Die Idee der Kreislaufwirtschaft ist nicht neu – doch sie gewinnt mit Blick auf künftig noch wichtigere Technologien auf dem Weg zur Klimaneutralität und den damit steigenden Bedarf an oft seltenen Rohstoffen ein völlig neues Gewicht. Nicht nur in der Industrie, sondern zum Beispiel auch im Bauwesen kann die lokale Rohstoffrückgewinnung eine entscheidende Rolle spielen. aktiv sprach darüber mit Adriana Neligan, Senior Economist für Umwelt, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit am Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Frau Neligan, was zeichnet eine wirklich gelungene Kreislaufwirtschaft aus?

Es gilt: Weniger – mehrfach – und anders! Mit Recycling allein lässt sich keine Kreislaufwirtschaft bilden. Es geht also darum, so wenig neue Rohstoffe wie möglich in das System einzuführen. Das bedeutet, dass Produkte möglichst lange verwendet und bereits gewonnene Rohstoffe dann mehrfach genutzt werden müssen. Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft kann ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Gesellschaft sein. Nebenbei wird so auch die Versorgungssicherheit verbessert: Die letzten Jahre haben uns ja eindrücklich gezeigt, wie kritisch Importabhängigkeiten sein können.

Ein Stichwort ist da „Urban Mining“, also die Nutzung menschengemachter Rohstoffvorkommen. Gebäude etwa enthalten ja jede Menge wertvoller Rohstoffe …

Ja, die Stadt an sich mit ihren Gebäuden, aber auch Elektrogeräten und Fahrzeugen bilden ein gigantisches Rohstofflager, das es zu nutzen gilt! Allerdings ist insbesondere bei Gebäuden häufig unklar, wann die recycelbaren Rohstoffmengen wieder verfügbar werden. Mineralische Bauabfälle inklusive des Bodenaushubs sind übrigens laut Umweltbundesamt mit über 220 Millionen Tonnen im Jahr 2020 der größte Abfallstrom in Deutschland! Das Bundesumweltministerium hat im Dezember 2023 eine neue Verordnung vorgelegt: Demnach sollen bestimmte mineralische Bau- und Abbruchabfälle wie Bauschutt, Straßenaufbruch oder auch Steine nicht länger als Abfallprodukte, sondern als Ersatzbaustoffe gelten. Damit gibt es erstmals bundesweite Regelungen zur Verwertung dieser Baustellenabfällen – damit soll die Akzeptanz für Ersatzbaustoffe verbessert und Potenziale für mehr Recycling von Bau- und Abbruchabfällen in technischen Bauwerken wie Sicht- und Lärmschutzanlagen erschlossen werden. Aber leider schließt die neue Regelung noch nicht alle Baustoffe mit ein: Das macht es schwer, die urbanen Minen mit der Zeit nicht wachsen, sondern möglichst schrumpfen zu lassen.

„Urban Mining“ ist letztlich auch Recycling.

Es kann jedoch nur eine Teilstrategie sein. Die Vermeidung von Abfällen sollte oberste Priorität haben, gefolgt von der Wiederverwendung bestehender Produkte, die wiederum ganz anders konzipiert und hergestellt werden sollten. Schon bei der Entwicklung muss mitgedacht werden, wie ein Produkt möglichst langlebig sein kann, wie es geupgradet oder repariert werden kann. Nur wenn der Kreislauf richtig gestartet wird, kann er effizient und lange funktionieren.

Damit spielen sie wohl auch auf schnelllebige Trend-Gütern wie etwa Smartphones an, wo ja oftmals der Austausch eines einzelnen Bauteils kaum möglich ist?

Ja. Die fehlende Möglichkeit zur Reparatur ist ein Grund dafür, dass die sogenannten Schubladenhandys existieren. Alte Handys, die ungenutzt rumliegen und in Vergessenheit geraten. In unserer aktuellen Studie „Urban Mining für eine zirkuläre Wirtschaft“ haben wir uns unter anderem die Rohstoffmengen angeschaut, die in den Handys in deutschen Schubladen stecken: Wir könnten damit den Metallbedarf von neuen Handys für zehn Jahre decken! Dafür fehlt es jedoch leider noch an guten und einheitlichen Systemen, mit denen die Verbraucher ihre alten Elektrogeräte in den Rohstoffkreislauf zurückführen können.

Tech-Unternehmen erkennen in der Idee der Kreislaufwirtschaft zunehmend auch neue Geschäftsmodelle – Apple etwa kauft seine eigenen Smartphones beim Neukauf zurück.

Für das Unternehmen ist das natürlich sehr attraktiv, denn es kennt seine Geräte und weiß am besten, wie man die einzelnen Komponenten wiederverwerten kann. Aber auch die Vermietung eines Produktes kann ein lohnender Ansatz sein: Dann verlässt es niemals den Kreislauf des Unternehmens, es landet also gar nicht erst in einer urbanen Mine, aus der es aufwändig zurückgeholt werden muss. Eine zentrale Frage wird zukünftig sein: Wie können Unternehmen die benötigten Rohstoffe im Kreislauf halten – und trotzdem ertragreich wirtschaften? Das wird wohl nur durch eine umweltfreundlichere Produktgestaltung möglich sein, vom Handy bis zum Häuserbau: Nur wenn wir wissen, welche Rohstoffe verwendet wurden und wie diese am Ende zu recyclen sind, kann eine funktionierende Kreislaufwirtschafte entstehen.

Nadine Keuthen
aktiv-Redakteurin

Nadine Keuthen stürzt sich bei aktiv gerne auf Themen aus der Welt der Wissenschaft und Forschung. Die Begeisterung dafür haben ihr Masterstudium Technik- und Innovationskommunikation und ihre Zeit beim Kinderradio geweckt. Zuvor wurde sie an der Hochschule Macromedia als Journalistin ausgebildet und arbeitete im Lokalfunk und in der Sportberichterstattung. Sobald die Sonne scheint, ist Nadine mit dem Camper unterwegs und schnürt die Wanderschuhe. 

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