Hannover. Niedersachsen hat die Wahl. Rund sechs Millionen Bürgerinnen und Bürger entscheiden am Sonntag, 9. Oktober, über die mindestens 135 Mandate im neuen Landtag in Hannover – und damit auch darüber, welchen Weg das zweitgrößte Flächenland der 16 Bundesländer in den kommenden fünf Jahren nehmen wird. Denn aus den Reihen der Abgeordneten wird später auch der künftige Ministerpräsident gewählt.
Wird es Amtsinhaber Stephan Weil von der SPD oder Wirtschaftsminister Bernd Althusmann von der CDU? Bisher regieren sie ja gemeinsam das Land in der Großen Koalition. Und wie stark werden die derzeit fünf politischen Parteien im Landtag vertreten sein?
Zwei Stimmen hat jeder Wahlberechtigte zu vergeben – von denen die Zweitstimme die wichtigere ist. Von ihr hängt es ab, wie viele Sitze eine Partei im Landtag bekommt. Mit der Erststimme wird über das jeweilige Direktmandat in den 87 Wahlkreisen entschieden. Mit Spannung blicken natürlich auch die Unternehmen im Land auf den Ausgang der Wahl: Wie sieht für sie die Zukunft am Standort Niedersachsen aus? aktiv hat vier hiesige Unternehmer gefragt, was sie von der künftigen Landesregierung erwarten.
Marko Löwentraut (Vierter von links), Geschäftsführer Musashi Luechow GmbH
„Von der künftigen Landesregierung erhoffe ich mir, dass sie sich vehement für die Energiesicherheit einsetzt.
Der Ausbau der in Wilhelmshaven und Brunsbüttel geplanten LNG-Terminals muss vorangetrieben und bürokratische Hürden müssen so weit wie möglich abgebaut werden, damit an diesen Terminals möglichst rasch Schiffe mit Flüssiggas anlanden können. Darüber hinaus sollten Förderungsanträge für innovative, energiesparende Projekte der Unternehmen schneller bearbeitet werden. Auch wir stecken derzeit mitten in der Umsetzung eines innovativen Projekts, das den Einsatz von Energie in unserem Betrieb noch effizienter machen wird. Darüber hinaus hoffe ich, dass auch die künftige Regierung weiterhin den Mittelstand mit neuen und bewährten Initiativen wie dem Automobilzulieferer-Fonds „NTransformation“ unterstützt.
Als Unternehmen, das seinen Standort in Lüchow quasi mitten in der idyllischen Region Wendland hat, liegt uns auch der Ausbau der Infrastruktur im ländlichen Raum sehr am Herzen. Gerade hier im Wendland muss die künftige Landesregierung noch einiges tun, damit wir unsere Produkte auch in Zukunft weltweit erfolgreich ausliefern können. Dazu gehören zum Beispiel Projekte zur Optimierung des Warenverkehrs auf Schiene und Straße wie der Anschluss an die Autobahn, der Ausbau des ÖPNV und der Bau von Umgehungsstraßen. Darüber hinaus natürlich die grundlegenden Voraussetzungen wie der Ausbau des Glasfasernetzes für schnelles Internet und eine bessere Mobilfunkabdeckung.“
Dr.-Ing. Dirk Steinbrink, Geschäftsführer der Braunschweigische Maschinenbauanstalt AG (BMA)
„Ich wünsche mir von der neuen Landesregierung eine stärkere Vertretung der Interessen von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Berlin und vor allem in Brüssel.
Denn die kontinuierliche Flut von Regularien, die von der Europäischen Union beschlossen wird, ist in nahezu allen Fällen dermaßen umfassend und sprachlich komplex verfasst, dass Mittelständler ohne eigene Rechtsabteilung große Mühe haben, die Anordnungen zu durchdringen und die sie betreffenden Teile umzusetzen. Glücklicherweise stehen uns dabei unter anderem die Juristen von NiedersachsenMetall zur Seite. Dennoch sollte den Verantwortlichen klargemacht werden, dass sich 170 Seiten EU-Sprech nicht automatisch jedem erschließen.
