Leverkusen. Viel testen – wegen Corona. Viel impfen – hoffentlich bald gegen Covid-19, aktuell gegen Grippe: „Die Impfung ist bei uns äußerst begehrt“, sagt Harald Bischof. Er leitet den Gesundheitsschutz von Currenta, dem Betreiber von Chempark, einem der größten Industrieparks Europas. Rund 50.000 Mitarbeiter gibt es an den Standorten Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen, in der Pharmaproduktion und dem Forschungszentrum von Bayer in Wuppertal und der Produktion von Pflanzenschutzmitteln in Monheim.
„Wir haben Pandemie-Pläne in vier Stufen. Aktuell sind wir bei Stufe drei.“
Bischofs Team aus 120 Ärzten, Rettungssanitätern, Psychologen und anderen Spezialisten betreut die Chemie-Beschäftigten arbeits- und notfallmedizinisch. Auch ein Institut für Biomonitoring gehört dazu, das die Belegschaften regelmäßig auf Gefahrstoff-Belastungen testet.
Zwar hat Bischof in seinen 35 Berufsjahren als Arzt noch keine Pandemie eines solchen Ausmaßes erlebt – aber unvorbereitet traf sie ihn nicht. „Es gab schon Anthrax, Sars, die Vogel- und die Schweinegrippe“, zählt er auf. „Wir haben Pandemie-Pläne in vier Stufen. Aktuell sind wir bei Stufe drei: Wer kann, arbeitet im Homeoffice. Ansonsten läuft die Produktion uneingeschränkt weiter. Dafür sorgen wir mit weiteren Schutzmaßnahmen auf sehr hohem Niveau.“
Alle Mitarbeiter mit Kontakt zu Corona-Kranken werden getestet – ganze Schichten inbegriffen
Herzstück dieser Strategie: „Wer krank ist, bleibt zu Hause.“ Alle, die Kontakt zu Corona-Kranken hatten, werden getestet, ganze Schichten inbegriffen. „Unser Labor liefert Ergebnisse binnen acht Stunden“, sagt Bischof. „Dafür gibt es viel Lob von unseren Kunden.“ Die zügige Überprüfung wird reichlich nachgefragt. Die Telefone der Arbeitsmediziner klingeln ständig: Mal sind es Gesundheitsämter, die Kontakte nachverfolgen. Mal sind es Rat suchende Reiserückkehrer oder Mitarbeiter, deren Corona-Warn-App auf Rot gesprungen ist. Mehrere Tausend Mal hat der Gesundheitsschutz schon Beschäftigte getestet, deshalb sei die Inzidenzzahl „viel, viel geringer als draußen“.
„Ich habe in diesem Jahr viel gelernt“, sagt der Arzt. Es lohne sich, theoretisch auf eine Krise vorbereitet zu sein und einen Plan in der Schublade zu haben. Und ein flexibles Team sei Gold wert: „Die Kollegen switchen schnell um, gedanklich wie physisch. Sie haben ihre üblichen Aufgaben verschoben, einen Mietcontainer für die Abstriche organisiert und ziehen sich mehrmals am Tag die Schutzkleidung an.“
Vorsorge sollte eine größere Rolle spielen
Bevor er Betriebsarzt wurde, arbeitete Bischof jahrelang als Anästhesist im Krankenhaus und in einer Praxis für Allgemeinmedizin. Was ihn zum Berufswechsel trieb: „Wir behandeln meist zu spät. Vorsorge sollte eine viel größere Rolle spielen.“ Normalerweise bietet der Gesundheitsschutz von Currenta ein umfangreiches Vorsorgeprogramm für den Berufsalltag. Bischof: „Wegen Corona werden derzeit nur die gesetzlich vorgeschriebenen Routineuntersuchungen durchgeführt.“
Fitnesskurse, Gewichtsreduzierung, Rückenschule, Psychologengespräche: All das muss warten. Es sei denn, etwas lässt sich online machen. Etwa die Tipps für die Kollegen, die plötzlich ins Homeoffice gebeamt wurden. Sie sollen ja nicht mit krummem Rücken am Küchentisch arbeiten. „Dazu haben wir uns viele Ideen überlegt, denn Homeoffice wird ein dauerhafter Trend“, sagt Bischof. Der 60-Jährige arbeitet selbst – wie sein gesamtes Team – die meiste Zeit vor Ort im Chempark. Durch konsequente Einhaltung der Hygieneregeln ist er zuversichtlich, das Risiko zu minimieren: „Ich trage immer Mund-Nasen-Schutz, und wenn Leute keine Rücksicht nehmen, gehe ich auf Abstand.“
In der Freizeit eine Runde im Wald spazieren, mehr ist nicht drin.
Auch privat hält er sich daran. Wenn ihm jemand an der Supermarktkasse schon ungeduldig in den Nacken atmet, schiebt er den Einkaufswagen dazwischen: „Es macht keinen Sinn, im beruflichen Kontext die vollen Schutzkonzepte zu befolgen und sie im Privaten mit Füßen zu treten.“
Für die seelische Gesundheit empfiehlt der Vater von drei Kindern, Kontakte zu Freunden und Familie soweit es geht aufrechtzuerhalten. Und sonst? „Setze ich mich aufs Rad oder gehe eine Runde im Wald spazieren: Mehr ist nicht drin.“
Nachgefragt
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich wollte weg von der heilenden Medizin, die eine Art Drehtür ist, hin zur Prävention. Zur chemischen Industrie kam ich, weil sie einen eigenen Rettungsdienst hat.
Was reizt Sie am meisten?
Die Vielfalt. Es gibt ein Riesenspektrum an medizinischen Themen, aber auch an Managementaufgaben.
Worauf kommt es an?
Kein Wankelmut, aber Flexibilität. Das heißt, die Situation so zu nehmen, wie sie ist – und das erkannte Problem zu lösen.
Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.
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