Sulzburg. „New Work“ gilt als ein Megatrend, der die Arbeitswelt künftig prägen wird – auch in der Industrie. Was kommt da auf die Beschäftigten zu? aktiv hat bei Theresa Köbelin genauer nachgefragt. Sie führt das Thema New Work bei Hekatron in Sulzburg.
New Work – was ist das eigentlich genau? Und warum brauchen wir überhaupt so was wie Neue Arbeit?
Bei New Work geht es um die Weiterentwicklung der Arbeitswelt: Wie wir lernen, wie wir zusammenarbeiten und wie wir führen. Das alles wandelt sich durch äußere Einflüsse auf die Unternehmen, wie Globalisierung, Krisen oder auch die Digitalisierung. Hinzu kommt: Die nachrückenden Generationen möchten sich gern entfalten und auch mitentscheiden. Die bisherigen, Jahrzehnte alten Strukturen passen da nicht mehr. Der Trend geht zu flacheren Hierarchien und kürzeren Entscheidungswegen.
Was heißt das für die Belegschaft?
Früher hat man einen Beruf gelernt und dann dauerhaft bestimmte Aufgaben gehabt. So ist das heute nicht mehr. Wir müssen bereit sein, Neues auszuprobieren und immer wieder dazuzulernen. Das geschieht nicht nur in Weiterbildungslehrgängen oder Schulungen, sondern auch ganz informell im Arbeitsalltag oder in kleinen Häppchen nebenher, auch online. Von oben wird weniger vorgegeben, die Teams und der Einzelne übernehmen mehr Verantwortung. Das kann auch heißen, dass Teams ganz ohne Führung sich selbst organisieren und gemeinsam einvernehmliche Entscheidungen treffen.
Entscheidungen im Team zu treffen, kann schwierig sein. Wird New Work dann nicht eher zum Bremsklotz?
Deshalb benötigen Teams neue Methoden und Werkzeuge an die Hand, um zu einer Entscheidung zu kommen, mit der alle leben können. Ein Beispiel ist der sogenannte „integrative Entscheidungsprozess“ (IDM). Er basiert auf dem Konsent-Gedanken. Das bedeutet: Die Einwände aller Teammitglieder werden einbezogen, bis das Ergebnis „safe enough to try“ ist, also umgesetzt werden kann.
Das hört sich ziemlich nach Büro an. Betrifft New Work denn auch die Beschäftigten in der Produktion?
Durchaus, wobei die Spielräume dort in manchen Fragen begrenzt sind – etwa wenn es um Homeoffice oder die flexible Gestaltung der Arbeitszeit geht. Aber auch in der Produktion können Teamstrukturen, Prozesse oder Entscheidungswege neu gestaltet werden. Mitarbeiter können mit eigenen Ideen die Dinge voranbringen, Teams eigenverantwortlicher arbeiten und die Hierarchien flacher werden. Eine grundlegende Offenheit und Veränderungsbereitschaft sind also auch hier wichtig.
Und wie geht ein Mittelständler wie Hekatron das Thema an?
In einem ersten Schritt haben wir an einer Reihe von Kinotagen Filme über New Work gezeigt, um die Belegschaft an das Thema heranzuführen. Als Nächstes erarbeitet man mit den Mitarbeitern und Führungskräften gemeinsam Konzepte, wie die neue Arbeitswelt aussehen kann, was verbessert werden soll – und fängt dann an, mit einzelnen Teams Dinge auszuprobieren.
„New Work wird ein Erfolg, wenn alle mitziehen. Das Konzept soll nicht von oben verordnet werden.“
Hat es eigentlich auch mit dem Alter zu tun, wie offen sich jemand darauf einlässt?
Nein, eher mit der Persönlichkeit und mit der Gruppendynamik. Es hängt immer vom Team ab, was sinnvoll und machbar ist. Grundsätzlich gilt: New Work wird ein Erfolg, wenn alle im Team davon überzeugt sind und freiwillig mitziehen. Das Konzept soll nicht von oben verordnet werden.
Aber ganz verschließen kann man sich dem Thema nicht, oder?
Nicht wirklich, denn man kann den Lauf der Welt nicht aufhalten. Trotzdem braucht keiner Angst zu haben. Es ist für alle ein Lernprozess, auch für die Führungskräfte. Wer sich überfordert fühlt, darf sich nicht scheuen, Hilfe zu suchen und das einzufordern, was er braucht – seien es technische Hilfsmittel, eine Schulung oder einen konkreten Ansprechpartner für Probleme.
Theresa Köbelin
Die Industriekauffrau ist seit zwei Jahren im Marketing, mit Schwerpunkt Personalmarketing und Employer Branding. Aktuell absolviert sie ein Fernstudium zu New Work, seit August 2022 leitet sie das Thema im Betrieb.
Hekatron Unternehmen
Die Hekatron Unternehmen haben zusammen rund 1.020 Beschäftigte. Hekatron Brandschutz entwickelt Produkte und Systeme für den anlagentechnischen Brandschutz, Hekatron Manufacturing ist Spezialist für Electronic Manufacturing Services.
Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.
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