Wuppertal. Normalerweise laufen die Maschinen bei 3M in Wuppertal rund um die Uhr. Hier entstehen mikroporöse Membranen etwa für künstliche Lungen: Die halten auf den Intensivstationen schwerstkranke Patienten am Leben. Doch im Juli 2021 war nichts mehr normal – als die Flut kam …

Da glaubte Martin Dittmar bald, der Standort sei Geschichte. Denn der promovierte Chemie-Ingenieur, zuständig für Infrastruktur und Instandhaltung, watete durch knietiefes Wasser im Keller. Sah die Zerstörung. Etwa 300 Schaltschränke, Aggregate, Pumpen, Kältemaschinen – alles abgesoffen, mit Schlamm bedeckt. Der Schaden: mehrere Millionen Euro.

550 Menschen arbeiten im Werk Wuppertal-Barmen. Es ist einer der weltweit größten Hersteller von Hochleistungsmembranen für künstliche Lungen (Oxygenatoren) und Nieren (Dialysatoren). Und es steht direkt an der Wupper. Nach heftigem Regen wuchs dieser kleine Fluss in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli auf das Dreifache an!

Dittmar trommelte die Betriebsfeuerwehr und die Teams der Instandhaltung zusammen. Nicht alle schafften es, zum Werk durchzukommen: Mehrere Straßen waren bereits überflutet. Als das Wasser im Keller trotz Pumpen immer weiter stieg, entschied das Krisenteam, den Strom im Werk abzuschalten.

Produktion kontrolliert heruntergefahren

Der Elektro-Ingenieur Thorsten Schäfer hatte dabei „einen Kloß im Hals“, wie er sagt: „Unsere Anlagen werden eigentlich nie komplett abgeschaltet.“ Der Mann, der hier mal als Azubi angefangen hat, leitet die Teams der Elektrotechnik und die werkeigene Energieversorgung. Aber es ging letztlich nicht anders – Menschen oder Maschinen hätten durch Kurzschlüsse Schaden nehmen können. Schäfer legte den Schalter um. So ein Herunterfahren ist nicht ohne: Die Spinndüsen etwa mussten alle ausgebaut, gereinigt und gelagert werden, damit sie nicht verharzen.

Wir waren auf einer Insel! Nur Blaulicht, Hubschrauber und Suchscheinwerfer am Nachthimmel – und das Rauschen der Wupper

„Wir waren auf einer Insel! Nur Blaulicht, Hubschrauber und Suchscheinwerfer am Nachthimmel – und das Rauschen der Wupper“, erzählt Dittmar, der sich damals auch um den vollgelaufenen Keller im eigenen Haus sorgte. „Wir haben Notfallpläne, Planspiele und Übungen, aber diese Flutkatastrophe war jenseits der Vorstellungskraft.“ Der 3M-Standort hatte sogar schon früh ein Gutachten für extremes Hochwasser erstellen lassen und seine Sicherheitsmaßnahmen darauf ausgerichtet. Die Juli-Flut fiel jedoch weit extremer aus: „Wir waren deshalb auf Spontaneität, Einfallsreichtum und Engagement eines jeden angewiesen.“

Erst nach anderthalb Tagen fiel der Pegel. Das Technische Hilfswerk pumpte mehr als 25 Millionen Liter Wasser und Schlamm ab. Schäden mussten gesichtet und ein Sanierer gefunden werden, der die Gebäude trocknet und den zentimeterdicken Schlick vom technischen Equipment und aus den Schaltschränken entfernt. Einzelne Bereiche gingen nach und nach wieder in Betrieb, die Herstellung der lebensrettenden Membranen hatte dabei natürlich höchste Priorität.

Für künftige Katastrophen wappnen

„Wir haben mehrere Wochenenden durchgearbeitet, um die Bude wieder ans Laufen zu kriegen“, sagen Dittmar und Schäfer. „Es war schon beeindruckend, wie alle mit anpackten.“ Nicht nur die Kollegen, auch Lieferanten. Die benachbarten 3M-Standorte in Hilden und Kamen unterstützten mit Personal und Material. Nach 66 Tagen war es geschafft: „Wir produzieren wieder 100 Prozent, müssen aber noch einige Equipments reinigen oder austauschen.“

Der Klimawandel könnte solche Naturkatastrophen häufiger verursachen. 3M beteiligt sich nun mit anderen Firmen an einer Initiative der Stadt zur Klimaanpassung. Dittmar ist klar: „Wir werden unsere Modelle überdenken und weitere technische sowie organisatorische Maßnahmen ergreifen müssen.“

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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