufsmöglichkeit vertraglich vereinbart wurde. „Hier kommt es sehr auf die Transparenz dieser Klauseln an. Die Beschäftigten müssen wissen, welche Entgeltbestandteile aus welchen Gründen widerrufen werden können“, sagt Merkel. 

Erfolgsabhängige Zahlungen können bei schlechten Leistungen entfallen

In vielen Fällen sind auch variable Gehaltsbestandteile, die zusätzlich zum Grundentgelt gezahlt werden, üblich. Diese werden an bestimmte Leistungsvorgaben geknüpft, etwa als Akkordvergütung. Ebenso gibt es Prämienvergütungen oder Provisions- und Bonuszahlungen, die die Beschäftigten erhalten, wenn definierte Ziele erreicht werden. Werden diese Ziele verfehlt, können die damit verknüpften Entgeltbestandteile nur teilweise ausgezahlt werden oder komplett entfallen.

Sonderfall Krankheit und Sonderzahlungen

Auch im Krankheitsfall darf sich der Arbeitgeber nicht einfach am Gehalt seines Mitarbeiters schadlos halten. Das regelt das Entgeltfortzahlungsgesetz, wonach „für eine Dauer von sechs Wochen der Lohn so fortgezahlt werden muss, als ob gearbeitet worden wäre“, erklärt Merkel. „Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, freiwillige Einmalzahlungen im Krankheitsfall zu kürzen, wenn dies entsprechend vereinbart wurde.“

Bei Minusstunden darf der Arbeitgeber den Lohn kürzen

Eine Kürzung der Vergütung wegen Minusstunden ist theoretisch möglich, kommt aber praktisch durch die mittlerweile üblichen Arbeitszeitkonten, die im gewissen Rahmen einen negativen Saldo zulassen, nicht vor. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und vorliegenden Minusstunden kommt es darauf an, ob der Beschäftigte die Möglichkeit hatte, bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses den Minussaldo auszugleichen.

Auch bei prekärer Lage des Unternehmens sind Gehaltskürzungen tabu

Und wenn es dem Unternehmen wirtschaftlich schlecht geht, was gilt dann? Auch in diesem Fall dürfe der Arbeitgeber nicht einseitig die Gehälter kürzen, um Kosten zu sparen, so Merkel, es sei denn, „im Arbeitsvertrag sind hierfür widerrufliche Vergütungsbestandteile vereinbart“. Ansonsten trägt der Arbeitgeber das sogenannte Betriebsrisiko. Will er an den Löhnen sparen, muss er mit seinen Mitarbeitern eine einvernehmliche Lösung finden, um die Vergütung zu reduzieren.

Ist ein Arbeitnehmer nicht zu einer Entgeltkürzung bereit, kann das Unternehmen gegebenenfalls eine betriebsbedingte Änderungskündigung aussprechen, die arbeitsgerichtlich überprüfbar ist. Grundsätzlich kommt eine solche Änderungskündigung aber nur dann in Betracht, „wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zur Schließung des Betriebs führen“, wie das Bundesarbeitsgericht 2017 urteilte (2 AZR 783/16 (F)).

Hat ein Mitarbeiter Schulden, können die Gläubiger Teile des Gehalts pfänden

Manchmal werden Unternehmen jedoch durch äußere Umstände gezwungen, auf das Gehalt eines Mitarbeiters zuzugreifen, nämlich wenn dieser Schulden hat. Legt ein Gläubiger des Beschäftigten, zum Beispiel die Bank oder ein Unterhaltsberechtigter, einen entsprechenden gerichtlichen Beschluss vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den gepfändeten Betrag direkt an den Gläubiger zu zahlen anstatt an den Beschäftigten.

„Dabei muss er Pfändungsfreigrenzen beachten, die sicherstellen sollen, dass dem Mitarbeiter genug Geld zum Leben bleibt und er nicht in seiner Existenz gefährdet ist.“ Aber auch hier handelt es sich nicht um eine Entgeltkürzung durch den Arbeitgeber, sondern vielmehr um die Erfüllung einer rechtmäßigen Pfändung aufgrund der Forderung eines Dritten.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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