In der Produktionshalle von Flender in Voerde stehen zwei mächtige Windrad-Getriebe nebeneinander. Links ein 63 Tonnen schweres Teil, Relikt der alten Generation. Rechts der Nachfolger: kleiner, mit 42 Tonnen fast ein Leichtgewicht, aber mit mehr Power. Beide warten auf ihren Einsatz auf dem Prüfstand. Das ältere Modell mit fünf Megawatt Leistung wurde generalüberholt und kann weitere 10 bis 15 Jahre Strom erzeugen. Die jüngere Getriebe-Generation bringt es sogar auf sieben Megawatt. Technologieentwicklungen haben die Leistungsdichte stetig erhöht. „Durch zahlreiche Innovationen, unter anderem durch den Umstieg von Wälzlager- auf Gleitlagertechnologien, konnten wir sehr viel Gewicht einsparen und dabei eine deutliche Leistungssteigerung erreichen“, sagt Produktionsleiter Udo Holdschlag.
Den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen
Die Windrad-Getriebe, Generatoren und Kupplungen verwandeln die Drehbewegung der Flügel in Elektrizität. Seit den 80er Jahren hat das Unternehmen weltweit über 350 Gigawatt Leistung installiert. Das reicht rechnerisch für knapp 270 Millionen Haushalte, sagt Kimberley ten Broeke. Die 32-Jährige sorgt dafür, dass Flender mit rund 9.000 Mitarbeitern weltweit bei seinen ökologischen und gesellschaftlichen Selbstverpflichtungen auf Kurs bleibt. „Corporate Social Responsibility“ (CSR) heißt das in der Fachsprache. Und es läuft gut, freut sich die CSR-Managerin: Flender hat den diesjährigen Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen und gehört zu dem 1 Prozent der nachhaltigsten Firmen weltweit laut EcoVadis-Rating. „Grüne“ Produkte zu haben reicht dafür nicht: Bei der Bewertung werden auch Lieferketten, Produktion und Logistik unter die Lupe genommen. Ten Broeke spricht von Solaranlagen auf den Hallendächern, die ein Fünftel des Standortbedarfs in Voerde decken, von kurzen Transportwegen, Wärmerückgewinnung, LED-Lampen und Job-Bikes.
Die 32-Jährige sorgt dafür, dass Flender mit rund 9.000 Mitarbeitern weltweit bei seinen ökologischen und gesellschaftlichen Selbstverpflichtungen auf Kurs bleibt. „Corporate Social Responsibility“ (CSR) heißt das in der Fachsprache.
Sogar Kleinigkeiten wie Recyclingpapier und klammerlose Tacker zählen. „Jede Abteilung kann etwas tun“, sagt sie. „Wir haben eine CSR-Strategie und versuchen, sie wo notwendig anzupassen und weiterzuentwickeln, müssen sie aber auch kommunizieren, damit die Mitarbeiter sich einbringen können.“
Dazu spricht sie mit sehr vielen unterschiedlichen Personen, „mit Kunden, Entscheidern, Mitarbeitenden und Meinungsbildern. Schließlich ist Nachhaltigkeit ein sehr breites Thema.“ Dabei hilft sicherlich, dass die CSR-Managerin ein Flender-Eigengewächs ist. Sie hat vor 14 Jahren hier als Auszubildende angefangen, Industriekauffrau gelernt und später neben dem Beruf Internationales Management studiert.
Chancen auch für Quereinsteiger
„Nachhaltigkeitsmanagement bietet schöne Möglichkeiten zum Quereinstieg, weil keiner alle Themen komplett abdecken kann“, sagt ten Broeke. Sie kann sogar der Regulatorik viel Begeisterung abgewinnen: „Nachhaltigkeit braucht Transparenz, Kennzahlen, Ziele. Was man nicht in Zahlen sehen kann, verfolgt man auch nicht, und Erfolge von Maßnahmen wären nicht erkennbar.“ Den gesetzlichen Verpflichtungen sei es zu verdanken, dass mehr Kunden und Lieferanten sich ebenfalls auf den Weg machen und die sogenannten ESG-Kriterien und ihre Emissionen im Fokus haben.
