Stuttgart. Ende März wurde Peer-Michael Dick nach 15 Jahren als Südwestmetall-Chef verabschiedet. Sein Nachfolger Oliver Barta (55) hat sein Amt am 1. April mit viel Elan angetreten. Mit aktiv sprach er darüber, wie er es anpackt und aus welchem Erfahrungsschatz er dabei schöpft.

Herr Barta, Sie sind nun an der Spitze eines großen Arbeitgeberverbands. Das klingt nach keiner leichten Aufgabe.

Langweilig wird es sicher nicht, denn unsere Mitgliedsunternehmen stehen vor tiefgreifenden Veränderungen: Digitalisierung, Demografie, die Risiken von Deglobalisierung und De-Industrialisierung. Gerade in Baden-Württemberg, wo Wirtschaft und Wohlstand sehr stark von der Industrie abhängen, bedeutet das eine riesige Verantwortung.

Kommt Ihnen Ihre jahrelange Erfahrung in Industrieunternehmen jetzt zugute?

Aus der unternehmerischen Perspektive heraus weiß ich in der Tat sehr genau, wie die demografische Entwicklung, die Transformation und die Dekarbonisierung die Betriebe fordern. Aber auch meine Erfahrung als Verhandlungsführer in den Tarifrunden in Hessen und im Tarifgebiet Mitte hilft mir jetzt. Dort habe ich gelernt, wie man mit unseren Sozialpartnern und mit der Politik ins Gespräch kommen kann. Nur so können wir die Rahmenbedingungen schaffen, um unseren Wohlstand zu erhalten.

Wo sehen Sie die denn die Zukunft der Metall- und Elektro-Industrie in Baden-Württemberg?

Der Südwesten ist sehr stark von der Automobil-Industrie geprägt. Hier wird man das Geschäft mit dem Verbrenner in weiten Teilen ersetzen müssen, ohne dabei die Technologie aus den Augen zu verlieren. Wir setzen auf Technologieoffenheit. Es gibt aber auch andere Branchen, die viel Potenzial haben, etwa die Medizintechnik. Diese Branchen brauchen gute Rahmenbedingungen für Innovationen, für Forschung und Entwicklung. Und ein attraktives Umfeld für qualifizierten Nachwuchs – auch aus dem Ausland.

Welche Rolle spielen dabei Verbände wie Südwestmetall?

Sie sind die Stimme der Wirtschaft. Vor allem die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen sind darauf angewiesen, dass ein Verband das äußert, was ihnen auf der Seele brennt. Bei Hessenmetall habe ich das über sechs Jahre begleitet, zuletzt auch im Tarifgebiet Mitte – in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Auch weil mir klar war: Am Rand stehen und über einen Tarifabschluss meckern, bringt nichts – besser ist es, den Abschluss mitzugestalten.

Als Verhandlungsführer in den Tarifrunden muss man bestimmt hart gestrickt sein …

Viele glauben, wir sitzen dort mit einem Pokerface (schmunzelt). So ist das aber nicht. Es kommt vielmehr darauf an, dass man den Sozialpartner versteht, sich in seine Lage versetzen und die Interessen abwägen kann. Das erfordert viel Erfahrung und Menschenkenntnis.

Diese Menschenkenntnis, stammt die aus Ihrer Tätigkeit als Personaler in der Industrie?

Ich denke schon, denn ich habe viele, viele persönliche Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt, selbst dann noch, als ich verantwortlich für das internationale Personalmanagement bei Bosch Thermotechnik war. Für einen Personaler ist es ganz wichtig, das Vertrauen der Beschäftigten zu gewinnen – auch und gerade in einer Chefposition. Dafür ist auch die Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretern wesentlich. Denn über die Betriebsräte findet man Zugang zu den Beschäftigten und lernt viel über Umstände und Abläufe in deren Arbeitsalltag. Oft hilft in erster Linie einfach zuhören.

Aber Zuhören allein löst doch noch keine Konflikte …

Nein, aber es ist die Ausgangsbasis für eine Lösung. Die weitere und eigentliche Herausforderung besteht im Ausgleich der Interessen. Dazu gehört auch zu sehen, dass die Arbeitnehmervertreter durchaus auch ihre Argumente haben. Denn erst wenn man das Gesamtbild verstanden hat, kann man eine Lösung finden, die für alle verträglich ist.

Oliver Barta: Von der Wirtschaft zum Verband

  • Geboren in Eschwege, Hessen
  • Studium der Rechtswissenschaften in Mainz
  • Verschiedene Stationen im Personalmanagement in der Industrie
  • Seit 2007 bis zuletzt Vice President Human Resources bei Bosch Thermotechnik in Wetzlar
  • Seit 2020 stellvertretender Vorsitzender und Verhandlungsführer von Hessenmetall
  • 2022 Verhandlungsführer im Tarifgebiet M+E Mitte
Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

Alle Beiträge der Autorin
Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

Alle Beiträge der Autorin