Hunderttausende Menschen gehen Woche für Woche auf die Straßen. Sie setzen sich für Offenheit und Respekt ein – und gegen politische Hetze. Das ist ein starkes Zeichen dafür, dass unsere Demokratie lebt – so Dr. Rainer Dulger zu aktiv . Er ist Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin.

Herr Dr. Dulger, wie bewerten Sie die großen Proteste gegen Extremismus und Populismus von links und rechts?

Es ist ein kraftvolles Signal für unsere westliche Demokratie, für unsere Art zu leben. Es sind die Werte unseres Grundgesetzes, die die Menschen antreiben. Damit richten sich die Proteste gegen jede Form von Extremismus, Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus. Wir leben dies mit der sozialpartnerschaftlichen Kultur in unseren Betrieben vor.

Gerade auch die AfD bescheinigt sich selbst gern Wirtschaftskompetenz. Können Sie damit etwas anfangen?

Meist geht es Politikerinnen und Politikern der AfD vor allem darum, die demokratischen Parteien zu diffamieren und viel zu einfache Antworten auf komplexe Fragen zu geben. Wer die hierzulande dringend benötigten ausländischen Fach- und Arbeitskräfte abschreckt, der hat von Wirtschaft nur wenig verstanden. Der AfD fehlt zudem jegliche Fähigkeit zum Kompromiss. So schwer es manchmal zu ertragen ist: Kompromisse gehören nun mal zur Demokratie. Kurz: Ich sehe die AfD eher als Wohlstands- und Investitionsbremse.

Überhaupt, die Basis für unseren heutigen Wohlstand ist Weltoffenheit …

Deutschland hat wie kaum ein anderes Land in den vergangenen 30 Jahren von Globalisierung und Weltoffenheit profitiert.

Populisten wollen Deutschlands EU-Austritt.

Diese Fantasien eines „Dexits“ sind weltfremd. Diese antieuropäische Ausrichtung befremdet mich sehr. Gerade im Jahr der Europawahl bin ich gern bereit, die EU gegen jede populistische Kritik zu verteidigen. Ich sage aber auch: Die EU muss besser werden, transparenter, weniger kompliziert, lebensnäher. Das heißt vor allem: deutlich weniger Bürokratie. Viel EU-Skepsis lässt sich auf die Auswüchse der Brüsseler Bürokratie zurückführen.

Wie kann die Politik den Populisten den Wind aus den Segeln nehmen?

Mit das beste Mittel gegen Populismus und Extremismus ist eine realistische Wirtschafts- und Sozialpolitik. Es geht darum, den Menschen die Furcht vor Abstieg und Veränderung zu nehmen. Das heißt: Die Ampel muss aufhören, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sie muss Rahmenbedingungen schaffen, in denen die Wirtschaft wächst und auch Privatpersonen planen können. Die Menschen sind frustriert, weil sie nicht wissen, ob ihr Arbeitsplatz in der Industrie in fünf Jahren noch existiert oder sie bald viel Geld für eine neue Heizung hinlegen müssen. Natürlich muss die Ampel auch endlich die irreguläre Migration in den Griff bekommen. Das heißt auch, dass Deutschland konsequent abschieben muss, wenn jemand nicht bleiben darf.

Sie sagen, Deutschland ist wieder zum Bremsklotz in Europa geworden.

Wir stecken in einer Rezession. Unternehmen verlagern Teile der Produktion ins Ausland, Investitionen finden meist woanders statt, Energie und Arbeit sind zu teuer, die Regularien zu bürokratisch, der Fach- und Arbeitskräftemangel zu groß. Wenn es so weitergeht, wird Deutschland zum Wohlstandsmuseum.

Wie kommt unser Land wieder in Schwung?

Deutschland muss als Standort deutlich attraktiver werden. Wir brauchen eine schnelle Bürokratie, die nicht so gut wie jeden wirtschaftlichen Impuls erstickt. Wir brauchen mehr Flexibilität für die Unternehmen und mehr Technologieoffenheit. Und wir brauchen eine bessere Infrastruktur und mehr Netto vom Brutto. Wer mehr von seinem Lohn behalten darf, der geht auch motivierter zur Arbeit.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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