Darüber hinaus erwarte ich, dass sich die Landesregierung in Brüssel auch für Exportbetriebe wie unseren einsetzt und deutlich macht, dass der Handel nicht an den Grenzen der EU aufhört. Wir sind ein Unternehmen mit über 80 Prozent Exportanteil und liefern unter anderem in viele asiatische und afrikanische Länder. Dort konkurrieren wir mit Firmen, die aufgrund niedriger Löhne und Produktionskosten ihre Produkte zu günstigeren Preisen anbieten können. EU-Auflagen wie die CO2-Reduktion, Nachweise zu Lieferketten und Herkunft von Teilen, die weit über dem Mindeststandard der UN liegen, bedeuten für uns deshalb deutliche Nachteile im globalen Wettbewerb.“
Klaus Deleroi, Geschäftsführer REINTJES GmbH
„Krieg, Unsicherheit, Verfügbarkeit und Kosten der Rohmaterialien, explodierende Energiekosten, aber auch der Fachkräftemangel – das sind derzeit unsere Herausforderungen.
Vor allem die Verfügbarkeit und der Preis für Strom bereiten mir zunehmend Kopfzerbrechen. Im kommenden Jahr werden sich unsere Kosten für Strom voraussichtlich um den Faktor zehn erhöhen, so der Verhandlungsstand heute. Wirklich: um Faktor zehn! Das bedeutet extreme Mehrkosten, die wir erst erwirtschaften müssen und im internationalen Umfeld, in dem wir uns bewegen, nicht weiter belasten können. Das betrifft nicht nur uns, sondern auch viele andere Industriebetriebe. Ich erwarte deshalb von der künftigen Landesregierung, dass sie unsere Sorgen ernst nimmt und sich dafür einsetzt, nicht nur die Bürger, sondern auch die Betriebe von den exorbitanten und explodierenden Energiekosten zu entlasten.
Zudem muss sie sich stärker der Bekämpfung des Fachkräftemangels widmen. Wir bilden in unserem Betrieb viele Fachkräfte aus, aber es fällt uns zunehmend schwer, geeigneten Nachwuchs zu finden. Leider lässt das Bildungsniveau der Schulabgänger immer mehr nach, wir müssen immer häufiger nachschulen. Das machen wir natürlich, aber das ist nicht unsere ursprüngliche Aufgabe. Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass die Wissensvermittlung durch die Schule wieder deutlich besser wird.
Außerdem würde ich mir wünschen, dass die neue Landesregierung mehr gut ausgebildetes Fachpersonal aus dem Ausland nach Deutschland, speziell nach Niedersachsen, lotsen kann. Die Landesregierung könnte sich zum Beispiel in Berlin für ein Zuwanderungsgesetz stark machen, zum Beispiel ein Greencard-System, wie es Kanada oder Australien haben. Dadurch würde Deutschland als Arbeitsort für gut ausgebildete Fachkräfte, die hier arbeiten wollen, wieder attraktiv.“
Karsten Seehafer, Geschäftsführer Hanomag Lohnhärterei Gruppe
„Ich wünsche mir wieder mehr „Normalität“, einen Status wie vor der Pandemie, in dem vieles vorherseh- und planbar war.
Krisen gab es immer, aber eine solche Bündelung von Extremen, wie wir sie gerade durch die Corona-, die Lieferketten-, die Materialkosten- und die Energiekrise haben, das habe ich noch nicht erlebt. Natürlich ist das Bewältigen dieser Krisen nicht allein Aufgabe der Landesregierung. Aber die Menschen und die Wirtschaft in diesem Land brauchen wieder Zuverlässigkeit, und dafür kann auch die Landesregierung einen großen Beitrag leisten. Sparen sollte sie sich vor allem Plattitüden wie die jüngst gehörte Aussage: „Wer nicht produzieren kann, wird nicht automatisch insolvent“ oder vermeintliche Tipps zum Energiesparen durch Nutzung eines Waschlappens. Solchen Phrasen zuhören zu müssen, empfinde ich als Zumutung und Zeitverschwendung.
Stattdessen darf und muss die Politik in bestimmte Wirtschaftsbereiche eingreifen, etwa in den Strommarkt. Wir haben jetzt gesehen, dass der Markt diese Krise nicht lösen kann, also ist ein beherztes Eingreifen des Staates nötig. Zudem müssen Bürger und Industrie gleichbehandelt werden, es darf keiner einen Vorrang vor dem anderen erhalten. Das schürt vor allem Konflikte, die wir in dieser Situation nicht gebrauchen können.“