Bisher mussten nur kapitalmarktorientierte Firmen über ihre Schritte auf dem Weg zur Klimaneutralität berichten. Künftig soll das auch für immer mehr kleinere und mittelständische Betriebe gelten. Nicht zufällig ist CSR-Manager derzeit einer der gefragtesten Berufe.
Im Jahr 2030 will Flender CO2-neutral sein
Flender musste bisher keinen Bericht veröffentlichen, tat es aber freiwillig schon zweimal. Der Maschinen- und Anlagenhersteller hilft auch seinen Zulieferern mit einem eigens entwickelten Tool, ihren CO2-Fußabdruck zu berechnen und die Emissionen auf die einzelnen Produkte herunterzubrechen.
Im Jahr 2030 will man im eigenen Betrieb CO2-neutral sein und die Emissionen in der Lieferkette um 30 Prozent senken. „Man muss dafür den Produktionsprozess sehr detailliert durchleuchten“, sagt ten Broeke. Das bringe viel Extra-Aufwand – doch nur so zeige sich, ob sich alle Dekarbonisierungsanstrengungen auch bei den Produkten widerspiegeln.
Das „grüne“ Engagement macht Flender außerdem attraktiv für Azubis, duale Studierende und weitere Fachkräfte, so Kimberley ten Broeke. „Wir sehen das bei Bewerbungsgesprächen und in Umfragen.“
Seit Anfang 2024 bezieht Flender Ökostrom von einem Windpark, in dem die eigenen Getriebe im Einsatz sind. Ein Windrad braucht zudem Zement fürs Fundament, Stahl für den Turm, Verbundwerkstoffe für die Flügel. Deren Hersteller nutzen übrigens ebenfalls Flender-Getriebe und -Kupplungen.
Nicht zuletzt wird Kunden geholfen, Ressourcen und Energie zu sparen. Etwa durch die Sensortechnologie Marke AIQ. Damit werden seit einem Jahr neue Anlagenbauteile aus- und ältere nachgerüstet. Die Sensoren überwachen die Temperatur, den Ölstand und den Verschleiß von Gummiteilen. Sie warnen früh vor Fehlern und zeigen den richtigen Austausch-Zeitpunkt an. Produktmanager Matthias Hartmann: „Damit sparen unsere Kunden auf Lebenszeit des Getriebes einige Tausend Liter Öl und tonnenweise Gummielemente.“
Nachgefragt
Kimberley ten Broeke, CSR-Managerin bei Flender
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Da ist viel Learning by Doing dabei. Heute gibt es Nachhaltigkeitsstudiengänge. Früher aber war man auf Themen wie Umwelt oder Personal spezialisiert. In der Praxis heißt das: Sich einlesen und mit den Leuten sprechen, die sich jeweils auskennen.
Worauf kommt es an?
Wichtig ist etwa Kommunikationsstärke – in der Zusammenarbeit mit Abteilungen wie Einkauf, IT, Personal, Marketing, Logistik und mit Lieferanten.
Was reizt Sie daran?
Die Breite des Themas macht mir Spaß. Viele denken bei Nachhaltigkeit nur an die Umwelt. Aber es geht auch um Soziales wie Diversität und Inklusion oder um Antikorruptionsmaßnahmen. Man bekommt Einblicke, die man sonst nie hätte.
Das Unternehmen
Flender mit Sitz in Bocholt wurde vor 125 Jahren gegründet. Das Unternehmen ist Windenergie-Weltmarktführer mit 33 Standorten weltweit und rund 9.000 Beschäftigten.
Jedes dritte Windrad macht Strom mit Bauteilen der Flender-Marke Winergy – sie trägt 55 Prozent zum Jahresumsatz von 2,2 Milliarden Euro bei. 45 Prozent entfallen auf industrielle Antriebe der Marke Flender für die Zement-Industrie, für Rohstoffverarbeitung, Öl und Gas, Energieerzeugung, Wasser, Marine, Kräne und Fördertechnik.
Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.
Alle Beiträge der Autorin